Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Gesetzen. jenige, welcher einen Bürgen annimmet,durch die Bürgeschafft genung Sicherheit habe. Allein da es erstlich zu weitläuff- tig fallen würde, wenn alle Bürgschaff- ten gerichtlich sollten aufgenommen wer- den; so können bürgerliche Gesetze wohl verstatten, daß auch Bürgschafften gel- ten, die ausser Gerichten gemacht worden, wenn es Kleinigkeiten betrifft: Aber wich- tige Bürgschafften sollten billich nicht für gültig geachtet werden, als wenn sie ge- richtlich geschehen wären, weil dadurch der- jenige, so nicht sicher gehet, in grossen Schaden kan gesetzet werden. Gleicher- gestalt würde es viel zu weitläufftig fal- len, wenn die Sicherheit jederzeit zur Gnüge vor Gerichten sollte untersuchet werden, die der Gläubiger bey dem Bür- gen und der Bürge bey dem Schuldner hat. Derowegen muß man durch bür- gerliche Gesetze, wo diese Untersuchung zu weitläufftig fallen würde/ oder auch wohl anderer Umstände wegen nicht füglich ge- schehen kan, auch ohne dergleichen Unter- suchung Bürgen zulassen, wenn man ihnen nur genungsam erkläret, was die Bürg- schafft zusagen hat und worauf man da- bey sehen sol, damit niemand aus Unver- stande sich übereilet. Wenn sich beson- dere Umbstände ereignen, daß der Gläu- biger leichter mit der Schärffe den Schuld- ner
Geſetzen. jenige, welcher einen Buͤrgen annimmet,durch die Buͤrgeſchafft genung Sicherheit habe. Allein da es erſtlich zu weitlaͤuff- tig fallen wuͤrde, wenn alle Buͤrgſchaff- ten gerichtlich ſollten aufgenommen wer- den; ſo koͤnnen buͤrgerliche Geſetze wohl verſtatten, daß auch Buͤrgſchafften gel- ten, die auſſer Gerichten gemacht worden, wenn es Kleinigkeiten betrifft: Aber wich- tige Buͤrgſchafften ſollten billich nicht fuͤr guͤltig geachtet werden, als wenn ſie ge- richtlich geſchehen waͤren, weil dadurch der- jenige, ſo nicht ſicher gehet, in groſſen Schaden kan geſetzet werden. Gleicher- geſtalt wuͤrde es viel zu weitlaͤufftig fal- len, wenn die Sicherheit jederzeit zur Gnuͤge vor Gerichten ſollte unterſuchet werden, die der Glaͤubiger bey dem Buͤr- gen und der Buͤrge bey dem Schuldner hat. Derowegen muß man durch buͤr- gerliche Geſetze, wo dieſe Unterſuchung zu weitlaͤufftig fallen wuͤrde/ oder auch wohl anderer Umſtaͤnde wegen nicht fuͤglich ge- ſchehen kan, auch ohne dergleichen Unter- ſuchung Buͤrgen zulaſſen, wenn man ihnen nur genungſam erklaͤret, was die Buͤrg- ſchafft zuſagen hat und worauf man da- bey ſehen ſol, damit niemand aus Unver- ſtande ſich uͤbereilet. Wenn ſich beſon- dere Umbſtaͤnde ereignen, daß der Glaͤu- biger leichter mit der Schaͤrffe den Schuld- ner
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Geſetzen.
jenige, welcher einen Buͤrgen annimmet,
durch die Buͤrgeſchafft genung Sicherheit
habe. Allein da es erſtlich zu weitlaͤuff-
tig fallen wuͤrde, wenn alle Buͤrgſchaff-
ten gerichtlich ſollten aufgenommen wer-
den; ſo koͤnnen buͤrgerliche Geſetze wohl
verſtatten, daß auch Buͤrgſchafften gel-
ten, die auſſer Gerichten gemacht worden,
wenn es Kleinigkeiten betrifft: Aber wich-
tige Buͤrgſchafften ſollten billich nicht fuͤr
guͤltig geachtet werden, als wenn ſie ge-
richtlich geſchehen waͤren, weil dadurch der-
jenige, ſo nicht ſicher gehet, in groſſen
Schaden kan geſetzet werden. Gleicher-
geſtalt wuͤrde es viel zu weitlaͤufftig fal-
len, wenn die Sicherheit jederzeit zur
Gnuͤge vor Gerichten ſollte unterſuchet
werden, die der Glaͤubiger bey dem Buͤr-
gen und der Buͤrge bey dem Schuldner
hat. Derowegen muß man durch buͤr-
gerliche Geſetze, wo dieſe Unterſuchung zu
weitlaͤufftig fallen wuͤrde/ oder auch wohl
anderer Umſtaͤnde wegen nicht fuͤglich ge-
ſchehen kan, auch ohne dergleichen Unter-
ſuchung Buͤrgen zulaſſen, wenn man ihnen
nur genungſam erklaͤret, was die Buͤrg-
ſchafft zuſagen hat und worauf man da-
bey ſehen ſol, damit niemand aus Unver-
ſtande ſich uͤbereilet. Wenn ſich beſon-
dere Umbſtaͤnde ereignen, daß der Glaͤu-
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