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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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des gemeinen Wesens.
nommen werden, wird man nicht leicht
damit fehl gehen, und bey denselben, aber
keinen andern, habe ich als ein Weltwei-
ser ihre Richtigkeit erwiesen.

§. 366.

Nun haben wir genungsamenNoth-
wendig-
keit der
Religi-
on.

Grund die Nothwendigkeit der Religion im
gemeinen Wesen zu behaupten. Jch setze
voraus, daß die Religion in der Vereh-
rung GOttes bestehet und dannenhero so-
wohl Erkäntnis von GOtt, als ohne wel-
che wir ihn nicht ehren können (§. 658.
Mor.) als eine Einrichtung unser Hand-
lungen nach seinem Willen, das ist, eine
wahre Gottseeligkeit (§. 670. 671. Mor.)
erfordert. Ein Mensch, der GOtt erken-
net, ist vergewissert, daß er das böse straf-
fet und fürchtet sich vor ihm (§ 707. &
seqq, Mor.). Wenn er demnach weiß,
daß etwas seinem Willen zuwieder ist und
er es bestraffe, wenn man es thut oder
auch unterlässet, was er haben will; so
wird er aus Furcht für GOtt unterlassen,
was er sonst thun würde, und thun, was
er sonst lassen würde. Wer eine kindli-
che Furcht für GOtt hat, der pfleget bey
seinem Thun und Lassen, wozu sich eine
Gelegenheit ereignet, zu fragen, ob es dem
Willen GOttes gemäß sey, oder nicht, in-
dem er nicht eher mit Beruhigung seines
Gemüthes etwas thun oder lassen kan, biß
er dessen versichert ist (§. 698. Mor.). Und

dem-

des gemeinen Weſens.
nommen werden, wird man nicht leicht
damit fehl gehen, und bey denſelben, aber
keinen andern, habe ich als ein Weltwei-
ſer ihre Richtigkeit erwieſen.

§. 366.

Nun haben wir genungſamenNoth-
wendig-
keit der
Religi-
on.

Grund die Nothwendigkeit der Religion im
gemeinen Weſen zu behaupten. Jch ſetze
voraus, daß die Religion in der Vereh-
rung GOttes beſtehet und dannenhero ſo-
wohl Erkaͤntnis von GOtt, als ohne wel-
che wir ihn nicht ehren koͤnnen (§. 658.
Mor.) als eine Einrichtung unſer Hand-
lungen nach ſeinem Willen, das iſt, eine
wahre Gottſeeligkeit (§. 670. 671. Mor.)
erfordert. Ein Menſch, der GOtt erken-
net, iſt vergewiſſert, daß er das boͤſe ſtraf-
fet und fuͤrchtet ſich vor ihm (§ 707. &
ſeqq, Mor.). Wenn er demnach weiß,
daß etwas ſeinem Willen zuwieder iſt und
er es beſtraffe, wenn man es thut oder
auch unterlaͤſſet, was er haben will; ſo
wird er aus Furcht fuͤr GOtt unterlaſſen,
was er ſonſt thun wuͤrde, und thun, was
er ſonſt laſſen wuͤrde. Wer eine kindli-
che Furcht fuͤr GOtt hat, der pfleget bey
ſeinem Thun und Laſſen, wozu ſich eine
Gelegenheit ereignet, zu fragen, ob es dem
Willen GOttes gemaͤß ſey, oder nicht, in-
dem er nicht eher mit Beruhigung ſeines
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[317/0335] des gemeinen Weſens. nommen werden, wird man nicht leicht damit fehl gehen, und bey denſelben, aber keinen andern, habe ich als ein Weltwei- ſer ihre Richtigkeit erwieſen. §. 366.Nun haben wir genungſamen Grund die Nothwendigkeit der Religion im gemeinen Weſen zu behaupten. Jch ſetze voraus, daß die Religion in der Vereh- rung GOttes beſtehet und dannenhero ſo- wohl Erkaͤntnis von GOtt, als ohne wel- che wir ihn nicht ehren koͤnnen (§. 658. Mor.) als eine Einrichtung unſer Hand- lungen nach ſeinem Willen, das iſt, eine wahre Gottſeeligkeit (§. 670. 671. Mor.) erfordert. Ein Menſch, der GOtt erken- net, iſt vergewiſſert, daß er das boͤſe ſtraf- fet und fuͤrchtet ſich vor ihm (§ 707. & ſeqq, Mor.). Wenn er demnach weiß, daß etwas ſeinem Willen zuwieder iſt und er es beſtraffe, wenn man es thut oder auch unterlaͤſſet, was er haben will; ſo wird er aus Furcht fuͤr GOtt unterlaſſen, was er ſonſt thun wuͤrde, und thun, was er ſonſt laſſen wuͤrde. Wer eine kindli- che Furcht fuͤr GOtt hat, der pfleget bey ſeinem Thun und Laſſen, wozu ſich eine Gelegenheit ereignet, zu fragen, ob es dem Willen GOttes gemaͤß ſey, oder nicht, in- dem er nicht eher mit Beruhigung ſeines Gemuͤthes etwas thun oder laſſen kan, biß er deſſen verſichert iſt (§. 698. Mor.). Und dem- Noth- wendig- keit der Religi- on.

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/335>, abgerufen am 25.11.2024.