Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.des gemeinen Wesens. daß er wieder schimpffet, oder gar zurThätlichkeit schreitet. Gleicher gestalt da man man überhaupt jedermann wieder alle Beleidigungen schützet, und ihm zu seinem Schaden, den er erlitten, wieder verhilfft (§. 330); so ist überhaupt nicht nöthig, daß einer, der beleidiget wird, sich selbst Recht zu schaffen und wegen seines Schadens sich zu erhohlen suchet. Man kan aber auch niemanden dergleichen zu thun verstatten. Denn wenn einer, der von dem andern be- leidiget worden, sich selbst Recht schaffen wil; so pfleget er gemeiniglich, da er von dem Zorne übereilet wird, weiter zu gehen als sichs gebühret, absonderlich wenn ei- ner empfindlich ist (§. 487 Met.). Es zeiget dieses alles die tägliche Erfahrung. Denn wer geschimpffet wird, der schimpffet ge- meiniglich den andern noch ärger: ja wenn der andere ihn mit Schimpff-Worten an- greiffet, rächet er sich mit Schlägen. Und eben deswegen weil man bey der Selbst- Rache nicht in Schrancken bleiben kan, die sich gebühren, muß man sie im gemeinen Wesen keines weges verstatten. Uber die- ses hat man auch wohl zu erwegen, daß bey der Selbst-Rache gemeiniglich aus ei- ner kleinen Uneinigkeit eine grosse Zwietracht nebst vielem Unglück entstehen kan, wenn zwey harte Köpffe an einander gerathen, deren keiner dem andern nach geben wil. Denn C c 3
des gemeinen Weſens. daß er wieder ſchimpffet, oder gar zurThaͤtlichkeit ſchreitet. Gleicher geſtalt da man man uͤberhaupt jedermann wieder alle Beleidigungen ſchuͤtzet, und ihm zu ſeinem Schaden, den er erlitten, wieder verhilfft (§. 330); ſo iſt uͤberhaupt nicht noͤthig, daß einer, der beleidiget wird, ſich ſelbſt Recht zu ſchaffen und wegen ſeines Schadens ſich zu erhohlen ſuchet. Man kan aber auch niemanden dergleichen zu thun verſtatten. Denn wenn einer, der von dem andern be- leidiget worden, ſich ſelbſt Recht ſchaffen wil; ſo pfleget er gemeiniglich, da er von dem Zorne uͤbereilet wird, weiter zu gehen als ſichs gebuͤhret, abſonderlich wenn ei- ner empfindlich iſt (§. 487 Met.). Es zeiget dieſes alles die taͤgliche Erfahrung. Denn wer geſchimpffet wird, der ſchimpffet ge- meiniglich den andern noch aͤrger: ja wenn der andere ihn mit Schimpff-Worten an- greiffet, raͤchet er ſich mit Schlaͤgen. Und eben deswegen weil man bey der Selbſt- Rache nicht in Schrancken bleiben kan, die ſich gebuͤhren, muß man ſie im gemeinen Weſen keines weges verſtatten. Uber die- ſes hat man auch wohl zu erwegen, daß bey der Selbſt-Rache gemeiniglich aus ei- ner kleinen Uneinigkeit eine groſſe Zwietracht nebſt vielem Ungluͤck entſtehen kan, wenn zwey harte Koͤpffe an einander gerathen, deren keiner dem andern nach geben wil. Denn C c 3
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des gemeinen Weſens.
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Thaͤtlichkeit ſchreitet. Gleicher geſtalt da
man man uͤberhaupt jedermann wieder alle
Beleidigungen ſchuͤtzet, und ihm zu ſeinem
Schaden, den er erlitten, wieder verhilfft
(§. 330); ſo iſt uͤberhaupt nicht noͤthig, daß
einer, der beleidiget wird, ſich ſelbſt Recht
zu ſchaffen und wegen ſeines Schadens ſich
zu erhohlen ſuchet. Man kan aber auch
niemanden dergleichen zu thun verſtatten.
Denn wenn einer, der von dem andern be-
leidiget worden, ſich ſelbſt Recht ſchaffen
wil; ſo pfleget er gemeiniglich, da er von
dem Zorne uͤbereilet wird, weiter zu gehen
als ſichs gebuͤhret, abſonderlich wenn ei-
ner empfindlich iſt (§. 487 Met.). Es zeiget
dieſes alles die taͤgliche Erfahrung. Denn
wer geſchimpffet wird, der ſchimpffet ge-
meiniglich den andern noch aͤrger: ja wenn
der andere ihn mit Schimpff-Worten an-
greiffet, raͤchet er ſich mit Schlaͤgen. Und
eben deswegen weil man bey der Selbſt-
Rache nicht in Schrancken bleiben kan, die
ſich gebuͤhren, muß man ſie im gemeinen
Weſen keines weges verſtatten. Uber die-
ſes hat man auch wohl zu erwegen, daß
bey der Selbſt-Rache gemeiniglich aus ei-
ner kleinen Uneinigkeit eine groſſe Zwietracht
nebſt vielem Ungluͤck entſtehen kan, wenn
zwey harte Koͤpffe an einander gerathen,
deren keiner dem andern nach geben wil.
Denn
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