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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 4. Von den bürgerlichen
Billigkeit nicht allzu nahe getreten wird (§.
401). Weil nun der Verstand mit den
Jahren wächset; so pfleget man gewisse
Jahre zu bestimmen, nach deren Verlauff
einer für mündig geachtet wird. Nun kan
es wohl freylich geschehen, daß einige eher,
andere später in den Stand kommen, dar-
innen sie sich selber versorgen und regieren
können; allein ich habe schon erinnert, daß
es genung sey, wenn man sich nach den
meisten richtet. Sind einige, die ihnen
selbst gar zu übel vorstehen, auch wenn sie
das Alter erreichet, da ihre Minderjährig-
keit aufhören sol; so kan man für sie gar
leicht eine Ausnahme machen. Derglei-
chen ist das Gesetze, daß man Verschwen-
dern einen Vewalter ihrer Güter setzet und
sie zugleich als Minderjährige unter seine
Gewalt giebet, damit sie vor sich keinen
Vertrag und Vergleich machen können, der
nach den Rechten für gültig geachtet wür-
de.

Von Ver-
äuserung
der Un-
mündi-
gen Güt-
ter.
§. 430.

Ein Vormund kan von des Un-
mündigen Vermögen nichts veräussern oh-
ne Vorwissen anderer, die vor der Kinder
Bestes geneiget sind (§. 149). Da nun zum
Besten der Unmündigen ein besonders Vor-
mundschaffts-Ambt zu bestellen ist (§. 396);
so können die bürgerlichen Gesetze verord-
nen, daß kein Vormund weder von beweg-
lichen, noch unbeweglichen Gütern des un-

mündi-

Cap. 4. Von den buͤrgerlichen
Billigkeit nicht allzu nahe getreten wird (§.
401). Weil nun der Verſtand mit den
Jahren waͤchſet; ſo pfleget man gewiſſe
Jahre zu beſtimmen, nach deren Verlauff
einer fuͤr muͤndig geachtet wird. Nun kan
es wohl freylich geſchehen, daß einige eher,
andere ſpaͤter in den Stand kommen, dar-
innen ſie ſich ſelber verſorgen und regieren
koͤnnen; allein ich habe ſchon erinnert, daß
es genung ſey, wenn man ſich nach den
meiſten richtet. Sind einige, die ihnen
ſelbſt gar zu uͤbel vorſtehen, auch wenn ſie
das Alter erreichet, da ihre Minderjaͤhrig-
keit aufhoͤren ſol; ſo kan man fuͤr ſie gar
leicht eine Ausnahme machen. Derglei-
chen iſt das Geſetze, daß man Verſchwen-
dern einen Vewalter ihrer Guͤter ſetzet und
ſie zugleich als Minderjaͤhrige unter ſeine
Gewalt giebet, damit ſie vor ſich keinen
Vertrag und Vergleich machen koͤnnen, der
nach den Rechten fuͤr guͤltig geachtet wuͤr-
de.

Von Ver-
aͤuſerung
der Un-
muͤndi-
gen Guͤt-
ter.
§. 430.

Ein Vormund kan von des Un-
muͤndigen Vermoͤgen nichts veraͤuſſern oh-
ne Vorwiſſen anderer, die vor der Kinder
Beſtes geneiget ſind (§. 149). Da nun zum
Beſten der Unmuͤndigen ein beſonders Vor-
mundſchaffts-Ambt zu beſtellen iſt (§. 396);
ſo koͤnnen die buͤrgerlichen Geſetze verord-
nen, daß kein Vormund weder von beweg-
lichen, noch unbeweglichen Guͤtern des un-

muͤndi-
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[450/0468] Cap. 4. Von den buͤrgerlichen Billigkeit nicht allzu nahe getreten wird (§. 401). Weil nun der Verſtand mit den Jahren waͤchſet; ſo pfleget man gewiſſe Jahre zu beſtimmen, nach deren Verlauff einer fuͤr muͤndig geachtet wird. Nun kan es wohl freylich geſchehen, daß einige eher, andere ſpaͤter in den Stand kommen, dar- innen ſie ſich ſelber verſorgen und regieren koͤnnen; allein ich habe ſchon erinnert, daß es genung ſey, wenn man ſich nach den meiſten richtet. Sind einige, die ihnen ſelbſt gar zu uͤbel vorſtehen, auch wenn ſie das Alter erreichet, da ihre Minderjaͤhrig- keit aufhoͤren ſol; ſo kan man fuͤr ſie gar leicht eine Ausnahme machen. Derglei- chen iſt das Geſetze, daß man Verſchwen- dern einen Vewalter ihrer Guͤter ſetzet und ſie zugleich als Minderjaͤhrige unter ſeine Gewalt giebet, damit ſie vor ſich keinen Vertrag und Vergleich machen koͤnnen, der nach den Rechten fuͤr guͤltig geachtet wuͤr- de. §. 430.Ein Vormund kan von des Un- muͤndigen Vermoͤgen nichts veraͤuſſern oh- ne Vorwiſſen anderer, die vor der Kinder Beſtes geneiget ſind (§. 149). Da nun zum Beſten der Unmuͤndigen ein beſonders Vor- mundſchaffts-Ambt zu beſtellen iſt (§. 396); ſo koͤnnen die buͤrgerlichen Geſetze verord- nen, daß kein Vormund weder von beweg- lichen, noch unbeweglichen Guͤtern des un- muͤndi-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/468>, abgerufen am 01.09.2024.