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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 5. Von der Macht
Jn jedem
gemeinen
Wesen ist
die Ge-
walt und
Macht
unumb-
schränckt.
§. 451.

Unerachtet aber in einem gemei-
nen Wesen die Macht und Gewalt der ho-
hen Obrigkeit eingeschräncket wird; so ist
doch diese Macht und Gewalt in Ansehung
des gantzen gemeinen Wesens unumb-
schräncket: denn was in einem gemeinen
Wesen von der hohen Obrigkeit mit Ein-
willigung derer, welche vermöge der Re-
gierungs-Forme darein zu willigen haben,
und mit ihr zusammen das gantze gemei-
ne Wesen vorstellen, beschlossen wird, dar-
wieder hat niemand auf Erden Recht et-
was zu sagen, und niemand hat Recht zu
verhindern, daß es nicht geschehe, wenn
er es nicht als eine Beleidigung seiner an-
zusehen hat. Nemlich jedes gemeines We-
sen hat seine Macht und Gewalt vor sich,
und kein Auswärtiger hat etwas darein
zu sagen, wenn ihm nicht durch dessen Ge-
brauch zunahe getreten wird. Denn ein
gantzes gemeines Wesen wird wie eine
Person angesehen und viele verhalten sich
gegen einander wie verschiedene einzele
Personen (§. 220). Gleichwie nun ein je-
der Mensch eine unumbschränckte Gewalt
und Macht hat sein Bestes zu befördern
(§. 12. Mor.) und ihm niemand sich zu
wiedersetzen Recht hat, als wenn er seine
Macht ihm zu schaden misbrauchen wil
(§. 832. Mor.): eben so hat ein jedes gemei-
nes Wesen seine Macht und Gewalt das

gemei-
Cap. 5. Von der Macht
Jn jedem
gemeinen
Weſen iſt
die Ge-
walt und
Macht
unumb-
ſchraͤnckt.
§. 451.

Unerachtet aber in einem gemei-
nen Weſen die Macht und Gewalt der ho-
hen Obrigkeit eingeſchraͤncket wird; ſo iſt
doch dieſe Macht und Gewalt in Anſehung
des gantzen gemeinen Weſens unumb-
ſchraͤncket: denn was in einem gemeinen
Weſen von der hohen Obrigkeit mit Ein-
willigung derer, welche vermoͤge der Re-
gierungs-Forme darein zu willigen haben,
und mit ihr zuſammen das gantze gemei-
ne Weſen vorſtellen, beſchloſſen wird, dar-
wieder hat niemand auf Erden Recht et-
was zu ſagen, und niemand hat Recht zu
verhindern, daß es nicht geſchehe, wenn
er es nicht als eine Beleidigung ſeiner an-
zuſehen hat. Nemlich jedes gemeines We-
ſen hat ſeine Macht und Gewalt vor ſich,
und kein Auswaͤrtiger hat etwas darein
zu ſagen, wenn ihm nicht durch deſſen Ge-
brauch zunahe getreten wird. Denn ein
gantzes gemeines Weſen wird wie eine
Perſon angeſehen und viele verhalten ſich
gegen einander wie verſchiedene einzele
Perſonen (§. 220). Gleichwie nun ein je-
der Menſch eine unumbſchraͤnckte Gewalt
und Macht hat ſein Beſtes zu befoͤrdern
(§. 12. Mor.) und ihm niemand ſich zu
wiederſetzen Recht hat, als wenn er ſeine
Macht ihm zu ſchaden misbrauchen wil
(§. 832. Mor.): eben ſo hat ein jedes gemei-
nes Weſen ſeine Macht und Gewalt das

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[480/0498] Cap. 5. Von der Macht §. 451.Unerachtet aber in einem gemei- nen Weſen die Macht und Gewalt der ho- hen Obrigkeit eingeſchraͤncket wird; ſo iſt doch dieſe Macht und Gewalt in Anſehung des gantzen gemeinen Weſens unumb- ſchraͤncket: denn was in einem gemeinen Weſen von der hohen Obrigkeit mit Ein- willigung derer, welche vermoͤge der Re- gierungs-Forme darein zu willigen haben, und mit ihr zuſammen das gantze gemei- ne Weſen vorſtellen, beſchloſſen wird, dar- wieder hat niemand auf Erden Recht et- was zu ſagen, und niemand hat Recht zu verhindern, daß es nicht geſchehe, wenn er es nicht als eine Beleidigung ſeiner an- zuſehen hat. Nemlich jedes gemeines We- ſen hat ſeine Macht und Gewalt vor ſich, und kein Auswaͤrtiger hat etwas darein zu ſagen, wenn ihm nicht durch deſſen Ge- brauch zunahe getreten wird. Denn ein gantzes gemeines Weſen wird wie eine Perſon angeſehen und viele verhalten ſich gegen einander wie verſchiedene einzele Perſonen (§. 220). Gleichwie nun ein je- der Menſch eine unumbſchraͤnckte Gewalt und Macht hat ſein Beſtes zu befoͤrdern (§. 12. Mor.) und ihm niemand ſich zu wiederſetzen Recht hat, als wenn er ſeine Macht ihm zu ſchaden misbrauchen wil (§. 832. Mor.): eben ſo hat ein jedes gemei- nes Weſen ſeine Macht und Gewalt das gemei-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/498>, abgerufen am 01.09.2024.