Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.des gemeinen Wesens. chen zu rechtfertigen; so sind verschiedeneMittel, die man brauchen kan, ihn zum Geständnis der Wahrheit zu bringen. Je- doch fruchten nicht alle bey jedweden, indem immer einer hartnäckiger im leugnen ist als der andere. Erstlich kan man Zeugen ab- hören, die dabey gewesen, als die Sache paßiret, oder sonst Umstände angeben kön- nen, daraus man entweder gewiß schlüssen kan, wer der Thäter gewesen, oder we- nigstens starcken Argwohn wieder ihn schöpffen, oder auch Gelegenheit nehmen ihn genauer auszufragen. Was nun die Zeugen einmüthig aussagen, das hat gros- sen Schein der Wahrheit vor sich, indem nicht lejcht ist, daß viele auf einerley Un- wahrheit verfallen. Woferne sie vollends ihre Aussage mit einem Eyde bestärcken; so hat man an deren Richtigkeit um so viel weniger zu zweiffeln, weil niemand für die lange Weile einen Eyd thun wird, der so viel zu sagen hat (§. 996 Mor.). Und hier kan mit Nutzen angebracht werden, was anderswo (Log. c. 7 §. 5 & seqq.) von der Glaubwürdigkeit der Zeugen ange- führet worden. Dieses Zeugnis muß dem Inquisiten (denn so nennet man diejeni- gen Personen, deren Verbrechen man un- tersuchet) vorgehalten werden: Lässet er sich dieses noch nicht bewegen, so kan man ihm die Zeugen vorstellen, daß sie ihm al- les U 5
des gemeinen Weſens. chen zu rechtfertigen; ſo ſind verſchiedeneMittel, die man brauchen kan, ihn zum Geſtaͤndnis der Wahrheit zu bringen. Je- doch fruchten nicht alle bey jedweden, indem immer einer hartnaͤckiger im leugnen iſt als der andere. Erſtlich kan man Zeugen ab- hoͤren, die dabey geweſen, als die Sache paßiret, oder ſonſt Umſtaͤnde angeben koͤn- nen, daraus man entweder gewiß ſchluͤſſen kan, wer der Thaͤter geweſen, oder we- nigſtens ſtarcken Argwohn wieder ihn ſchoͤpffen, oder auch Gelegenheit nehmen ihn genauer auszufragen. Was nun die Zeugen einmuͤthig ausſagen, das hat groſ- ſen Schein der Wahrheit vor ſich, indem nicht lejcht iſt, daß viele auf einerley Un- wahrheit verfallen. Woferne ſie vollends ihre Auſſage mit einem Eyde beſtaͤrcken; ſo hat man an deren Richtigkeit um ſo viel weniger zu zweiffeln, weil niemand fuͤr die lange Weile einen Eyd thun wird, der ſo viel zu ſagen hat (§. 996 Mor.). Und hier kan mit Nutzen angebracht werden, was anderswo (Log. c. 7 §. 5 & ſeqq.) von der Glaubwuͤrdigkeit der Zeugen ange- fuͤhret worden. Dieſes Zeugnis muß dem Inquiſiten (denn ſo nennet man diejeni- gen Perſonen, deren Verbrechen man un- terſuchet) vorgehalten werden: Laͤſſet er ſich dieſes noch nicht bewegen, ſo kan man ihm die Zeugen vorſtellen, daß ſie ihm al- les U 5
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des gemeinen Weſens.
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Mittel, die man brauchen kan, ihn zum
Geſtaͤndnis der Wahrheit zu bringen. Je-
doch fruchten nicht alle bey jedweden, indem
immer einer hartnaͤckiger im leugnen iſt als
der andere. Erſtlich kan man Zeugen ab-
hoͤren, die dabey geweſen, als die Sache
paßiret, oder ſonſt Umſtaͤnde angeben koͤn-
nen, daraus man entweder gewiß ſchluͤſſen
kan, wer der Thaͤter geweſen, oder we-
nigſtens ſtarcken Argwohn wieder ihn
ſchoͤpffen, oder auch Gelegenheit nehmen
ihn genauer auszufragen. Was nun die
Zeugen einmuͤthig ausſagen, das hat groſ-
ſen Schein der Wahrheit vor ſich, indem
nicht lejcht iſt, daß viele auf einerley Un-
wahrheit verfallen. Woferne ſie vollends
ihre Auſſage mit einem Eyde beſtaͤrcken;
ſo hat man an deren Richtigkeit um ſo viel
weniger zu zweiffeln, weil niemand fuͤr die
lange Weile einen Eyd thun wird, der ſo
viel zu ſagen hat (§. 996 Mor.). Und hier
kan mit Nutzen angebracht werden, was
anderswo (Log. c. 7 §. 5 & ſeqq.) von
der Glaubwuͤrdigkeit der Zeugen ange-
fuͤhret worden. Dieſes Zeugnis muß dem
Inquiſiten (denn ſo nennet man diejeni-
gen Perſonen, deren Verbrechen man un-
terſuchet) vorgehalten werden: Laͤſſet er
ſich dieſes noch nicht bewegen, ſo kan man
ihm die Zeugen vorſtellen, daß ſie ihm al-
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