gen wo wir keine sehen, da stehen sie. Wir dörffen nicht vermeinen, als wenn die Re- fraction des Lichtes die Sterne nicht aus ihrer Stelle verrücken könnte. Denn sie sind sehr kleine und sehen auch durch die grösten Ferngläser nur wie untheilbahre Puncte aus (§. 109): aus den Observati- onen aber der Astronomorum ist bekandt, daß sie im Horizont 32 Minuten, im 45 Grade noch 1 Minute und 11 Secunden und im 89 noch eine Secunde ist a. Jm Zenith fället der Strahl perpendicular herunter und gehet also ungebrochen durch die Lufft (§. 147 T. II. Exper.). Dero- wegen sehen wir die Sterne nicht eher in dem Orte, wo sie stehen, als wenn sie im Zenith sind, das ist, über unserer Scheitel stehen.
Warumb die Son- ne oval aussiehet.
§. 200.
Wir sehen unterweilen, daß die Sonne oval aussieher, wenn sie aufgehet, oder auch dem Untergange nahe ist. Da sie sonst beständig rundt wie ein Circul aussiehet, so erkennet man leicht, daß ihr diese Figur nicht eigenthümlich sey. Die Ursache demnach muß in unserer Lufft zu suchen seyn. Da nun die Strahlen der Sonnen in der Lufft gebrochen werden (§. 191) und durch die Refraction des Lichtes
die
aDe la Hire in Tabb. Astron. Tab. V. p. 6.
Cap. II. Von der Lufft.
gen wo wir keine ſehen, da ſtehen ſie. Wir doͤrffen nicht vermeinen, als wenn die Re- fraction des Lichtes die Sterne nicht aus ihrer Stelle verruͤcken koͤnnte. Denn ſie ſind ſehr kleine und ſehen auch durch die groͤſten Fernglaͤſer nur wie untheilbahre Puncte aus (§. 109): aus den Obſervati- onen aber der Aſtronomorum iſt bekandt, daß ſie im Horizont 32 Minuten, im 45 Grade noch 1 Minute und 11 Secunden und im 89 noch eine Secunde iſt a. Jm Zenith faͤllet der Strahl perpendicular herunter und gehet alſo ungebrochen durch die Lufft (§. 147 T. II. Exper.). Dero- wegen ſehen wir die Sterne nicht eher in dem Orte, wo ſie ſtehen, als wenn ſie im Zenith ſind, das iſt, uͤber unſerer Scheitel ſtehen.
Warumb die Son- ne oval ausſiehet.
§. 200.
Wir ſehen unterweilen, daß die Sonne oval ausſieheꝛ, wenn ſie aufgehet, oder auch dem Untergange nahe iſt. Da ſie ſonſt beſtaͤndig rundt wie ein Circul ausſiehet, ſo erkennet man leicht, daß ihr dieſe Figur nicht eigenthuͤmlich ſey. Die Urſache demnach muß in unſerer Lufft zu ſuchen ſeyn. Da nun die Strahlen der Sonnen in der Lufft gebrochen werden (§. 191) und durch die Refraction des Lichtes
die
aDe la Hire in Tabb. Aſtron. Tab. V. p. 6.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0318"n="282"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">Cap. II.</hi> Von der Lufft.</hi></fw><lb/>
gen wo wir keine ſehen, da ſtehen ſie. Wir<lb/>
doͤrffen nicht vermeinen, als wenn die Re-<lb/>
fraction des Lichtes die Sterne nicht aus<lb/>
ihrer Stelle verruͤcken koͤnnte. Denn<lb/>ſie ſind ſehr kleine und ſehen auch durch die<lb/>
groͤſten Fernglaͤſer nur wie untheilbahre<lb/>
Puncte aus (§. 109): aus den Obſervati-<lb/>
onen aber der <hirendition="#aq">Aſtronomorum</hi> iſt bekandt,<lb/>
daß ſie im Horizont 32 Minuten, im 45<lb/>
Grade noch 1 Minute und 11 Secunden<lb/>
und im 89 noch eine Secunde iſt <noteplace="foot"n="a"><hirendition="#aq">De la Hire in Tabb. Aſtron. Tab. V.<lb/>
p.</hi> 6.</note>. Jm<lb/>
Zenith faͤllet der Strahl perpendicular<lb/>
herunter und gehet alſo ungebrochen durch<lb/>
die Lufft (§. 147 <hirendition="#aq">T. II. Exper.</hi>). Dero-<lb/>
wegen ſehen wir die Sterne nicht eher in<lb/>
dem Orte, wo ſie ſtehen, als wenn ſie im<lb/>
Zenith ſind, das iſt, uͤber unſerer Scheitel<lb/>ſtehen.</p><lb/><noteplace="left">Warumb<lb/>
die Son-<lb/>
ne oval<lb/>
ausſiehet.</note></div><lb/><divn="4"><head>§. 200.</head><p>Wir ſehen unterweilen, daß die<lb/>
Sonne oval ausſieheꝛ, wenn ſie aufgehet,<lb/>
oder auch dem Untergange nahe iſt. Da<lb/>ſie ſonſt beſtaͤndig rundt wie ein Circul<lb/>
ausſiehet, ſo erkennet man leicht, daß ihr<lb/>
dieſe Figur nicht eigenthuͤmlich ſey. Die<lb/>
Urſache demnach muß in unſerer Lufft zu<lb/>ſuchen ſeyn. Da nun die Strahlen der<lb/>
Sonnen in der Lufft gebrochen werden (§.<lb/>
191) und durch die Refraction des Lichtes<lb/><fwplace="bottom"type="catch">die</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[282/0318]
Cap. II. Von der Lufft.
gen wo wir keine ſehen, da ſtehen ſie. Wir
doͤrffen nicht vermeinen, als wenn die Re-
fraction des Lichtes die Sterne nicht aus
ihrer Stelle verruͤcken koͤnnte. Denn
ſie ſind ſehr kleine und ſehen auch durch die
groͤſten Fernglaͤſer nur wie untheilbahre
Puncte aus (§. 109): aus den Obſervati-
onen aber der Aſtronomorum iſt bekandt,
daß ſie im Horizont 32 Minuten, im 45
Grade noch 1 Minute und 11 Secunden
und im 89 noch eine Secunde iſt a. Jm
Zenith faͤllet der Strahl perpendicular
herunter und gehet alſo ungebrochen durch
die Lufft (§. 147 T. II. Exper.). Dero-
wegen ſehen wir die Sterne nicht eher in
dem Orte, wo ſie ſtehen, als wenn ſie im
Zenith ſind, das iſt, uͤber unſerer Scheitel
ſtehen.
§. 200. Wir ſehen unterweilen, daß die
Sonne oval ausſieheꝛ, wenn ſie aufgehet,
oder auch dem Untergange nahe iſt. Da
ſie ſonſt beſtaͤndig rundt wie ein Circul
ausſiehet, ſo erkennet man leicht, daß ihr
dieſe Figur nicht eigenthuͤmlich ſey. Die
Urſache demnach muß in unſerer Lufft zu
ſuchen ſeyn. Da nun die Strahlen der
Sonnen in der Lufft gebrochen werden (§.
191) und durch die Refraction des Lichtes
die
a De la Hire in Tabb. Aſtron. Tab. V.
p. 6.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/318>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.