Untergerichte an die Obergerichte gewiesen werden und denen Partheyen verstattet wird, von ihnen sich auf die obern zu be- ruffen, damit sie über das von ihnen ge- fällete Urtheil erkennen, ob es nach den Ge- setzen bestehen kan oder nicht, welches man Appelliren zu nennen pfleget, wird zu- gleich erhalten, daß die Untergerichte ihr Ambt desto besser in acht nehmen und je- dem Recht sprechen, wie es sich mit dem Gesetzen gebühret. Denn woferne sie je- manden zu Liebe, oder zu Leide ein Urtheil fällen, müssen sie nicht allein gewärtig seyn, daß es von denen Obergerichten, daran man appelliret, wie der über den Hauffen geworffen wird; sondern auch besorgen, daß, woferne man den Vorsatz unrecht zu spre- chen vermercket, solches zur Ahndung der hohen Landes-Obrigkeit hinterbracht wer- de. Da nun im ersteren Falle, wenn es öffters geschehen solte, die Untergerichte in den übelen Verdacht kämen, als wenn sie den Leuten Recht zu sprechen nicht verstün- den, und daher ihr Ansehen bey denen, so unter ihren Gerichten stehen, ingleichen bey den Obergerichten selbst, vergeringert wird; im anderen Falle sie sich gar entweder der Absetzung, oder einer Geld-Straffe, oder wenigstens eines scharffen Verweises mit Bedrohung einer härteren und empfind- licheren Ahndung zu versehen haben; so
wer-
der hohen Landes-Obrigkeit.
Untergerichte an die Obergerichte gewieſen werden und denen Partheyen verſtattet wird, von ihnen ſich auf die obern zu be- ruffen, damit ſie uͤber das von ihnen ge- faͤllete Urtheil erkennen, ob es nach den Ge- ſetzen beſtehen kan oder nicht, welches man Appelliren zu nennen pfleget, wird zu- gleich erhalten, daß die Untergerichte ihr Ambt deſto beſſer in acht nehmen und je- dem Recht ſprechen, wie es ſich mit dem Geſetzen gebuͤhret. Denn woferne ſie je- manden zu Liebe, oder zu Leide ein Urtheil faͤllen, muͤſſen ſie nicht allein gewaͤrtig ſeyn, daß es von denen Obergerichten, daran man appelliret, wie der uͤber den Hauffen geworffen wird; ſondern auch beſorgen, daß, woferne man den Vorſatz unrecht zu ſpre- chen vermercket, ſolches zur Ahndung der hohen Landes-Obrigkeit hinterbracht wer- de. Da nun im erſteren Falle, wenn es oͤffters geſchehen ſolte, die Untergerichte in den uͤbelen Verdacht kaͤmen, als wenn ſie den Leuten Recht zu ſprechen nicht verſtuͤn- den, und daher ihr Anſehen bey denen, ſo unter ihren Gerichten ſtehen, ingleichen bey den Obergerichten ſelbſt, vergeringert wird; im anderen Falle ſie ſich gar entweder der Abſetzung, oder einer Geld-Straffe, oder wenigſtens eines ſcharffen Verweiſes mit Bedrohung einer haͤrteren und empfind- licheren Ahndung zu verſehen haben; ſo
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der hohen Landes-Obrigkeit.
Untergerichte an die Obergerichte gewieſen
werden und denen Partheyen verſtattet
wird, von ihnen ſich auf die obern zu be-
ruffen, damit ſie uͤber das von ihnen ge-
faͤllete Urtheil erkennen, ob es nach den Ge-
ſetzen beſtehen kan oder nicht, welches man
Appelliren zu nennen pfleget, wird zu-
gleich erhalten, daß die Untergerichte ihr
Ambt deſto beſſer in acht nehmen und je-
dem Recht ſprechen, wie es ſich mit dem
Geſetzen gebuͤhret. Denn woferne ſie je-
manden zu Liebe, oder zu Leide ein Urtheil
faͤllen, muͤſſen ſie nicht allein gewaͤrtig ſeyn,
daß es von denen Obergerichten, daran
man appelliret, wie der uͤber den Hauffen
geworffen wird; ſondern auch beſorgen, daß,
woferne man den Vorſatz unrecht zu ſpre-
chen vermercket, ſolches zur Ahndung der
hohen Landes-Obrigkeit hinterbracht wer-
de. Da nun im erſteren Falle, wenn es
oͤffters geſchehen ſolte, die Untergerichte in
den uͤbelen Verdacht kaͤmen, als wenn ſie
den Leuten Recht zu ſprechen nicht verſtuͤn-
den, und daher ihr Anſehen bey denen, ſo
unter ihren Gerichten ſtehen, ingleichen bey
den Obergerichten ſelbſt, vergeringert wird;
im anderen Falle ſie ſich gar entweder der
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wenigſtens eines ſcharffen Verweiſes mit
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/529>, abgerufen am 16.02.2025.
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