ren Fällen die Verrichtungen eines Rich- ters und die dabey erforderte Ordnung, auch Aufführung des Richters bestimmen kan, woferne man nur genung geübet ist eine Wahrheit aus der andern herzulei- ten. Allein in diese Weitläufftigkeiten können wir uns vor diesesmahl nicht ein- laßen.
Warumb Proceße nicht zu verzö- gern.
§. 472.
Es haben aber Richter für al- len Dingen darauf zu sehen, daß die vor Gerichte schwebende Rechts-Händel schleunig abgethan werden. Es finden sich hierzu vielerley Ursachen, theils in Crimi- nal-Sachen, theils auch in Civil-Sachen insbesondere, theils in beyden zugleich. Uberhaupt verursachen die Proceße viele Unruhe dem Gemüthe, absonderlich wo man meinet, daß einem zuviel geschehe und nicht nach Recht verfahren werde, und wird es der Richter selten einem recht ma- chen. Durch die Unruhe aber wird die Glückseeligkeit des Menschen gestöhret (§. 52. Mor.). Derowegen da man im ge- meinen Wesen einem jeden dazu förderlich seyn soll (§. 227); so muß man auch ei- nem jeden schleunig aus der Verdrüßlich- keit des Proreßes helffen. Weil uns dem- nach ein Richter von vielem Verdrusse be- freyet, der den Proeeß bald zu Ende brin- get; so erzeiget er uns darunter Gutes (§. 423. Met.) und die Erwegung dieser Wohl-
tha-
Cap. 6. Von der Regierung
ren Faͤllen die Verrichtungen eines Rich- ters und die dabey erforderte Ordnung, auch Auffuͤhrung des Richters beſtimmen kan, woferne man nur genung geuͤbet iſt eine Wahrheit aus der andern herzulei- ten. Allein in dieſe Weitlaͤufftigkeiten koͤnnen wir uns vor dieſesmahl nicht ein- laßen.
Warumb Proceße nicht zu verzoͤ- gern.
§. 472.
Es haben aber Richter fuͤr al- len Dingen darauf zu ſehen, daß die vor Gerichte ſchwebende Rechts-Haͤndel ſchleunig abgethan werden. Es finden ſich hierzu vielerley Urſachen, theils in Crimi- nal-Sachen, theils auch in Civil-Sachen insbeſondere, theils in beyden zugleich. Uberhaupt verurſachen die Proceße viele Unruhe dem Gemuͤthe, abſonderlich wo man meinet, daß einem zuviel geſchehe und nicht nach Recht verfahren werde, und wird es der Richter ſelten einem recht ma- chen. Durch die Unruhe aber wird die Gluͤckſeeligkeit des Menſchen geſtoͤhret (§. 52. Mor.). Derowegen da man im ge- meinen Weſen einem jeden dazu foͤrderlich ſeyn ſoll (§. 227); ſo muß man auch ei- nem jeden ſchleunig aus der Verdruͤßlich- keit des Proreßes helffen. Weil uns dem- nach ein Richter von vielem Verdruſſe be- freyet, der den Proeeß bald zu Ende brin- get; ſo erzeiget er uns darunter Gutes (§. 423. Met.) und die Erwegung dieſer Wohl-
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Cap. 6. Von der Regierung
ren Faͤllen die Verrichtungen eines Rich-
ters und die dabey erforderte Ordnung,
auch Auffuͤhrung des Richters beſtimmen
kan, woferne man nur genung geuͤbet iſt
eine Wahrheit aus der andern herzulei-
ten. Allein in dieſe Weitlaͤufftigkeiten
koͤnnen wir uns vor dieſesmahl nicht ein-
laßen.
§. 472.Es haben aber Richter fuͤr al-
len Dingen darauf zu ſehen, daß die vor
Gerichte ſchwebende Rechts-Haͤndel
ſchleunig abgethan werden. Es finden ſich
hierzu vielerley Urſachen, theils in Crimi-
nal-Sachen, theils auch in Civil-Sachen
insbeſondere, theils in beyden zugleich.
Uberhaupt verurſachen die Proceße viele
Unruhe dem Gemuͤthe, abſonderlich wo
man meinet, daß einem zuviel geſchehe und
nicht nach Recht verfahren werde, und
wird es der Richter ſelten einem recht ma-
chen. Durch die Unruhe aber wird die
Gluͤckſeeligkeit des Menſchen geſtoͤhret (§.
52. Mor.). Derowegen da man im ge-
meinen Weſen einem jeden dazu foͤrderlich
ſeyn ſoll (§. 227); ſo muß man auch ei-
nem jeden ſchleunig aus der Verdruͤßlich-
keit des Proreßes helffen. Weil uns dem-
nach ein Richter von vielem Verdruſſe be-
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get; ſo erzeiget er uns darunter Gutes (§.
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/546>, abgerufen am 30.06.2024.
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