gung der Kinder, indem sie schwanger ge- hen, theils bey ihrer Erziehung, indem sie sie säugen und warten müssen, mehr zu thun haben als die Männer, und dadurch von anderer Arbeit abgehalten werden, auch nach unsern Sitten die Männer insgemein in dem Stande sind mehr zu erwerben, als die Weiber; so lieget die Sorge vor den Erwerb meistentheils dem Manne ob, das Weib aber hat davor zu sorgen, wie das erworbene wohl angewendet werde: wie- wohl auch hiervon der Mann nicht ausge- schlossen (§. 53) und unterweilen, wenn das Weib dazu ungeschickt ist, muß der Mann auch für die Ausgabe allein sor- gen.
§. 55.
Wiederum weil der Erwerb desUrsache der Mor- gengabe. Weibes, sonderlich bey denen, für die sich nicht Handarbeit in Ansehung ihres Stan- des schicket (§. 525 Mor.), hauptsächlich in dem Genuß ihrer Güter bestehet (§. 53. 54); so sind Eltern verbunden theils nach Proportion ihres Vermögens, theils nach den Umständen des Freyers einen Theil ih- rer Güter der Tochter mit zugeben, daß durch deren Nutzung die Last des Ehestan- des mit von dem Weibe übertragen wird. Dergleichen Gut pfleget man die Mor- gen-Gabe zu nennen. Und ist hieraus klar, daß der Mann bloß die Nutzung, nicht
aber
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Cap. 2. Von dem Eheſtande.
gung der Kinder, indem ſie ſchwanger ge- hen, theils bey ihrer Erziehung, indem ſie ſie ſaͤugen und warten muͤſſen, mehr zu thun haben als die Maͤnner, und dadurch von anderer Arbeit abgehalten werden, auch nach unſern Sitten die Maͤnner insgemein in dem Stande ſind mehr zu erwerben, als die Weiber; ſo lieget die Sorge vor den Erwerb meiſtentheils dem Manne ob, das Weib aber hat davor zu ſorgen, wie das erworbene wohl angewendet werde: wie- wohl auch hiervon der Mann nicht ausge- ſchloſſen (§. 53) und unterweilen, wenn das Weib dazu ungeſchickt iſt, muß der Mann auch fuͤr die Ausgabe allein ſor- gen.
§. 55.
Wiederum weil der Erwerb desUrſache der Mor- gengabe. Weibes, ſonderlich bey denen, fuͤr die ſich nicht Handarbeit in Anſehung ihres Stan- des ſchicket (§. 525 Mor.), hauptſaͤchlich in dem Genuß ihrer Guͤter beſtehet (§. 53. 54); ſo ſind Eltern verbunden theils nach Proportion ihres Vermoͤgens, theils nach den Umſtaͤnden des Freyers einen Theil ih- rer Guͤter der Tochter mit zugeben, daß durch deren Nutzung die Laſt des Eheſtan- des mit von dem Weibe uͤbertragen wird. Dergleichen Gut pfleget man die Mor- gen-Gabe zu nennen. Und iſt hieraus klar, daß der Mann bloß die Nutzung, nicht
aber
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Cap. 2. Von dem Eheſtande.
gung der Kinder, indem ſie ſchwanger ge-
hen, theils bey ihrer Erziehung, indem ſie
ſie ſaͤugen und warten muͤſſen, mehr zu
thun haben als die Maͤnner, und dadurch
von anderer Arbeit abgehalten werden, auch
nach unſern Sitten die Maͤnner insgemein
in dem Stande ſind mehr zu erwerben, als
die Weiber; ſo lieget die Sorge vor den
Erwerb meiſtentheils dem Manne ob, das
Weib aber hat davor zu ſorgen, wie das
erworbene wohl angewendet werde: wie-
wohl auch hiervon der Mann nicht ausge-
ſchloſſen (§. 53) und unterweilen, wenn
das Weib dazu ungeſchickt iſt, muß der
Mann auch fuͤr die Ausgabe allein ſor-
gen.
§. 55.Wiederum weil der Erwerb des
Weibes, ſonderlich bey denen, fuͤr die ſich
nicht Handarbeit in Anſehung ihres Stan-
des ſchicket (§. 525 Mor.), hauptſaͤchlich in
dem Genuß ihrer Guͤter beſtehet (§. 53.
54); ſo ſind Eltern verbunden theils nach
Proportion ihres Vermoͤgens, theils nach
den Umſtaͤnden des Freyers einen Theil ih-
rer Guͤter der Tochter mit zugeben, daß
durch deren Nutzung die Laſt des Eheſtan-
des mit von dem Weibe uͤbertragen wird.
Dergleichen Gut pfleget man die Mor-
gen-Gabe zu nennen. Und iſt hieraus
klar, daß der Mann bloß die Nutzung, nicht
aber
Urſache
der Mor-
gengabe.
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/57>, abgerufen am 24.11.2024.
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