Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.Vorerde. Macht und Güte GOttes, indem, wasin seinem unsichtbahren Wesen verbor- gen lieget, aus den Wercken der Natur erkandt wird. Wie sollte aber dieses al- les ohne Vergnügen abgehen? Ein Verständiger siehet vielmehr, daß die Freude umb soviel inniger sey, je deut- licher man die Beschaffenheit der Din- ge einsiehet. Und wie sollte dieses Ver- gnügen nicht beständig seyn, da die Wahrheit, daraus es entspringet, un- veränderlich ist? Jch weiß wohl, es wird einem und dem andern hierbey ein Zweiffel entstehen. Man wird mei- nen, die Erkäntniß der Natur bähne einem den Weg zu vielem Verdrusse, wenigstens wenn man in den Umbstän- den ist, daß man sie nicht vor sich be- halten kan, sondern andern mittheilen muß. Es bestetige solches das Exem- pel aller Weltweisen, die jemahls ge- lebet, denen man umb so viel gewalti- ger wiedersprochen, jemehr die Wahr- heit in die Augen geleuchtet. Man dörffe nur bloß das Leben der al- ten Weltweisen bey den Griechen durch- ):( 3
Vorerde. Macht und Guͤte GOttes, indem, wasin ſeinem unſichtbahren Weſen verbor- gen lieget, aus den Wercken der Natur erkandt wird. Wie ſollte aber dieſes al- les ohne Vergnuͤgen abgehen? Ein Verſtaͤndiger ſiehet vielmehr, daß die Freude umb ſoviel inniger ſey, je deut- licher man die Beſchaffenheit der Din- ge einſiehet. Und wie ſollte dieſes Ver- gnuͤgen nicht beſtaͤndig ſeyn, da die Wahrheit, daraus es entſpringet, un- veraͤnderlich iſt? Jch weiß wohl, es wird einem und dem andern hierbey ein Zweiffel entſtehen. Man wird mei- nen, die Erkaͤntniß der Natur baͤhne einem den Weg zu vielem Verdruſſe, wenigſtens wenn man in den Umbſtaͤn- den iſt, daß man ſie nicht vor ſich be- halten kan, ſondern andern mittheilen muß. Es beſtetige ſolches das Exem- pel aller Weltweiſen, die jemahls ge- lebet, denen man umb ſo viel gewalti- ger wiederſprochen, jemehr die Wahr- heit in die Augen geleuchtet. Man doͤrffe nur bloß das Leben der al- ten Weltweiſen bey den Griechen durch- ):( 3
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Vorerde.
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in ſeinem unſichtbahren Weſen verbor-
gen lieget, aus den Wercken der Natur
erkandt wird. Wie ſollte aber dieſes al-
les ohne Vergnuͤgen abgehen? Ein
Verſtaͤndiger ſiehet vielmehr, daß die
Freude umb ſoviel inniger ſey, je deut-
licher man die Beſchaffenheit der Din-
ge einſiehet. Und wie ſollte dieſes Ver-
gnuͤgen nicht beſtaͤndig ſeyn, da die
Wahrheit, daraus es entſpringet, un-
veraͤnderlich iſt? Jch weiß wohl, es
wird einem und dem andern hierbey ein
Zweiffel entſtehen. Man wird mei-
nen, die Erkaͤntniß der Natur baͤhne
einem den Weg zu vielem Verdruſſe,
wenigſtens wenn man in den Umbſtaͤn-
den iſt, daß man ſie nicht vor ſich be-
halten kan, ſondern andern mittheilen
muß. Es beſtetige ſolches das Exem-
pel aller Weltweiſen, die jemahls ge-
lebet, denen man umb ſo viel gewalti-
ger wiederſprochen, jemehr die Wahr-
heit in die Augen geleuchtet. Man
doͤrffe nur bloß das Leben der al-
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Zitationshilfe: | Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/27>, abgerufen am 28.07.2024. |