worden, oder nicht, als wenn einer von beyden stirbet, oder wohl gar alle beyde, da nach diesem denen Erben gantz unbe- kand seyn kan, ob etwas gezahlet worden, oder nicht. Ja weil die Sache nicht an- ders als durch einen Eyd sich ausmachen lässet (§. 365), hingegen zubesorgen ist, daß leicht ihrer viele, woferne sie in solche Umbstände gerathen, da sie das Geld höchst nöthig brauchen, oder auch an sich gewinnsichtige Leute sind, aus Gewinns willen sich nicht scheuen einen falschen Eyd zuthun; so kan mehr Unrecht geschehen, wenn einer beständig die Freyheit behält einzuwenden, er habe das Geld nicht be- zahlet bekommen, als wenn man sie ein- schräncket. Und demnach kan man in bür- gerlichen Gesetzen eine gewisse Zeit setzen, wie lange diese Einwendung gelten sol, als wie z. E. bey uns zwey Jahre gesetzet sind. Unterdessen da man über der natürlichen Billigkeit halten sol, so viel möglich ist (§. 403); so kan man dennoch von dem bürgerlichen Gesetze abweichen, wo man erweislich machen kan, das Geld sey nicht gezahlet worden, als z. E. wenn einer, da er das Geld hätte auszahlen wollen, offenbahr in einen solchen Zustand gera- then wäre, daß es ihm zuzahlen unmöglich gefallen, auch hinreichende Ursachen vor- handen, warumb der vermeinte Schuld-
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Geſetzen.
worden, oder nicht, als wenn einer von beyden ſtirbet, oder wohl gar alle beyde, da nach dieſem denen Erben gantz unbe- kand ſeyn kan, ob etwas gezahlet worden, oder nicht. Ja weil die Sache nicht an- ders als durch einen Eyd ſich ausmachen laͤſſet (§. 365), hingegen zubeſorgen iſt, daß leicht ihrer viele, woferne ſie in ſolche Umbſtaͤnde gerathen, da ſie das Geld hoͤchſt noͤthig brauchen, oder auch an ſich gewinnſichtige Leute ſind, aus Gewinns willen ſich nicht ſcheuen einen falſchen Eyd zuthun; ſo kan mehr Unrecht geſchehen, wenn einer beſtaͤndig die Freyheit behaͤlt einzuwenden, er habe das Geld nicht be- zahlet bekommen, als wenn man ſie ein- ſchraͤncket. Und demnach kan man in buͤr- gerlichen Geſetzen eine gewiſſe Zeit ſetzen, wie lange dieſe Einwendung gelten ſol, als wie z. E. bey uns zwey Jahre geſetzet ſind. Unterdeſſen da man uͤber der natuͤrlichen Billigkeit halten ſol, ſo viel moͤglich iſt (§. 403); ſo kan man dennoch von dem buͤrgerlichen Geſetze abweichen, wo man erweislich machen kan, das Geld ſey nicht gezahlet worden, als z. E. wenn einer, da er das Geld haͤtte auszahlen wollen, offenbahr in einen ſolchen Zuſtand gera- then waͤre, daß es ihm zuzahlen unmoͤglich gefallen, auch hinreichende Urſachen vor- handen, warumb der vermeinte Schuld-
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Geſetzen.
worden, oder nicht, als wenn einer von
beyden ſtirbet, oder wohl gar alle beyde,
da nach dieſem denen Erben gantz unbe-
kand ſeyn kan, ob etwas gezahlet worden,
oder nicht. Ja weil die Sache nicht an-
ders als durch einen Eyd ſich ausmachen
laͤſſet (§. 365), hingegen zubeſorgen iſt,
daß leicht ihrer viele, woferne ſie in ſolche
Umbſtaͤnde gerathen, da ſie das Geld
hoͤchſt noͤthig brauchen, oder auch an ſich
gewinnſichtige Leute ſind, aus Gewinns
willen ſich nicht ſcheuen einen falſchen Eyd
zuthun; ſo kan mehr Unrecht geſchehen,
wenn einer beſtaͤndig die Freyheit behaͤlt
einzuwenden, er habe das Geld nicht be-
zahlet bekommen, als wenn man ſie ein-
ſchraͤncket. Und demnach kan man in buͤr-
gerlichen Geſetzen eine gewiſſe Zeit ſetzen,
wie lange dieſe Einwendung gelten ſol, als
wie z. E. bey uns zwey Jahre geſetzet ſind.
Unterdeſſen da man uͤber der natuͤrlichen
Billigkeit halten ſol, ſo viel moͤglich iſt
(§. 403); ſo kan man dennoch von
dem buͤrgerlichen Geſetze abweichen, wo
man erweislich machen kan, das Geld ſey
nicht gezahlet worden, als z. E. wenn einer,
da er das Geld haͤtte auszahlen wollen,
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/457>, abgerufen am 16.02.2025.
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