Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.und Gewalt der Obrigkeit. auch auf die mit ihnen getroffene Bünd-nisse verlassen: vielweniger werden sie ver- meinen für ihnen sicher zu seyn. Hieraus aber entspinnen sich nach und nach allerhand Feindseeligkeiten zum Schaden dessen, der dergleichen Mißtrauen wieder sich erreget. Zugeschweigen daß selbst die Unterthanen der Obrigkeit im Hertzen nicht gut sind, ob sie es zwar äusserlich aus Furcht nicht dörf- fen mercken lassen, und daher leicht zu in- nerlicher Unruhe und Empörung wieder die Landes-Obrigkeit zu bringen sind, wenn sie nur einen Anführer bekommen; auch sich ohne vieles Bedencken zu dem Feinde schlagen, wenn er ins Land kommet. Wer diese gefährliche Folgerungen einsiehet, wird auch dadurch sich abschrecken lassen, wenn er gleich für GOtt sich nicht fürchten soll- te. Allein weil hierzu Vernunfft erfordert wird (§. 368. Met.), nicht aber jederzeit Landes-Obrigkeiten in einem solchen Gra- de dieselbe besitzen, als dazu nöthig ist, o- der auch sich durch wiedrige Affecten hinreis- sen lassen wieder die Grund-Gesetze zu han- deln (§. 490. Met.), und der Vernunfft nicht Gehöre zu geben; so kan man in dem- selben Falle, wo keine innerliche Vorstel- lungen etwas fruchten, keine andere Ver- bindlichkeit als äusserlichen Zwang gebrau- chen: welches nicht anders als durch Ein- schränckung der Macht geschehen kan, wo- von (Politik.) G g
und Gewalt der Obrigkeit. auch auf die mit ihnen getroffene Buͤnd-niſſe verlaſſen: vielweniger werden ſie ver- meinen fuͤr ihnen ſicher zu ſeyn. Hieraus aber entſpinnen ſich nach und nach allerhand Feindſeeligkeiten zum Schaden deſſen, der dergleichen Mißtrauen wieder ſich erreget. Zugeſchweigen daß ſelbſt die Unterthanen der Obrigkeit im Hertzen nicht gut ſind, ob ſie es zwar aͤuſſerlich aus Furcht nicht doͤrf- fen mercken laſſen, und daher leicht zu in- nerlicher Unruhe und Empoͤrung wieder die Landes-Obrigkeit zu bringen ſind, wenn ſie nur einen Anfuͤhrer bekommen; auch ſich ohne vieles Bedencken zu dem Feinde ſchlagen, wenn er ins Land kommet. Wer dieſe gefaͤhrliche Folgerungen einſiehet, wird auch dadurch ſich abſchrecken laſſen, wenn er gleich fuͤr GOtt ſich nicht fuͤrchten ſoll- te. Allein weil hierzu Vernunfft erfordert wird (§. 368. Met.), nicht aber jederzeit Landes-Obrigkeiten in einem ſolchen Gra- de dieſelbe beſitzen, als dazu noͤthig iſt, o- der auch ſich durch wiedrige Affecten hinreiſ- ſen laſſen wieder die Grund-Geſetze zu han- deln (§. 490. Met.), und der Vernunfft nicht Gehoͤre zu geben; ſo kan man in dem- ſelben Falle, wo keine innerliche Vorſtel- lungen etwas fruchten, keine andere Ver- bindlichkeit als aͤuſſerlichen Zwang gebrau- chen: welches nicht anders als durch Ein- ſchraͤnckung der Macht geſchehen kan, wo- von (Politik.) G g
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und Gewalt der Obrigkeit.
auch auf die mit ihnen getroffene Buͤnd-
niſſe verlaſſen: vielweniger werden ſie ver-
meinen fuͤr ihnen ſicher zu ſeyn. Hieraus
aber entſpinnen ſich nach und nach allerhand
Feindſeeligkeiten zum Schaden deſſen, der
dergleichen Mißtrauen wieder ſich erreget.
Zugeſchweigen daß ſelbſt die Unterthanen
der Obrigkeit im Hertzen nicht gut ſind, ob
ſie es zwar aͤuſſerlich aus Furcht nicht doͤrf-
fen mercken laſſen, und daher leicht zu in-
nerlicher Unruhe und Empoͤrung wieder die
Landes-Obrigkeit zu bringen ſind, wenn
ſie nur einen Anfuͤhrer bekommen; auch
ſich ohne vieles Bedencken zu dem Feinde
ſchlagen, wenn er ins Land kommet. Wer
dieſe gefaͤhrliche Folgerungen einſiehet, wird
auch dadurch ſich abſchrecken laſſen, wenn
er gleich fuͤr GOtt ſich nicht fuͤrchten ſoll-
te. Allein weil hierzu Vernunfft erfordert
wird (§. 368. Met.), nicht aber jederzeit
Landes-Obrigkeiten in einem ſolchen Gra-
de dieſelbe beſitzen, als dazu noͤthig iſt, o-
der auch ſich durch wiedrige Affecten hinreiſ-
ſen laſſen wieder die Grund-Geſetze zu han-
deln (§. 490. Met.), und der Vernunfft
nicht Gehoͤre zu geben; ſo kan man in dem-
ſelben Falle, wo keine innerliche Vorſtel-
lungen etwas fruchten, keine andere Ver-
bindlichkeit als aͤuſſerlichen Zwang gebrau-
chen: welches nicht anders als durch Ein-
ſchraͤnckung der Macht geſchehen kan, wo-
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