Furcht groß ist, und aus einer grossen Boßheit herrühret; so kan man gar einen bestraffen, der den andern durch Furcht, oder Betrug einen Vergleich einzugehen verleitet (§. 357. 358). Und durch diese bürgerliche Verbindlichkeit (§. 341.) wird das Gesetze der Natur abermahls ein bür- gerliches Gesetze.
Einwen- dung we- gen. des nicht ge- zahlten Geldes.
§. 425.
Wenn man einem eine Hand- schrifft zustellet, aber das darinnen verschriebene Geld nicht aus gezahlet be- kommen; so kan vermöge natürlicher Rechte der jenige, welcher die Handschrifft hat, zu keinen Zeiten etwas von dem an- dern fordern, der sie geschrieben. Denn da er das Geld nicht ausgezahlet, so ist ihm der andere nichts schuldig worden. Wer mir nichts schuldig ist, von dem kan ich nichts fordern. Wer etwas fordert, was der andere von ihm nicht empfangen, der suchet ihn zu betrügen (§. 896. Mor.). Da man nun niemanden betrügen sol (§. 897. Mor.); so kan man auch von ihm kein Geld wieder fordern, was man ihm nicht geliehen. Unterdessen finden sich zu- längliche Ursachen, warumb das Gesetze der Natur sich im gemeinen Wesen nicht genau beobachten lässet. Nehmlich es kön- nen Fälle kommen, da es ungewis wird und sich schweer erweisen lässet, ob das Geld auf die Handschrifft ausgezahlet
wor-
Cap. 4. Von den buͤrgerlichen
Furcht groß iſt, und aus einer groſſen Boßheit herruͤhret; ſo kan man gar einen beſtraffen, der den andern durch Furcht, oder Betrug einen Vergleich einzugehen verleitet (§. 357. 358). Und durch dieſe buͤrgerliche Verbindlichkeit (§. 341.) wird das Geſetze der Natur abermahls ein buͤr- gerliches Geſetze.
Einwen- dung we- gen. des nicht ge- zahlten Geldes.
§. 425.
Wenn man einem eine Hand- ſchrifft zuſtellet, aber das darinnen verſchriebene Geld nicht aus gezahlet be- kommen; ſo kan vermoͤge natuͤrlicher Rechte der jenige, welcher die Handſchrifft hat, zu keinen Zeiten etwas von dem an- dern fordern, der ſie geſchrieben. Denn da er das Geld nicht ausgezahlet, ſo iſt ihm der andere nichts ſchuldig worden. Wer mir nichts ſchuldig iſt, von dem kan ich nichts fordern. Wer etwas fordert, was der andere von ihm nicht empfangen, der ſuchet ihn zu betruͤgen (§. 896. Mor.). Da man nun niemanden betruͤgen ſol (§. 897. Mor.); ſo kan man auch von ihm kein Geld wieder fordern, was man ihm nicht geliehen. Unterdeſſen finden ſich zu- laͤngliche Urſachen, warumb das Geſetze der Natur ſich im gemeinen Weſen nicht genau beobachten laͤſſet. Nehmlich es koͤn- nen Faͤlle kommen, da es ungewis wird und ſich ſchweer erweiſen laͤſſet, ob das Geld auf die Handſchrifft ausgezahlet
wor-
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Cap. 4. Von den buͤrgerlichen
Furcht groß iſt, und aus einer groſſen
Boßheit herruͤhret; ſo kan man gar einen
beſtraffen, der den andern durch Furcht,
oder Betrug einen Vergleich einzugehen
verleitet (§. 357. 358). Und durch dieſe
buͤrgerliche Verbindlichkeit (§. 341.) wird
das Geſetze der Natur abermahls ein buͤr-
gerliches Geſetze.
§. 425.Wenn man einem eine Hand-
ſchrifft zuſtellet, aber das darinnen
verſchriebene Geld nicht aus gezahlet be-
kommen; ſo kan vermoͤge natuͤrlicher
Rechte der jenige, welcher die Handſchrifft
hat, zu keinen Zeiten etwas von dem an-
dern fordern, der ſie geſchrieben. Denn
da er das Geld nicht ausgezahlet, ſo iſt
ihm der andere nichts ſchuldig worden.
Wer mir nichts ſchuldig iſt, von dem kan
ich nichts fordern. Wer etwas fordert,
was der andere von ihm nicht empfangen,
der ſuchet ihn zu betruͤgen (§. 896. Mor.).
Da man nun niemanden betruͤgen ſol
(§. 897. Mor.); ſo kan man auch von ihm
kein Geld wieder fordern, was man ihm
nicht geliehen. Unterdeſſen finden ſich zu-
laͤngliche Urſachen, warumb das Geſetze
der Natur ſich im gemeinen Weſen nicht
genau beobachten laͤſſet. Nehmlich es koͤn-
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und ſich ſchweer erweiſen laͤſſet, ob das
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/456>, abgerufen am 22.11.2024.
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