Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. IX. Von dem Wasser
klar und
wenn es
trübe ist,
Fluß kommet; so nimmt es viel Staub und
Unflat mit sich, auch löset es viel leimichte
Erde auf und führet sie mit fort. Deswe-
gen ist das Wasser in den Flüssen trübe und
unrein, wenn es von dem Regen-Wasser
anwächset. Hingegen da das Wasser aus
den Quellen reine ist; so haben auch die
Flüsse klares Wasser, wenn sie es bloß von
ihnen bekommen. Jedoch da es überall an
den Ufern und dem Grunde etwas mit
nimmet, wo es rinnet, ehe es in die Flüsse
kommet, und wo es in den Flüssen fleußt;
so ist es auch in den Flüssen niemahls so
klar und reine, wie in den Qvellen.

Woher
die Qvel-
len ihr
Wasser
haben.
§. 342.

Wenn man bedencket, was für
eine grosse Menge Wasser täglich in den
Flüssen weg fleußt, und gleich wohl gewiß
ist, daß sie das meiste aus den Qvellen be-
kommen (§. 340.); so hat man nicht wenig
Sorge gehabt, woher doch die Qvellen so
viel Wasser bekommen, und warumb es
ihnen niemahls daran gebricht, oder wenn
es ja unterweilen gebricht, woher sie es doch
wieder bekommen. Da man erwogen, daß
alles Wasser von den Flüssen ins Meer ge-
führet, und gleichwohl das Meer davon
nicht völler wird; so ist man gar leicht auf
die Gedancken gerathen, daß das Meer den
Qvellen ihr Wasser wieder gebe. Und da-
her hat man vermeinet, es fliesse aus der
See unter der Erde durch unterirrdische

Flüsse

Cap. IX. Von dem Waſſer
klar und
wenn es
truͤbe iſt,
Fluß kommet; ſo nimmt es viel Staub und
Unflat mit ſich, auch loͤſet es viel leimichte
Erde auf und fuͤhret ſie mit fort. Deswe-
gen iſt das Waſſer in den Fluͤſſen truͤbe und
unrein, wenn es von dem Regen-Waſſer
anwaͤchſet. Hingegen da das Waſſer aus
den Quellen reine iſt; ſo haben auch die
Fluͤſſe klares Waſſer, wenn ſie es bloß von
ihnen bekommen. Jedoch da es uͤberall an
den Ufern und dem Grunde etwas mit
nimmet, wo es rinnet, ehe es in die Fluͤſſe
kommet, und wo es in den Fluͤſſen fleußt;
ſo iſt es auch in den Fluͤſſen niemahls ſo
klar und reine, wie in den Qvellen.

Woher
die Qvel-
len ihr
Waſſer
haben.
§. 342.

Wenn man bedencket, was fuͤr
eine groſſe Menge Waſſer taͤglich in den
Fluͤſſen weg fleußt, und gleich wohl gewiß
iſt, daß ſie das meiſte aus den Qvellen be-
kommen (§. 340.); ſo hat man nicht wenig
Sorge gehabt, woher doch die Qvellen ſo
viel Waſſer bekommen, und warumb es
ihnen niemahls daran gebricht, oder wenn
es ja unterweilen gebricht, woher ſie es doch
wieder bekommen. Da man erwogen, daß
alles Waſſer von den Fluͤſſen ins Meer ge-
fuͤhret, und gleichwohl das Meer davon
nicht voͤller wird; ſo iſt man gar leicht auf
die Gedancken gerathen, daß das Meer den
Qvellen ihr Waſſer wieder gebe. Und da-
her hat man vermeinet, es flieſſe aus der
See unter der Erde durch unterirrdiſche

