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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 6. Von der Regierung
wertige verheyrathen und dadurch zugleich
das Geld aus dem Lande bringen. Nun
scheinet es zwar leicht zu verhütten, daß
auf keine von dieser Art und Weise das
Geld aus dem Lande gebracht wird, wenn
man nehmlich nur ein Gesetze machet, daß
niemand, der sich ausser dem Lande setzen
wil, sein Vermögen mit sich nehmen darf,
sondern es zurücke lassen muß: allein man
würde hierdurch in vielen Fällen der na-
türlichen Billigkeit allzunahe treten, die
man doch auch im gemeinen Wesen be-
ständig vor Augen haben muß (§. 402.),
und in einigen auch dem Lande selbst scha-
den, wenn nehmlich unsere Nachbahren
wieder verbieten, was sie sehen, daß wir
es verbothen haben. Will man ein Exem-
pel haben, wo der naturlichen Billigkeit
zuwieder gehandelt würde, wenn man ei-
nen nicht aus dem Lande lassen wollte; so
lässet sich dergleichen leicht geben. Es
sind nicht alle Unterthanen Leibeigene oder
Sclaven, über welche die hohe Landes-
Obrigkeit ein Recht zu ihrer Person und
folgends zu allem ihren Vermögen hat:
und also wäre es unrecht, wenn wir frey-
willige Unterthanen als Leibeigene oder
Sclaven tractiren wollten. Gleicherge-
stalt können wir einige fremde Landes-
Kinder in unseren Bedienungen haben,
die sich bey uns freywillig, unterweilen

auch

Cap. 6. Von der Regierung
wertige verheyrathen und dadurch zugleich
das Geld aus dem Lande bringen. Nun
ſcheinet es zwar leicht zu verhuͤtten, daß
auf keine von dieſer Art und Weiſe das
Geld aus dem Lande gebracht wird, wenn
man nehmlich nur ein Geſetze machet, daß
niemand, der ſich auſſer dem Lande ſetzen
wil, ſein Vermoͤgen mit ſich nehmen darf,
ſondern es zuruͤcke laſſen muß: allein man
wuͤrde hierdurch in vielen Faͤllen der na-
tuͤrlichen Billigkeit allzunahe treten, die
man doch auch im gemeinen Weſen be-
ſtaͤndig vor Augen haben muß (§. 402.),
und in einigen auch dem Lande ſelbſt ſcha-
den, wenn nehmlich unſere Nachbahren
wieder verbieten, was ſie ſehen, daß wir
es verbothen haben. Will man ein Exem-
pel haben, wo der naturlichen Billigkeit
zuwieder gehandelt wuͤrde, wenn man ei-
nen nicht aus dem Lande laſſen wollte; ſo
laͤſſet ſich dergleichen leicht geben. Es
ſind nicht alle Unterthanen Leibeigene oder
Sclaven, uͤber welche die hohe Landes-
Obrigkeit ein Recht zu ihrer Perſon und
folgends zu allem ihren Vermoͤgen hat:
und alſo waͤre es unrecht, wenn wir frey-
willige Unterthanen als Leibeigene oder
Sclaven tractiren wollten. Gleicherge-
ſtalt koͤnnen wir einige fremde Landes-
Kinder in unſeren Bedienungen haben,
die ſich bey uns freywillig, unterweilen

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[562/0580] Cap. 6. Von der Regierung wertige verheyrathen und dadurch zugleich das Geld aus dem Lande bringen. Nun ſcheinet es zwar leicht zu verhuͤtten, daß auf keine von dieſer Art und Weiſe das Geld aus dem Lande gebracht wird, wenn man nehmlich nur ein Geſetze machet, daß niemand, der ſich auſſer dem Lande ſetzen wil, ſein Vermoͤgen mit ſich nehmen darf, ſondern es zuruͤcke laſſen muß: allein man wuͤrde hierdurch in vielen Faͤllen der na- tuͤrlichen Billigkeit allzunahe treten, die man doch auch im gemeinen Weſen be- ſtaͤndig vor Augen haben muß (§. 402.), und in einigen auch dem Lande ſelbſt ſcha- den, wenn nehmlich unſere Nachbahren wieder verbieten, was ſie ſehen, daß wir es verbothen haben. Will man ein Exem- pel haben, wo der naturlichen Billigkeit zuwieder gehandelt wuͤrde, wenn man ei- nen nicht aus dem Lande laſſen wollte; ſo laͤſſet ſich dergleichen leicht geben. Es ſind nicht alle Unterthanen Leibeigene oder Sclaven, uͤber welche die hohe Landes- Obrigkeit ein Recht zu ihrer Perſon und folgends zu allem ihren Vermoͤgen hat: und alſo waͤre es unrecht, wenn wir frey- willige Unterthanen als Leibeigene oder Sclaven tractiren wollten. Gleicherge- ſtalt koͤnnen wir einige fremde Landes- Kinder in unſeren Bedienungen haben, die ſich bey uns freywillig, unterweilen auch

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/580>, abgerufen am 28.11.2024.