Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.Cap. VII. Von dem Regen-Bogen, es Mittag war, gieng F. Lucianus vonihm um zn läuten. Es schlug auch 12 Uhr in der Uhr in der Thum-Kirche und zu St. Vincents. Jndem P. Romuald noch ein- mahl auf die Sonnen Uhr sahe, wurde er gewahr, daß der Schatten von 12 bis 1/4 über die 11te Stunden-Linie zurücke gegangen war. Er gab darauf acht und vermerck- te, daß der Schatten unvermerckt noch wei- ter bis halb 11 Uhr zurücke gieng. Er rief F. Lucianen zurücke, damit er in einer so seltsamen und unvermutheten Begebenheit einen Zeugen hätte. Es bließ dazumahl ein Mittags-Wind, der einige kleine Wolcken von verschiedener Dicke vor der Sonne hertrieb, aber ohne einigen Regen; auch sahe man nicht, daß der Schatten in der Sonnen- Uhr davon einigen Anstoß gelitten hätte. Der Schatten gieng nach diesem wieder or- dentlich fort, als wenn er nicht im geringsten zurücke gegangen wäre. Man siehet leicht, daß der Strahl der Sonne nicht mit ihr in einer geraden Linie auf den Zeiger kan ge- fallen seyn, indem der Schatten zurücke ge- gangen, folgends daß er in der Lufft muß seyn gebrachen worden (§. 151 T. II. Ex- per.). Weil aber der Schatten nicht wieder auf ein mahl in feinen ordentli- chen Stand kommen kan, sondern nach und nach von halb 11 Uhr auf der Sonnen- Uhr gegen die zwölffte Stunden-Linie wie- der
Cap. VII. Von dem Regen-Bogen, es Mittag war, gieng F. Lucianus vonihm um zn laͤuten. Es ſchlug auch 12 Uhr in der Uhr in der Thum-Kirche und zu St. Vincents. Jndem P. Romuald noch ein- mahl auf die Sonnen Uhr ſahe, wurde er gewahr, daß der Schatten von 12 bis ¼ uͤber die 11te Stunden-Linie zuruͤcke gegangen war. Er gab darauf acht und vermerck- te, daß der Schatten unvermerckt noch wei- ter bis halb 11 Uhr zuruͤcke gieng. Er rief F. Lucianen zuruͤcke, damit er in einer ſo ſeltſamen und unvermutheten Begebenheit einen Zeugen haͤtte. Es bließ dazumahl ein Mittags-Wind, der einige kleine Wolcken von verſchiedener Dicke vor der Sonne hertrieb, aber ohne einigen Regen; auch ſahe man nicht, daß der Schatten in der Sonnen- Uhr davon einigen Anſtoß gelitten haͤtte. Der Schatten gieng nach dieſem wieder or- dentlich fort, als wenn er nicht im geringſten zuruͤcke gegangen waͤre. Man ſiehet leicht, daß der Strahl der Sonne nicht mit ihr in einer geraden Linie auf den Zeiger kan ge- fallen ſeyn, indem der Schatten zuruͤcke ge- gangen, folgends daß er in der Lufft muß ſeyn gebrachen worden (§. 151 T. II. Ex- per.). Weil aber der Schatten nicht wieder auf ein mahl in feinen ordentli- chen Stand kommen kan, ſondern nach und nach von halb 11 Uhr auf der Sonnen- Uhr gegen die zwoͤlffte Stunden-Linie wie- der
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Cap. VII. Von dem Regen-Bogen,
es Mittag war, gieng F. Lucianus von
ihm um zn laͤuten. Es ſchlug auch 12 Uhr
in der Uhr in der Thum-Kirche und zu St.
Vincents. Jndem P. Romuald noch ein-
mahl auf die Sonnen Uhr ſahe, wurde er
gewahr, daß der Schatten von 12 bis ¼ uͤber
die 11te Stunden-Linie zuruͤcke gegangen
war. Er gab darauf acht und vermerck-
te, daß der Schatten unvermerckt noch wei-
ter bis halb 11 Uhr zuruͤcke gieng. Er rief
F. Lucianen zuruͤcke, damit er in einer ſo
ſeltſamen und unvermutheten Begebenheit
einen Zeugen haͤtte. Es bließ dazumahl ein
Mittags-Wind, der einige kleine Wolcken
von verſchiedener Dicke vor der Sonne
hertrieb, aber ohne einigen Regen; auch ſahe
man nicht, daß der Schatten in der Sonnen-
Uhr davon einigen Anſtoß gelitten haͤtte.
Der Schatten gieng nach dieſem wieder or-
dentlich fort, als wenn er nicht im geringſten
zuruͤcke gegangen waͤre. Man ſiehet leicht,
daß der Strahl der Sonne nicht mit ihr in
einer geraden Linie auf den Zeiger kan ge-
fallen ſeyn, indem der Schatten zuruͤcke ge-
gangen, folgends daß er in der Lufft muß
ſeyn gebrachen worden (§. 151 T. II. Ex-
per.). Weil aber der Schatten nicht
wieder auf ein mahl in feinen ordentli-
chen Stand kommen kan, ſondern nach
und nach von halb 11 Uhr auf der Sonnen-
Uhr gegen die zwoͤlffte Stunden-Linie wie-
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