Und wenn auch gleich Qvellen an solchen Orten gefunden werden, wo die obere Erde in den Bergen von der Art ist, die das Was- ser nicht wohl durchlässet; so hindert dieses doch nicht, daß sie ihren Ursprung von dem Regen und Schnee nehmen. Denn es ist ja nicht eben nöthig, daß das Wasser an dem Orte zusammen geflossen, wo es heraus qvil- let. Es kan sonderbahre Gänge in der Er- den haben, dadurch es aus andern Orten, wo es sich gesammlet, dahin fleußt, wo es sei- nen Ausgang findet.
§. 345.
Was die andere SchwierigkeitOb das Regen- Wasser allein die Qvellen unterhal- ten kan. betrifft, da man vermeinet, das Regen- wasser reiche nicht zu, die Qvellen zu unter- halten; so hat man entweder keinen Grund darzu, als weil man die Grösse des Regen- Wassers mit dem, was die Qvellen geben, nicht zu vergleichen weiß, oder man grün- det sich in einem Versuche des Herrn de la Hire. Jn dem ersten Falle entstehet die Furcht aus der blossen Unwissenheit und hat man darauf wenig acht zu haben: we- nigstens ist gewis, daß man es deswegen nicht leugnen kan, insonderheit da wir ge- nungsame Ursache haben, warum wir den Ursprung der Qvellen dem Regen-Wasser zueignen (§. 343.). Es ist wohl wahr, daß wir Qvellen antreffen, die beständig sehr viel Wasser geben, und daß die Qvellen, welche das meiste Wasser geben, beständig
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auf dem Erdboden.
Und wenn auch gleich Qvellen an ſolchen Orten gefunden werden, wo die obere Erde in den Bergen von der Art iſt, die das Waſ- ſer nicht wohl durchlaͤſſet; ſo hindert dieſes doch nicht, daß ſie ihren Urſprung von dem Regen und Schnee nehmen. Denn es iſt ja nicht eben noͤthig, daß das Waſſer an dem Orte zuſammen gefloſſen, wo es heraus qvil- let. Es kan ſonderbahre Gaͤnge in der Er- den haben, dadurch es aus andern Orten, wo es ſich geſammlet, dahin fleußt, wo es ſei- nen Ausgang findet.
§. 345.
Was die andere SchwierigkeitOb das Regen- Waſſer allein die Qvellen unterhal- ten kan. betrifft, da man vermeinet, das Regen- waſſer reiche nicht zu, die Qvellen zu unter- halten; ſo hat man entweder keinen Grund darzu, als weil man die Groͤſſe des Regen- Waſſers mit dem, was die Qvellen geben, nicht zu vergleichen weiß, oder man gruͤn- det ſich in einem Verſuche des Herrn de la Hire. Jn dem erſten Falle entſtehet die Furcht aus der bloſſen Unwiſſenheit und hat man darauf wenig acht zu haben: we- nigſtens iſt gewis, daß man es deswegen nicht leugnen kan, inſonderheit da wir ge- nungſame Urſache haben, warum wir den Urſprung der Qvellen dem Regen-Waſſer zueignen (§. 343.). Es iſt wohl wahr, daß wir Qvellen antreffen, die beſtaͤndig ſehr viel Waſſer geben, und daß die Qvellen, welche das meiſte Waſſer geben, beſtaͤndig
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auf dem Erdboden.
Und wenn auch gleich Qvellen an ſolchen
Orten gefunden werden, wo die obere Erde
in den Bergen von der Art iſt, die das Waſ-
ſer nicht wohl durchlaͤſſet; ſo hindert dieſes
doch nicht, daß ſie ihren Urſprung von dem
Regen und Schnee nehmen. Denn es iſt
ja nicht eben noͤthig, daß das Waſſer an dem
Orte zuſammen gefloſſen, wo es heraus qvil-
let. Es kan ſonderbahre Gaͤnge in der Er-
den haben, dadurch es aus andern Orten,
wo es ſich geſammlet, dahin fleußt, wo es ſei-
nen Ausgang findet.
§. 345. Was die andere Schwierigkeit
betrifft, da man vermeinet, das Regen-
waſſer reiche nicht zu, die Qvellen zu unter-
halten; ſo hat man entweder keinen Grund
darzu, als weil man die Groͤſſe des Regen-
Waſſers mit dem, was die Qvellen geben,
nicht zu vergleichen weiß, oder man gruͤn-
det ſich in einem Verſuche des Herrn de la
Hire. Jn dem erſten Falle entſtehet die
Furcht aus der bloſſen Unwiſſenheit und
hat man darauf wenig acht zu haben: we-
nigſtens iſt gewis, daß man es deswegen
nicht leugnen kan, inſonderheit da wir ge-
nungſame Urſache haben, warum wir den
Urſprung der Qvellen dem Regen-Waſſer
zueignen (§. 343.). Es iſt wohl wahr, daß
wir Qvellen antreffen, die beſtaͤndig ſehr
viel Waſſer geben, und daß die Qvellen,
welche das meiſte Waſſer geben, beſtaͤndig
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Ob das
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Waſſer
allein die
Qvellen
unterhal-
ten kan.
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/541>, abgerufen am 22.11.2024.
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