Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.Cap. IX. Von dem Wasser Morgen aber wärmer, wo sie gewesen ist.Derowegen da die Kälte die ausdehnende Krafft der Lufft schwächt, die Wärme aber sie vermehret (§. 133. T. I. Exper.); so findet sie weniger Wiederstand gegen A- bend als gegen Morgen, und daher muß sie sich gegen Abend und also mit der Son- ne nach einer Gegend bewegen. Solcher- gestalt bläset der Wind beständig aus Mor- gen. Man möchte vielleicht fragen, war- umb sich nicht so wohl die Lufft gegen Mor- gen, als gegen Abend bewegen kan, in dem sie an dem Orte, wo die Sonne stehet, ver- dünnet wird: allein es ist zu wissen, daß, unerachtet die Lufft an den Orten gegen Morgen, welche die Sonne verläst, bald wieder sich abkühlet (§ 134. T. I. Exper.), und dadurch ihre ausdehnende Krafft ver- geringert wird, deshalben nicht die Lufft aus dem Orte, wo die Sonne stehet, sich hin bewegen darf, in dem weiter gegen Morgen die Lufft sich dahin beweget, und auf solche Weise den Strich des Windes gegen Abend erhält. Da man nun eine Ursache des beständigen Windes ausser der Linie und zwischen den Tropicis siehet, wo nicht die darzwischen liegende Länder eine Aenderung verursachen; so scheinet es auch die wahrscheinlichste Ursache zu seyn, daß daselbst das See-Wasser die Bewegung gegen Westen erhält und durch die-
Cap. IX. Von dem Waſſer Morgen aber waͤrmer, wo ſie geweſen iſt.Derowegen da die Kaͤlte die ausdehnende Krafft der Lufft ſchwaͤcht, die Waͤrme aber ſie vermehret (§. 133. T. I. Exper.); ſo findet ſie weniger Wiederſtand gegen A- bend als gegen Morgen, und daher muß ſie ſich gegen Abend und alſo mit der Son- ne nach einer Gegend bewegen. Solcher- geſtalt blaͤſet der Wind beſtaͤndig aus Mor- gen. Man moͤchte vielleicht fragen, war- umb ſich nicht ſo wohl die Lufft gegen Mor- gen, als gegen Abend bewegen kan, in dem ſie an dem Orte, wo die Sonne ſtehet, ver- duͤnnet wird: allein es iſt zu wiſſen, daß, unerachtet die Lufft an den Orten gegen Morgen, welche die Sonne verlaͤſt, bald wieder ſich abkuͤhlet (§ 134. T. I. Exper.), und dadurch ihre ausdehnende Krafft ver- geringert wird, deshalben nicht die Lufft aus dem Orte, wo die Sonne ſtehet, ſich hin bewegen darf, in dem weiter gegen Morgen die Lufft ſich dahin beweget, und auf ſolche Weiſe den Strich des Windes gegen Abend erhaͤlt. Da man nun eine Urſache des beſtaͤndigen Windes auſſer der Linie und zwiſchen den Tropicis ſiehet, wo nicht die darzwiſchen liegende Laͤnder eine Aenderung verurſachen; ſo ſcheinet es auch die wahrſcheinlichſte Urſache zu ſeyn, daß daſelbſt das See-Waſſer die Bewegung gegen Weſten erhaͤlt und durch die-
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Cap. IX. Von dem Waſſer
Morgen aber waͤrmer, wo ſie geweſen iſt.
Derowegen da die Kaͤlte die ausdehnende
Krafft der Lufft ſchwaͤcht, die Waͤrme aber
ſie vermehret (§. 133. T. I. Exper.); ſo
findet ſie weniger Wiederſtand gegen A-
bend als gegen Morgen, und daher muß
ſie ſich gegen Abend und alſo mit der Son-
ne nach einer Gegend bewegen. Solcher-
geſtalt blaͤſet der Wind beſtaͤndig aus Mor-
gen. Man moͤchte vielleicht fragen, war-
umb ſich nicht ſo wohl die Lufft gegen Mor-
gen, als gegen Abend bewegen kan, in dem
ſie an dem Orte, wo die Sonne ſtehet, ver-
duͤnnet wird: allein es iſt zu wiſſen, daß,
unerachtet die Lufft an den Orten gegen
Morgen, welche die Sonne verlaͤſt, bald
wieder ſich abkuͤhlet (§ 134. T. I. Exper.),
und dadurch ihre ausdehnende Krafft ver-
geringert wird, deshalben nicht die Lufft
aus dem Orte, wo die Sonne ſtehet, ſich
hin bewegen darf, in dem weiter gegen
Morgen die Lufft ſich dahin beweget, und
auf ſolche Weiſe den Strich des Windes
gegen Abend erhaͤlt. Da man nun eine
Urſache des beſtaͤndigen Windes auſſer der
Linie und zwiſchen den Tropicis ſiehet,
wo nicht die darzwiſchen liegende Laͤnder
eine Aenderung verurſachen; ſo ſcheinet
es auch die wahrſcheinlichſte Urſache zu
ſeyn, daß daſelbſt das See-Waſſer die
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