spitäler, darein man dergleichen arme Pa- tienten bringen und curiren kan. Und weil dergleichen Zufälle arme Leute, die mit schwerer Arbeit umgehen, auch sich sonst nicht in allem in acht nehmen können, wie es wol seyn solte: so soll ihnen in solchen Fällen entweder von Wund-Aertzten, die zu dem Ende besoldet und verpflichtet, auch zu Zei- ten ihres Verhaltens wegen ihre Curen un- tersuchet werden, umsonst Hülffe geschehen, oder man muß aus besondern dazu verord- neten Kosten ihnen zur Cur nöthige Mittel angedeyen lassen. Es wird jeder leicht sehen, daß diese Art der Allmosen höchst nöthig (§. 961. Mor.), und dem Staate weniger beschweerlich sind, als andere. Denn wenn arme Leute kranck und ge- brechlich werden, so sind sie zur Arbeit un- geschickt. Da sie nun als denn nichts erwerben können, oder wenigstens nicht so viel als sie nöthig haben, so müssen sie sich von Rechtswegen auf das betteln le- gen (§. 964. Mor.). Weil sie nun eher die Leute zu Mitleiden bewegen, als andere, die, weil sie gesund aussehen, zur Arbeit geschickt aussehen (§. 461. Met.); so bet- teln sie nachdem mehr als sie nöthig ha- ben, und werden aus Wollust liederlich, ja wenn sie auch noch etwas zu arbeiten geschickt wären, gefället ihnen doch das faule Brodt besser, als was sie verdienen
soll-
des gemeinen Weſens.
ſpitaͤler, darein man dergleichen arme Pa- tienten bringen und curiren kan. Und weil dergleichen Zufaͤlle arme Leute, die mit ſchwerer Arbeit umgehen, auch ſich ſonſt nicht in allem in acht nehmen koͤnnen, wie es wol ſeyn ſolte: ſo ſoll ihnen in ſolchen Faͤllen entweder von Wund-Aertzten, die zu dem Ende beſoldet und verpflichtet, auch zu Zei- ten ihres Verhaltens wegen ihre Curen un- terſuchet werden, umſonſt Huͤlffe geſchehen, oder man muß aus beſondern dazu verord- neten Koſten ihnen zur Cur noͤthige Mittel angedeyen laſſen. Es wird jeder leicht ſehen, daß dieſe Art der Allmoſen hoͤchſt noͤthig (§. 961. Mor.), und dem Staate weniger beſchweerlich ſind, als andere. Denn wenn arme Leute kranck und ge- brechlich werden, ſo ſind ſie zur Arbeit un- geſchickt. Da ſie nun als denn nichts erwerben koͤnnen, oder wenigſtens nicht ſo viel als ſie noͤthig haben, ſo muͤſſen ſie ſich von Rechtswegen auf das betteln le- gen (§. 964. Mor.). Weil ſie nun eher die Leute zu Mitleiden bewegen, als andere, die, weil ſie geſund ausſehen, zur Arbeit geſchickt ausſehen (§. 461. Met.); ſo bet- teln ſie nachdem mehr als ſie noͤthig ha- ben, und werden aus Wolluſt liederlich, ja wenn ſie auch noch etwas zu arbeiten geſchickt waͤren, gefaͤllet ihnen doch das faule Brodt beſſer, als was ſie verdienen
ſoll-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0375"n="357"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">des gemeinen Weſens.</hi></fw><lb/>ſpitaͤler, darein man dergleichen arme Pa-<lb/>
tienten bringen und curiren kan. Und<lb/>
weil dergleichen Zufaͤlle arme Leute, die<lb/>
mit ſchwerer Arbeit umgehen, auch ſich ſonſt<lb/>
nicht in allem in acht nehmen koͤnnen, wie es<lb/>
wol ſeyn ſolte: ſo ſoll ihnen in ſolchen Faͤllen<lb/>
entweder von Wund-Aertzten, die zu dem<lb/>
Ende beſoldet und verpflichtet, auch zu Zei-<lb/>
ten ihres Verhaltens wegen ihre Curen un-<lb/>
terſuchet werden, umſonſt Huͤlffe geſchehen,<lb/>
oder man muß aus beſondern dazu verord-<lb/>
neten Koſten ihnen zur Cur noͤthige Mittel<lb/>
angedeyen laſſen. Es wird jeder leicht<lb/>ſehen, daß dieſe Art der Allmoſen hoͤchſt<lb/>
noͤthig (§. 961. <hirendition="#aq">Mor.</hi>), und dem Staate<lb/>
weniger beſchweerlich ſind, als andere.<lb/>
Denn wenn arme Leute kranck und ge-<lb/>
brechlich werden, ſo ſind ſie zur Arbeit un-<lb/>
geſchickt. Da ſie nun als denn nichts<lb/>
erwerben koͤnnen, oder wenigſtens nicht ſo<lb/>
viel als ſie noͤthig haben, ſo muͤſſen ſie<lb/>ſich von Rechtswegen auf das betteln le-<lb/>
gen (§. 964. <hirendition="#aq">Mor.</hi>). Weil ſie nun eher<lb/>
die Leute zu Mitleiden bewegen, als andere,<lb/>
die, weil ſie geſund ausſehen, zur Arbeit<lb/>
geſchickt ausſehen (§. 461. <hirendition="#aq">Met.</hi>); ſo bet-<lb/>
teln ſie nachdem mehr als ſie noͤthig ha-<lb/>
ben, und werden aus Wolluſt liederlich,<lb/>
ja wenn ſie auch noch etwas zu arbeiten<lb/>
geſchickt waͤren, gefaͤllet ihnen doch das<lb/>
faule Brodt beſſer, als was ſie verdienen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſoll-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[357/0375]
des gemeinen Weſens.
ſpitaͤler, darein man dergleichen arme Pa-
tienten bringen und curiren kan. Und
weil dergleichen Zufaͤlle arme Leute, die
mit ſchwerer Arbeit umgehen, auch ſich ſonſt
nicht in allem in acht nehmen koͤnnen, wie es
wol ſeyn ſolte: ſo ſoll ihnen in ſolchen Faͤllen
entweder von Wund-Aertzten, die zu dem
Ende beſoldet und verpflichtet, auch zu Zei-
ten ihres Verhaltens wegen ihre Curen un-
terſuchet werden, umſonſt Huͤlffe geſchehen,
oder man muß aus beſondern dazu verord-
neten Koſten ihnen zur Cur noͤthige Mittel
angedeyen laſſen. Es wird jeder leicht
ſehen, daß dieſe Art der Allmoſen hoͤchſt
noͤthig (§. 961. Mor.), und dem Staate
weniger beſchweerlich ſind, als andere.
Denn wenn arme Leute kranck und ge-
brechlich werden, ſo ſind ſie zur Arbeit un-
geſchickt. Da ſie nun als denn nichts
erwerben koͤnnen, oder wenigſtens nicht ſo
viel als ſie noͤthig haben, ſo muͤſſen ſie
ſich von Rechtswegen auf das betteln le-
gen (§. 964. Mor.). Weil ſie nun eher
die Leute zu Mitleiden bewegen, als andere,
die, weil ſie geſund ausſehen, zur Arbeit
geſchickt ausſehen (§. 461. Met.); ſo bet-
teln ſie nachdem mehr als ſie noͤthig ha-
ben, und werden aus Wolluſt liederlich,
ja wenn ſie auch noch etwas zu arbeiten
geſchickt waͤren, gefaͤllet ihnen doch das
faule Brodt beſſer, als was ſie verdienen
ſoll-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/375>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.