Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 4. Von den bürgerlichen mäß, sondern viel mehr nur kümmerlichleben kan; so muß er (woferne sein Ver- mögen zureichet, absonderlich wenn kleine Kinder vorhanden, die er nicht weniger als sein Weib zubedencken hat) ihr von dem Seinigen soviel zuwenden, als zu dieser Lebens Art erfordert wird (§. 79). Allein weil hierdurch abermahl viel Streit ent- stehen würde und dadurch viele Weitläuff- tigkeiten bey Gerichten entstünden; so muß man in bürgerlichen Gesetzen was gewisses setzen, was das Weib nach des Mannes Tode haben sol (§. 401). Und aus gleichmäßigen Ursachen müssen die bürgerlichen Gesetze etwas gewisses ver- ordnen, was der Mann nach des Weibes Tode haben sol. Ja alle Erbschaffts- Fälle sind aus diesen Ursachen auf etwas gewisses zu determiniren. Unterdessen da die bürgerlichen Gesetze einem nicht die Freyheit ohne Noth benehmen sollen, die man bey dem natürlichen Gesetze behält (§. 403); so können sie auch wohl ge- schehen lassen, daß einer von seinem Ver- mögen demselben eine gemässe Einrichtung machet. Und weil hier abermahls viel disputirens entstehen würde, ob die Ein- richtung dem Gesetze der Natur gemäß sey, oder nicht, man auch nirgends mehr Ausflüchte zu besorgen hat als in Erb- schaffts-Fällen, wo man für die lange Weile
Cap. 4. Von den buͤrgerlichen maͤß, ſondern viel mehr nur kuͤmmerlichleben kan; ſo muß er (woferne ſein Ver- moͤgen zureichet, abſonderlich wenn kleine Kinder vorhanden, die er nicht weniger als ſein Weib zubedencken hat) ihr von dem Seinigen ſoviel zuwenden, als zu dieſer Lebens Art erfordert wird (§. 79). Allein weil hierdurch abermahl viel Streit ent- ſtehen wuͤrde und dadurch viele Weitlaͤuff- tigkeiten bey Gerichten entſtuͤnden; ſo muß man in buͤrgerlichen Geſetzen was gewiſſes ſetzen, was das Weib nach des Mannes Tode haben ſol (§. 401). Und aus gleichmaͤßigen Urſachen muͤſſen die buͤrgerlichen Geſetze etwas gewiſſes ver- ordnen, was der Mann nach des Weibes Tode haben ſol. Ja alle Erbſchaffts- Faͤlle ſind aus dieſen Urſachen auf etwas gewiſſes zu determiniren. Unterdeſſen da die buͤrgerlichen Geſetze einem nicht die Freyheit ohne Noth benehmen ſollen, die man bey dem natuͤrlichen Geſetze behaͤlt (§. 403); ſo koͤnnen ſie auch wohl ge- ſchehen laſſen, daß einer von ſeinem Ver- moͤgen demſelben eine gemaͤſſe Einrichtung machet. Und weil hier abermahls viel diſputirens entſtehen wuͤrde, ob die Ein- richtung dem Geſetze der Natur gemaͤß ſey, oder nicht, man auch nirgends mehr Ausfluͤchte zu beſorgen hat als in Erb- ſchaffts-Faͤllen, wo man fuͤr die lange Weile
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Cap. 4. Von den buͤrgerlichen
maͤß, ſondern viel mehr nur kuͤmmerlich
leben kan; ſo muß er (woferne ſein Ver-
moͤgen zureichet, abſonderlich wenn kleine
Kinder vorhanden, die er nicht weniger als
ſein Weib zubedencken hat) ihr von dem
Seinigen ſoviel zuwenden, als zu dieſer
Lebens Art erfordert wird (§. 79). Allein
weil hierdurch abermahl viel Streit ent-
ſtehen wuͤrde und dadurch viele Weitlaͤuff-
tigkeiten bey Gerichten entſtuͤnden; ſo
muß man in buͤrgerlichen Geſetzen was
gewiſſes ſetzen, was das Weib nach des
Mannes Tode haben ſol (§. 401). Und
aus gleichmaͤßigen Urſachen muͤſſen die
buͤrgerlichen Geſetze etwas gewiſſes ver-
ordnen, was der Mann nach des Weibes
Tode haben ſol. Ja alle Erbſchaffts-
Faͤlle ſind aus dieſen Urſachen auf etwas
gewiſſes zu determiniren. Unterdeſſen
da die buͤrgerlichen Geſetze einem nicht die
Freyheit ohne Noth benehmen ſollen, die
man bey dem natuͤrlichen Geſetze behaͤlt
(§. 403); ſo koͤnnen ſie auch wohl ge-
ſchehen laſſen, daß einer von ſeinem Ver-
moͤgen demſelben eine gemaͤſſe Einrichtung
machet. Und weil hier abermahls viel
diſputirens entſtehen wuͤrde, ob die Ein-
richtung dem Geſetze der Natur gemaͤß
ſey, oder nicht, man auch nirgends mehr
Ausfluͤchte zu beſorgen hat als in Erb-
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