ber der Schaden, der aus Jrrthümern zu besorgen ist, nicht bald und auf einmahl, sondern nach und nach einreisset, und da- her abgewendet werden kan, wenn man der Ausbreitung bey Zeiten Einhalt thut; hingegen man niemahls zu harten Mitteln schreiten sol, wo gelindere zureichend sind die Absicht zu erhalten (§. 862. Mor.); so sol man auch niemanden eher straffen, als biß ihm vorher die Ausbreitung seines Jrrthums untersaget und deren Gefähr- lichkeit vorgestellet werden. Wer sich nach diesem nicht wil warnen lassen, sondern bey seiner Weise verbleibet: der hat es sich zuzuschreiben, wenn die Straffe an ihm vollzogen wird.
Ursachen warumb die Stra- fen nicht bey jeder- mann fruchten und wie diesen Hinder- nissen zu begeg- nen.
§. 362.
Warum die Straffen nicht bey allen fruchten, ob sie gleich den Ernst sehen, ist bey den meisten wohl keine an- dere Ursache als diese, daß sie vermeinen ihr Verbrechen so zu verbergen, damit es nicht kund wird, oder sich auch, im Fall es kund werden sollte, auf das Leugnen verlassen, indem es öffters gar schweer fäl- let einen zu überführen, er habe dieses oder jenes gethan, was er im verborgenen verübet, weil man wieder wahrscheinliche Beweise, dergleichen hier meistentheils statt finden, noch immer eines und das andere nicht ohne einigen Schein ein- wenden kan. Derowegen hat man haupt-
säch-
Cap. 3. Von der Einrichtung
ber der Schaden, der aus Jrrthuͤmern zu beſorgen iſt, nicht bald und auf einmahl, ſondern nach und nach einreiſſet, und da- her abgewendet werden kan, wenn man der Ausbreitung bey Zeiten Einhalt thut; hingegen man niemahls zu harten Mitteln ſchreiten ſol, wo gelindere zureichend ſind die Abſicht zu erhalten (§. 862. Mor.); ſo ſol man auch niemanden eher ſtraffen, als biß ihm vorher die Ausbreitung ſeines Jrrthums unterſaget und deren Gefaͤhr- lichkeit vorgeſtellet werden. Wer ſich nach dieſem nicht wil warnen laſſen, ſondern bey ſeiner Weiſe verbleibet: der hat es ſich zuzuſchreiben, wenn die Straffe an ihm vollzogen wird.
Urſachen warumb die Stꝛa- fen nicht bey jeder- mann fruchten und wie dieſen Hinder- niſſen zu begeg- nen.
§. 362.
Warum die Straffen nicht bey allen fruchten, ob ſie gleich den Ernſt ſehen, iſt bey den meiſten wohl keine an- dere Urſache als dieſe, daß ſie vermeinen ihr Verbrechen ſo zu verbergen, damit es nicht kund wird, oder ſich auch, im Fall es kund werden ſollte, auf das Leugnen verlaſſen, indem es oͤffters gar ſchweer faͤl- let einen zu uͤberfuͤhren, er habe dieſes oder jenes gethan, was er im verborgenen veruͤbet, weil man wieder wahrſcheinliche Beweiſe, dergleichen hier meiſtentheils ſtatt finden, noch immer eines und das andere nicht ohne einigen Schein ein- wenden kan. Derowegen hat man haupt-
ſaͤch-
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Cap. 3. Von der Einrichtung
ber der Schaden, der aus Jrrthuͤmern zu
beſorgen iſt, nicht bald und auf einmahl,
ſondern nach und nach einreiſſet, und da-
her abgewendet werden kan, wenn man
der Ausbreitung bey Zeiten Einhalt thut;
hingegen man niemahls zu harten Mitteln
ſchreiten ſol, wo gelindere zureichend ſind
die Abſicht zu erhalten (§. 862. Mor.); ſo
ſol man auch niemanden eher ſtraffen, als
biß ihm vorher die Ausbreitung ſeines
Jrrthums unterſaget und deren Gefaͤhr-
lichkeit vorgeſtellet werden. Wer ſich nach
dieſem nicht wil warnen laſſen, ſondern
bey ſeiner Weiſe verbleibet: der hat es
ſich zuzuſchreiben, wenn die Straffe an
ihm vollzogen wird.
§. 362.Warum die Straffen nicht
bey allen fruchten, ob ſie gleich den Ernſt
ſehen, iſt bey den meiſten wohl keine an-
dere Urſache als dieſe, daß ſie vermeinen
ihr Verbrechen ſo zu verbergen, damit es
nicht kund wird, oder ſich auch, im Fall
es kund werden ſollte, auf das Leugnen
verlaſſen, indem es oͤffters gar ſchweer faͤl-
let einen zu uͤberfuͤhren, er habe dieſes
oder jenes gethan, was er im verborgenen
veruͤbet, weil man wieder wahrſcheinliche
Beweiſe, dergleichen hier meiſtentheils
ſtatt finden, noch immer eines und das
andere nicht ohne einigen Schein ein-
wenden kan. Derowegen hat man haupt-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/324>, abgerufen am 25.11.2024.
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