Frühling ist die Zeit, in welcher die Sonne den Widder, Stier und die Zwillinge durch- wandert. Sommer die Zeit, in welcher sie den Krebs, Löwe und die Jungfrau durchläufft; Herbst die Zeit, in welcher sie sich durch die Wage, den Scorpion und Schützen beweget, und endlich Winter, da sie ihren Lauff durch den Steinbock, Was- sermann und die Fische vollendet. Aus der Geographie ist bekandt, daß die Erklä- rungen der Jahrszeiten nicht über den gan- tzen Erdboden gelten, sondern bloß bey uns, die wir den nordischen Theil bewohnen: denn in dem südlichen Theile kehret sich alles um (§. 39. Geogr.).
Unter- scheid der beständi- gen und verän- derlichen Witte- rungen.
§. 226.
Alle| Sommer kommen zwar darinnen mit einander überein, daß es so warm ist, daß Kräuter und Bäume grünen und wachsen können; ingleichen wird kein Winter seyn, in dem es nicht wenigstens so kalt seyn sollte, daß die Bäume ohne Laub und Wachsthum stehen: allein ein Som- mer ist doch wärmer als der andere, und ein Winter kälter als der andere. Gleicher- gestalt kommen alle Frühlinge darinnen mit einander überein, daß das Eis wieder auff- thauet, der Schnee schmeltzet, die Bäume ausschlagen und die Kräuter aus der Erde wieder hervor kommen; ingleichen wird kein Herbst seyn, da nicht die Bäume ihr Laub fallen liessen und die Kräuter ihren Abschied
näh-
Cap. IV. Von den Witterungen
Fruͤhling iſt die Zeit, in welcher die Sonne den Widder, Stier und die Zwillinge durch- wandert. Sommer die Zeit, in welcher ſie den Krebs, Loͤwe und die Jungfrau durchlaͤufft; Herbſt die Zeit, in welcher ſie ſich durch die Wage, den Scorpion und Schuͤtzen beweget, und endlich Winter, da ſie ihren Lauff durch den Steinbock, Waſ- ſermann und die Fiſche vollendet. Aus der Geographie iſt bekandt, daß die Erklaͤ- rungen der Jahrszeiten nicht uͤber den gan- tzen Erdboden gelten, ſondern bloß bey uns, die wir den nordiſchen Theil bewohnen: denn in dem ſuͤdlichen Theile kehret ſich alles um (§. 39. Geogr.).
Unter- ſcheid der beſtaͤndi- gen und veraͤn- derlichen Witte- rungen.
§. 226.
Alle| Sommer kommen zwar darinnen mit einander uͤberein, daß es ſo warm iſt, daß Kraͤuter und Baͤume gruͤnen und wachſen koͤnnen; ingleichen wird kein Winter ſeyn, in dem es nicht wenigſtens ſo kalt ſeyn ſollte, daß die Baͤume ohne Laub und Wachsthum ſtehen: allein ein Som- mer iſt doch waͤrmer als der andere, und ein Winter kaͤlter als der andere. Gleicher- geſtalt kommen alle Fruͤhlinge darinnen mit einander uͤberein, daß das Eis wieder auff- thauet, der Schnee ſchmeltzet, die Baͤume ausſchlagen und die Kraͤuter aus der Erde wieder hervor kommen; ingleichen wird kein Herbſt ſeyn, da nicht die Baͤume ihr Laub fallen lieſſen und die Kraͤuter ihren Abſchied
naͤh-
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Cap. IV. Von den Witterungen
Fruͤhling iſt die Zeit, in welcher die Sonne
den Widder, Stier und die Zwillinge durch-
wandert. Sommer die Zeit, in welcher
ſie den Krebs, Loͤwe und die Jungfrau
durchlaͤufft; Herbſt die Zeit, in welcher ſie
ſich durch die Wage, den Scorpion und
Schuͤtzen beweget, und endlich Winter, da
ſie ihren Lauff durch den Steinbock, Waſ-
ſermann und die Fiſche vollendet. Aus
der Geographie iſt bekandt, daß die Erklaͤ-
rungen der Jahrszeiten nicht uͤber den gan-
tzen Erdboden gelten, ſondern bloß bey uns,
die wir den nordiſchen Theil bewohnen:
denn in dem ſuͤdlichen Theile kehret ſich alles
um (§. 39. Geogr.).
§. 226. Alle| Sommer kommen zwar
darinnen mit einander uͤberein, daß es ſo
warm iſt, daß Kraͤuter und Baͤume gruͤnen
und wachſen koͤnnen; ingleichen wird kein
Winter ſeyn, in dem es nicht wenigſtens ſo
kalt ſeyn ſollte, daß die Baͤume ohne Laub
und Wachsthum ſtehen: allein ein Som-
mer iſt doch waͤrmer als der andere, und ein
Winter kaͤlter als der andere. Gleicher-
geſtalt kommen alle Fruͤhlinge darinnen mit
einander uͤberein, daß das Eis wieder auff-
thauet, der Schnee ſchmeltzet, die Baͤume
ausſchlagen und die Kraͤuter aus der Erde
wieder hervor kommen; ingleichen wird
kein Herbſt ſeyn, da nicht die Baͤume ihr Laub
fallen lieſſen und die Kraͤuter ihren Abſchied
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/342>, abgerufen am 22.11.2024.
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