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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Kriege.
Gelegenheit an uns suchet; so sind wir
verbunden uns sorgfältig in acht zu neh-
men, daß wir ihm keine Ursache dazu ge-
ben, und ihm in allem, soviel möglich
ist, nachgeben (§. 864). Da nun die
Staaten und Potentaten eben dergleichen
Verbindlichkeit gegen einander haben,
wie einzele Menschen; so muß auch ein
Potentat sich sorgfältig in acht nehmen,
daß er dem andern, der Gelegenheit an
ihn suchet, keine Ursache darzu giebet,
und ihm viel mehr in allem, soviel möglich
ist, nachgeben. Vielleicht werden es einige
einem Potentaten für unanständig hal-
ten dergleichen zuthun, und vermeinen,
es erfordere seine Majestät, daß er zeige,
er sey in dem Stande sich von niemanden
etwas sagen zulassen und dem gleich Trotz
zubitten, der sich an ihn waget. Allein
wir finden, daß dergleichen Einbildungen
unter den Menschen herrschen, die ihre
Handlungen nicht nach der Vernunfft
richten, und an ihnen tadeln wir es. Da
nun Potentaten nicht anders als Perso-
nen anzusehen sind, die in der natürlichen
Freyheit neben einander leben; so muß
auch alles bey ihnen tadelhafft seyn, was
bey Privat-Personen in natürlicher Frey-
heit für tadelhafft gehalten wird. Und
ich weiß nicht, wie man dieses grossen

Her-
(Politik) Q q

Kriege.
Gelegenheit an uns ſuchet; ſo ſind wir
verbunden uns ſorgfaͤltig in acht zu neh-
men, daß wir ihm keine Urſache dazu ge-
ben, und ihm in allem, ſoviel moͤglich
iſt, nachgeben (§. 864). Da nun die
Staaten und Potentaten eben dergleichen
Verbindlichkeit gegen einander haben,
wie einzele Menſchen; ſo muß auch ein
Potentat ſich ſorgfaͤltig in acht nehmen,
daß er dem andern, der Gelegenheit an
ihn ſuchet, keine Urſache darzu giebet,
und ihm viel mehr in allem, ſoviel moͤglich
iſt, nachgeben. Vielleicht werden es einige
einem Potentaten fuͤr unanſtaͤndig hal-
ten dergleichen zuthun, und vermeinen,
es erfordere ſeine Majeſtaͤt, daß er zeige,
er ſey in dem Stande ſich von niemanden
etwas ſagen zulaſſen und dem gleich Trotz
zubitten, der ſich an ihn waget. Allein
wir finden, daß dergleichen Einbildungen
unter den Menſchen herrſchen, die ihre
Handlungen nicht nach der Vernunfft
richten, und an ihnen tadeln wir es. Da
nun Potentaten nicht anders als Perſo-
nen anzuſehen ſind, die in der natuͤrlichen
Freyheit neben einander leben; ſo muß
auch alles bey ihnen tadelhafft ſeyn, was
bey Privat-Perſonen in natuͤrlicher Frey-
heit fuͤr tadelhafft gehalten wird. Und
ich weiß nicht, wie man dieſes groſſen

Her-
(Politik) Q q
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[609/0627] Kriege. Gelegenheit an uns ſuchet; ſo ſind wir verbunden uns ſorgfaͤltig in acht zu neh- men, daß wir ihm keine Urſache dazu ge- ben, und ihm in allem, ſoviel moͤglich iſt, nachgeben (§. 864). Da nun die Staaten und Potentaten eben dergleichen Verbindlichkeit gegen einander haben, wie einzele Menſchen; ſo muß auch ein Potentat ſich ſorgfaͤltig in acht nehmen, daß er dem andern, der Gelegenheit an ihn ſuchet, keine Urſache darzu giebet, und ihm viel mehr in allem, ſoviel moͤglich iſt, nachgeben. Vielleicht werden es einige einem Potentaten fuͤr unanſtaͤndig hal- ten dergleichen zuthun, und vermeinen, es erfordere ſeine Majeſtaͤt, daß er zeige, er ſey in dem Stande ſich von niemanden etwas ſagen zulaſſen und dem gleich Trotz zubitten, der ſich an ihn waget. Allein wir finden, daß dergleichen Einbildungen unter den Menſchen herrſchen, die ihre Handlungen nicht nach der Vernunfft richten, und an ihnen tadeln wir es. Da nun Potentaten nicht anders als Perſo- nen anzuſehen ſind, die in der natuͤrlichen Freyheit neben einander leben; ſo muß auch alles bey ihnen tadelhafft ſeyn, was bey Privat-Perſonen in natuͤrlicher Frey- heit fuͤr tadelhafft gehalten wird. Und ich weiß nicht, wie man dieſes groſſen Her- (Politik) Q q

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/627>, abgerufen am 25.11.2024.