Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.der hohen Landes-Obrigkeit. Inquisit das angeschuldigte Verbrechenbegangen, auch noch nicht bekand, mit was für Frevel und Boßheit solches aus- geübet worden: so kan auch der Richter bey der Inquisition noch keinen Haß ge- gen die Untugenden und Laster des Inqui- siten blicken lassen. Hingegen da das Ur- theil der Straffe nicht eher gefället wird, als bis alles zur Gnüge untersuchet; so ist bey dessen Ankündigung schon bekand, daß der Verbrecher würcklich begangen, wessen er beschuldiget worden, auch mit was für Vorsatze er solches gethan, und wie viel Boßheit er dabey ausgeübet. Und demnach muß der Richter bey An- kündigung des Urtheils einen Haß gegen das Verbrechen, und also einigen Zorn gegen den Ubelthäter blicken lassen (§. 484. Met.). Und dieser gegen das Ver- Verbrechen gerichtete Haß, nebst dem daraus entstehenden Zorn oder Eifer wieder dasselbe, mit dem Mitleiden gegen die Per- son ist eben dasjenige, welches den Ernst des Richters ausmachet, daß er das Ur- theil zwar nicht mit harten, aber doch auch nicht mit gelinden, sondern mit ernsthaff- ten Worten; nicht mit unfreundlichen, a- ber doch auch nicht mit hulden, sondern abermahls mit ernsthafften Minen und Geberden ankündiget. Nemlich ernst- haffte Worte, Minen und Geberden sind eben
der hohen Landes-Obrigkeit. Inquiſit das angeſchuldigte Verbrechenbegangen, auch noch nicht bekand, mit was fuͤr Frevel und Boßheit ſolches aus- geuͤbet worden: ſo kan auch der Richter bey der Inquiſition noch keinen Haß ge- gen die Untugenden und Laſter des Inqui- ſiten blicken laſſen. Hingegen da das Ur- theil der Straffe nicht eher gefaͤllet wird, als bis alles zur Gnuͤge unterſuchet; ſo iſt bey deſſen Ankuͤndigung ſchon bekand, daß der Verbrecher wuͤrcklich begangen, weſſen er beſchuldiget worden, auch mit was fuͤr Vorſatze er ſolches gethan, und wie viel Boßheit er dabey ausgeuͤbet. Und demnach muß der Richter bey An- kuͤndigung des Urtheils einen Haß gegen das Verbrechen, und alſo einigen Zorn gegen den Ubelthaͤter blicken laſſen (§. 484. Met.). Und dieſer gegen das Ver- Verbrechen gerichtete Haß, nebſt dem daraus entſtehenden Zorn oder Eifer wieder daſſelbe, mit dem Mitleiden gegen die Per- ſon iſt eben dasjenige, welches den Ernſt des Richters ausmachet, daß er das Ur- theil zwar nicht mit harten, aber doch auch nicht mit gelinden, ſondern mit ernſthaff- ten Worten; nicht mit unfreundlichen, a- ber doch auch nicht mit hulden, ſondern abermahls mit ernſthafften Minen und Geberden ankuͤndiget. Nemlich ernſt- haffte Worte, Minen und Geberden ſind eben
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der hohen Landes-Obrigkeit.
Inquiſit das angeſchuldigte Verbrechen
begangen, auch noch nicht bekand, mit
was fuͤr Frevel und Boßheit ſolches aus-
geuͤbet worden: ſo kan auch der Richter
bey der Inquiſition noch keinen Haß ge-
gen die Untugenden und Laſter des Inqui-
ſiten blicken laſſen. Hingegen da das Ur-
theil der Straffe nicht eher gefaͤllet wird,
als bis alles zur Gnuͤge unterſuchet; ſo
iſt bey deſſen Ankuͤndigung ſchon bekand,
daß der Verbrecher wuͤrcklich begangen,
weſſen er beſchuldiget worden, auch mit
was fuͤr Vorſatze er ſolches gethan, und
wie viel Boßheit er dabey ausgeuͤbet.
Und demnach muß der Richter bey An-
kuͤndigung des Urtheils einen Haß gegen
das Verbrechen, und alſo einigen Zorn
gegen den Ubelthaͤter blicken laſſen (§.
484. Met.). Und dieſer gegen das Ver-
Verbrechen gerichtete Haß, nebſt dem
daraus entſtehenden Zorn oder Eifer wieder
daſſelbe, mit dem Mitleiden gegen die Per-
ſon iſt eben dasjenige, welches den Ernſt
des Richters ausmachet, daß er das Ur-
theil zwar nicht mit harten, aber doch auch
nicht mit gelinden, ſondern mit ernſthaff-
ten Worten; nicht mit unfreundlichen, a-
ber doch auch nicht mit hulden, ſondern
abermahls mit ernſthafften Minen und
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eben
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