so können Kinder auch nichts thun, als was sie von andern gesehen und wozu sie gewöh- net worden, jedoch mit einigem Unterschei- de, in so weit nemlich die natürliche Nei- gungen in den Handlungen einige Aende- rung machen. Und daher komme es, daß Kinder alles nachthun, und in ähnlichen Fällen ein gleiches thun (§. 331. Met.). Derowegen hat man die allergröste Sorg- falt zu gebrauchen, daß Kinder nichts bö- ses noch unanständiges zu sehen bekommen, ehe sie eine Gewohnheit im guten erhalten, und durch den Gebrauch der Vernunfft Gutes und Böses recht zu unterscheiden wis- sen. Man siehet hieraus zugleich, warum Kinder am aller leichtesten sich verführen las- sen. Man erkennet aber auch, welche Menschen den Kindern gleich zuachten sind, wenn sie auch gleich den Jahren nach nicht mehr Kinder seyn, und daher sich so leicht als jene verführen lassen, nemlich alle die- jenigen, die bloß an ihren Sinnen und der Einbildungs-Krafft hangen, und weder Erfahrung noch Gewohnheit im Guten ha- ben.
Wie El- tern den Kindern ein gutes Exempel geben sollen.
§. 102.
Weil nun die Kinder um die Eltern sind und ihr Thun und Lassen sehen; so sind sie auch verbunden, ihnen mit guten Exempeln vorzugehen, das ist, weder zu thun, was böse, noch zu unterlassen, was gut ist, ja auch dergleichen Handlungen
für
Das 3. Cap. Von der
ſo koͤnnen Kinder auch nichts thun, als was ſie von andern geſehen und wozu ſie gewoͤh- net worden, jedoch mit einigem Unterſchei- de, in ſo weit nemlich die natuͤrliche Nei- gungen in den Handlungen einige Aende- rung machen. Und daher komme es, daß Kinder alles nachthun, und in aͤhnlichen Faͤllen ein gleiches thun (§. 331. Met.). Derowegen hat man die allergroͤſte Sorg- falt zu gebrauchen, daß Kinder nichts boͤ- ſes noch unanſtaͤndiges zu ſehen bekommen, ehe ſie eine Gewohnheit im guten erhalten, und durch den Gebrauch der Vernunfft Gutes und Boͤſes recht zu unterſcheiden wiſ- ſen. Man ſiehet hieraus zugleich, warum Kinder am aller leichteſten ſich verfuͤhren laſ- ſen. Man erkennet aber auch, welche Menſchen den Kindern gleich zuachten ſind, wenn ſie auch gleich den Jahren nach nicht mehr Kinder ſeyn, und daher ſich ſo leicht als jene verfuͤhren laſſen, nemlich alle die- jenigen, die bloß an ihren Sinnen und der Einbildungs-Krafft hangen, und weder Erfahrung noch Gewohnheit im Guten ha- ben.
Wie El- tern den Kindern ein gutes Exempel geben ſollen.
§. 102.
Weil nun die Kinder um die Eltern ſind und ihr Thun und Laſſen ſehen; ſo ſind ſie auch verbunden, ihnen mit guten Exempeln vorzugehen, das iſt, weder zu thun, was boͤſe, noch zu unterlaſſen, was gut iſt, ja auch dergleichen Handlungen
fuͤr
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Das 3. Cap. Von der
ſo koͤnnen Kinder auch nichts thun, als was
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net worden, jedoch mit einigem Unterſchei-
de, in ſo weit nemlich die natuͤrliche Nei-
gungen in den Handlungen einige Aende-
rung machen. Und daher komme es, daß
Kinder alles nachthun, und in aͤhnlichen
Faͤllen ein gleiches thun (§. 331. Met.).
Derowegen hat man die allergroͤſte Sorg-
falt zu gebrauchen, daß Kinder nichts boͤ-
ſes noch unanſtaͤndiges zu ſehen bekommen,
ehe ſie eine Gewohnheit im guten erhalten,
und durch den Gebrauch der Vernunfft
Gutes und Boͤſes recht zu unterſcheiden wiſ-
ſen. Man ſiehet hieraus zugleich, warum
Kinder am aller leichteſten ſich verfuͤhren laſ-
ſen. Man erkennet aber auch, welche
Menſchen den Kindern gleich zuachten ſind,
wenn ſie auch gleich den Jahren nach nicht
mehr Kinder ſeyn, und daher ſich ſo leicht
als jene verfuͤhren laſſen, nemlich alle die-
jenigen, die bloß an ihren Sinnen und der
Einbildungs-Krafft hangen, und weder
Erfahrung noch Gewohnheit im Guten ha-
ben.
§. 102.Weil nun die Kinder um die
Eltern ſind und ihr Thun und Laſſen ſehen;
ſo ſind ſie auch verbunden, ihnen mit guten
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thun, was boͤſe, noch zu unterlaſſen, was
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/92>, abgerufen am 27.07.2024.
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