Fluͤſſe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0528" n="492"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Cap. IX.</hi> Von dem Wa&#x017F;&#x017F;er</hi></fw><lb/><note place="left">klar und<lb/>
wenn es<lb/>
tru&#x0364;be i&#x017F;t,</note>Fluß kommet; &#x017F;o nimmt es viel Staub und<lb/>
Unflat mit &#x017F;ich, auch lo&#x0364;&#x017F;et es viel leimichte<lb/>
Erde auf und fu&#x0364;hret &#x017F;ie mit fort. Deswe-<lb/>
gen i&#x017F;t das Wa&#x017F;&#x017F;er in den Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en tru&#x0364;be und<lb/>
unrein, wenn es von dem Regen-Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
anwa&#x0364;ch&#x017F;et. Hingegen da das Wa&#x017F;&#x017F;er aus<lb/>
den <hi rendition="#fr">Quellen</hi> reine i&#x017F;t; &#x017F;o haben auch die<lb/>
Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e klares Wa&#x017F;&#x017F;er, wenn &#x017F;ie es bloß von<lb/>
ihnen bekommen. Jedoch da es u&#x0364;berall an<lb/>
den Ufern und dem Grunde etwas mit<lb/>
nimmet, wo es rinnet, ehe es in die Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
kommet, und wo es in den Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en fleußt;<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t es auch in den Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en niemahls &#x017F;o<lb/>
klar und reine, wie in den Qvellen.</p><lb/>
              <note place="left">Woher<lb/>
die Qvel-<lb/>
len ihr<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
haben.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 342.</head>
              <p>Wenn man bedencket, was fu&#x0364;r<lb/>
eine gro&#x017F;&#x017F;e Menge Wa&#x017F;&#x017F;er ta&#x0364;glich in den<lb/>
Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en weg fleußt, und gleich wohl gewiß<lb/>
i&#x017F;t, daß &#x017F;ie das mei&#x017F;te aus den Qvellen be-<lb/>
kommen (§. 340.); &#x017F;o hat man nicht wenig<lb/>
Sorge gehabt, woher doch die Qvellen &#x017F;o<lb/>
viel Wa&#x017F;&#x017F;er bekommen, und warumb es<lb/>
ihnen niemahls daran gebricht, oder wenn<lb/>
es ja unterweilen gebricht, woher &#x017F;ie es doch<lb/>
wieder bekommen. Da man erwogen, daß<lb/>
alles Wa&#x017F;&#x017F;er von den Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ins Meer ge-<lb/>
fu&#x0364;hret, und gleichwohl das Meer davon<lb/>
nicht vo&#x0364;ller wird; &#x017F;o i&#x017F;t man gar leicht auf<lb/>
die Gedancken gerathen, daß das Meer den<lb/>
Qvellen ihr Wa&#x017F;&#x017F;er wieder gebe. Und da-<lb/>
her hat man vermeinet, es flie&#x017F;&#x017F;e aus der<lb/>
See unter der Erde durch unterirrdi&#x017F;che<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[492/0528] Cap. IX. Von dem Waſſer Fluß kommet; ſo nimmt es viel Staub und Unflat mit ſich, auch loͤſet es viel leimichte Erde auf und fuͤhret ſie mit fort. Deswe- gen iſt das Waſſer in den Fluͤſſen truͤbe und unrein, wenn es von dem Regen-Waſſer anwaͤchſet. Hingegen da das Waſſer aus den Quellen reine iſt; ſo haben auch die Fluͤſſe klares Waſſer, wenn ſie es bloß von ihnen bekommen. Jedoch da es uͤberall an den Ufern und dem Grunde etwas mit nimmet, wo es rinnet, ehe es in die Fluͤſſe kommet, und wo es in den Fluͤſſen fleußt; ſo iſt es auch in den Fluͤſſen niemahls ſo klar und reine, wie in den Qvellen. klar und wenn es truͤbe iſt, §. 342. Wenn man bedencket, was fuͤr eine groſſe Menge Waſſer taͤglich in den Fluͤſſen weg fleußt, und gleich wohl gewiß iſt, daß ſie das meiſte aus den Qvellen be- kommen (§. 340.); ſo hat man nicht wenig Sorge gehabt, woher doch die Qvellen ſo viel Waſſer bekommen, und warumb es ihnen niemahls daran gebricht, oder wenn es ja unterweilen gebricht, woher ſie es doch wieder bekommen. Da man erwogen, daß alles Waſſer von den Fluͤſſen ins Meer ge- fuͤhret, und gleichwohl das Meer davon nicht voͤller wird; ſo iſt man gar leicht auf die Gedancken gerathen, daß das Meer den Qvellen ihr Waſſer wieder gebe. Und da- her hat man vermeinet, es flieſſe aus der See unter der Erde durch unterirrdiſche Fluͤſſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/528
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/528>, abgerufen am 22.11.2024.