Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.und andern Feuer-Zeichen. lich sind, und, wenn sie auch möglich wären,ob sie eine genungsame Ursache von dieser Begebenheit seyn könnten. Derowegen hat diese Meinung gar wenig Wahr- scheinlichkeit vor sich, als die daraus beur- theilet werden muß, daß viel oder wenige Gründe vorhanden sind, die zur Wahrheit erfordert werden (§. 399 Met.). Es ist a- ber auch nicht nöthig, daß wir auf eine so gar weit ausschweiffende Ursache verfallen: denn wenn wir die Sache genauer überle- gen, so düncket mich, man könne die Ursache von den Farben näher finden. Als ich mei- ne Gedancken A. 1716. von dieser sonder- bahren Begebenheit eröffnete, war mir der- selbe Umstand noch nicht bekand und konnte ich dannenhero auch nicht darauf acht ha- ben. Es ist wahr, daß, wenn der Bogen mit Regenbogen-Farben gespielet, er das Licht nicht von sich gehabt, sondern es an- ders woher empfangen hat. Denn die Farben entstehen, indem das Licht gebro- chen wird (§. 158 T. II. Exper.): keine leuchtende Materie aber kan ihr eigenes Licht brechen, indem es nicht eher gebrochen wird, als bis es aus einer dünneren Mate- rie in eine dichtere, oder aus einer dichteren in eine dünnere fähret (§. 147 T. II. Exp.). Nun haben wir zwar kein anderes Licht als das Nord-Licht über dem Horizont: al- lein es kan auch dieses eine genungsame Ur- sache G g 5
und andern Feuer-Zeichen. lich ſind, und, wenn ſie auch moͤglich waͤren,ob ſie eine genungſame Urſache von dieſer Begebenheit ſeyn koͤnnten. Derowegen hat dieſe Meinung gar wenig Wahr- ſcheinlichkeit vor ſich, als die daraus beur- theilet werden muß, daß viel oder wenige Gruͤnde vorhanden ſind, die zur Wahrheit erfordert werden (§. 399 Met.). Es iſt a- ber auch nicht noͤthig, daß wir auf eine ſo gar weit ausſchweiffende Urſache verfallen: denn wenn wir die Sache genauer uͤberle- gen, ſo duͤncket mich, man koͤnne die Urſache von den Farben naͤher finden. Als ich mei- ne Gedancken A. 1716. von dieſer ſonder- bahren Begebenheit eroͤffnete, war mir der- ſelbe Umſtand noch nicht bekand und konnte ich dannenhero auch nicht darauf acht ha- ben. Es iſt wahr, daß, wenn der Bogen mit Regenbogen-Farben geſpielet, er das Licht nicht von ſich gehabt, ſondern es an- ders woher empfangen hat. Denn die Farben entſtehen, indem das Licht gebro- chen wird (§. 158 T. II. Exper.): keine leuchtende Materie aber kan ihr eigenes Licht brechen, indem es nicht eher gebrochen wird, als bis es aus einer duͤnneren Mate- rie in eine dichtere, oder aus einer dichteren in eine duͤnnere faͤhret (§. 147 T. II. Exp.). Nun haben wir zwar kein anderes Licht als das Nord-Licht uͤber dem Horizont: al- lein es kan auch dieſes eine genungſame Ur- ſache G g 5
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und andern Feuer-Zeichen.
lich ſind, und, wenn ſie auch moͤglich waͤren,
ob ſie eine genungſame Urſache von dieſer
Begebenheit ſeyn koͤnnten. Derowegen
hat dieſe Meinung gar wenig Wahr-
ſcheinlichkeit vor ſich, als die daraus beur-
theilet werden muß, daß viel oder wenige
Gruͤnde vorhanden ſind, die zur Wahrheit
erfordert werden (§. 399 Met.). Es iſt a-
ber auch nicht noͤthig, daß wir auf eine ſo
gar weit ausſchweiffende Urſache verfallen:
denn wenn wir die Sache genauer uͤberle-
gen, ſo duͤncket mich, man koͤnne die Urſache
von den Farben naͤher finden. Als ich mei-
ne Gedancken A. 1716. von dieſer ſonder-
bahren Begebenheit eroͤffnete, war mir der-
ſelbe Umſtand noch nicht bekand und konnte
ich dannenhero auch nicht darauf acht ha-
ben. Es iſt wahr, daß, wenn der Bogen
mit Regenbogen-Farben geſpielet, er das
Licht nicht von ſich gehabt, ſondern es an-
ders woher empfangen hat. Denn die
Farben entſtehen, indem das Licht gebro-
chen wird (§. 158 T. II. Exper.): keine
leuchtende Materie aber kan ihr eigenes
Licht brechen, indem es nicht eher gebrochen
wird, als bis es aus einer duͤnneren Mate-
rie in eine dichtere, oder aus einer dichteren
in eine duͤnnere faͤhret (§. 147 T. II. Exp.).
Nun haben wir zwar kein anderes Licht
als das Nord-Licht uͤber dem Horizont: al-
lein es kan auch dieſes eine genungſame Ur-
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