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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 5. Von der Macht
Worts unterweilen in etwas ändert. Denn
es kommet nach diesem unter den Völckern
auch darauf an, ob derjenige, der in der
That ein König ist, auch von andern dä-
vor erkandt wird, und es kan auch wohl
geschehen, daß man einen für einen König
erkennet, der es doch nicht ist, weil er nur
einen kleinen Theil von der Majestät be-
sitzet.

Warumb
wo viele
herrschen-
der Nah-
me König
und Ma-
jestät
nicht stat
findet.
§. 454.

Wenn die Majestät unter viele
getheilet ist, so sind alle zusammen, bey de-
nen sie stehet, so viel als ein König, keiner
aber unter ihnen allein ist ein König, und
daher kan man sie auch weder Könige, noch
Majestäten nennen, indem man nicht ei-
nem allein beylegen kan, wovon ihm nur
ein Theil gehöret. Eben so siehet man, daß
in einer Politic, wo die Majestät bey der
gantzen Gemeine stehet (§. 452), die gantze
Gemeine als wie ein König anzusehen.

Was ein
König-
reich ist.
§. 455.

Die Lande, wo entweder die
gantze, oder doch der gröste Theil der Macht
bey einem ist, wird ein Königreich ge-
nennet. Andere Länder haben verschiedene
andere Nahmen, wobey es viel auf die Ge-
wohnheit zu reden mit ankommet, bey wel-
cher öffters die Einbildung die Oberhand
hat. Derowegen da wir hier bloß dasje-
nige untersuchen, was in der Vernunfft,
nicht aber in den Einbildungen der Men-
schen gegründet ist; so wollen wir uns auch

vor

Cap. 5. Von der Macht
Worts unterweilen in etwas aͤndert. Denn
es kommet nach dieſem unter den Voͤlckern
auch darauf an, ob derjenige, der in der
That ein Koͤnig iſt, auch von andern daͤ-
vor erkandt wird, und es kan auch wohl
geſchehen, daß man einen fuͤr einen Koͤnig
erkennet, der es doch nicht iſt, weil er nur
einen kleinen Theil von der Majeſtaͤt be-
ſitzet.

Warumb
wo viele
herrſchen-
der Nah-
me Koͤnig
und Ma-
jeſtaͤt
nicht ſtat
findet.
§. 454.

Wenn die Majeſtaͤt unter viele
getheilet iſt, ſo ſind alle zuſammen, bey de-
nen ſie ſtehet, ſo viel als ein Koͤnig, keiner
aber unter ihnen allein iſt ein Koͤnig, und
daher kan man ſie auch weder Koͤnige, noch
Majeſtaͤten nennen, indem man nicht ei-
nem allein beylegen kan, wovon ihm nur
ein Theil gehoͤret. Eben ſo ſiehet man, daß
in einer Politic, wo die Majeſtaͤt bey der
gantzen Gemeine ſtehet (§. 452), die gantze
Gemeine als wie ein Koͤnig anzuſehen.

Was ein
Koͤnig-
reich iſt.
§. 455.

Die Lande, wo entweder die
gantze, oder doch der groͤſte Theil der Macht
bey einem iſt, wird ein Koͤnigreich ge-
nennet. Andere Laͤnder haben verſchiedene
andere Nahmen, wobey es viel auf die Ge-
wohnheit zu reden mit ankommet, bey wel-
cher oͤffters die Einbildung die Oberhand
hat. Derowegen da wir hier bloß dasje-
nige unterſuchen, was in der Vernunfft,
nicht aber in den Einbildungen der Men-
ſchen gegruͤndet iſt; ſo wollen wir uns auch

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[482/0500] Cap. 5. Von der Macht Worts unterweilen in etwas aͤndert. Denn es kommet nach dieſem unter den Voͤlckern auch darauf an, ob derjenige, der in der That ein Koͤnig iſt, auch von andern daͤ- vor erkandt wird, und es kan auch wohl geſchehen, daß man einen fuͤr einen Koͤnig erkennet, der es doch nicht iſt, weil er nur einen kleinen Theil von der Majeſtaͤt be- ſitzet. §. 454.Wenn die Majeſtaͤt unter viele getheilet iſt, ſo ſind alle zuſammen, bey de- nen ſie ſtehet, ſo viel als ein Koͤnig, keiner aber unter ihnen allein iſt ein Koͤnig, und daher kan man ſie auch weder Koͤnige, noch Majeſtaͤten nennen, indem man nicht ei- nem allein beylegen kan, wovon ihm nur ein Theil gehoͤret. Eben ſo ſiehet man, daß in einer Politic, wo die Majeſtaͤt bey der gantzen Gemeine ſtehet (§. 452), die gantze Gemeine als wie ein Koͤnig anzuſehen. §. 455.Die Lande, wo entweder die gantze, oder doch der groͤſte Theil der Macht bey einem iſt, wird ein Koͤnigreich ge- nennet. Andere Laͤnder haben verſchiedene andere Nahmen, wobey es viel auf die Ge- wohnheit zu reden mit ankommet, bey wel- cher oͤffters die Einbildung die Oberhand hat. Derowegen da wir hier bloß dasje- nige unterſuchen, was in der Vernunfft, nicht aber in den Einbildungen der Men- ſchen gegruͤndet iſt; ſo wollen wir uns auch vor

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/500>, abgerufen am 01.09.2024.