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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 3. Von der Einrichtung
ber der Schaden, der aus Jrrthümern zu
besorgen ist, nicht bald und auf einmahl,
sondern nach und nach einreisset, und da-
her abgewendet werden kan, wenn man
der Ausbreitung bey Zeiten Einhalt thut;
hingegen man niemahls zu harten Mitteln
schreiten sol, wo gelindere zureichend sind
die Absicht zu erhalten (§. 862. Mor.); so
sol man auch niemanden eher straffen, als
biß ihm vorher die Ausbreitung seines
Jrrthums untersaget und deren Gefähr-
lichkeit vorgestellet werden. Wer sich nach
diesem nicht wil warnen lassen, sondern
bey seiner Weise verbleibet: der hat es
sich zuzuschreiben, wenn die Straffe an
ihm vollzogen wird.

Ursachen
warumb
die Stra-
fen nicht
bey jeder-
mann
fruchten
und wie
diesen
Hinder-
nissen
zu begeg-
nen.
§. 362.

Warum die Straffen nicht
bey allen fruchten, ob sie gleich den Ernst
sehen, ist bey den meisten wohl keine an-
dere Ursache als diese, daß sie vermeinen
ihr Verbrechen so zu verbergen, damit es
nicht kund wird, oder sich auch, im Fall
es kund werden sollte, auf das Leugnen
verlassen, indem es öffters gar schweer fäl-
let einen zu überführen, er habe dieses
oder jenes gethan, was er im verborgenen
verübet, weil man wieder wahrscheinliche
Beweise, dergleichen hier meistentheils
statt finden, noch immer eines und das
andere nicht ohne einigen Schein ein-
wenden kan. Derowegen hat man haupt-

säch-

Cap. 3. Von der Einrichtung
ber der Schaden, der aus Jrrthuͤmern zu
beſorgen iſt, nicht bald und auf einmahl,
ſondern nach und nach einreiſſet, und da-
her abgewendet werden kan, wenn man
der Ausbreitung bey Zeiten Einhalt thut;
hingegen man niemahls zu harten Mitteln
ſchreiten ſol, wo gelindere zureichend ſind
die Abſicht zu erhalten (§. 862. Mor.); ſo
ſol man auch niemanden eher ſtraffen, als
biß ihm vorher die Ausbreitung ſeines
Jrrthums unterſaget und deren Gefaͤhr-
lichkeit vorgeſtellet werden. Wer ſich nach
dieſem nicht wil warnen laſſen, ſondern
bey ſeiner Weiſe verbleibet: der hat es
ſich zuzuſchreiben, wenn die Straffe an
ihm vollzogen wird.

Urſachen
warumb
die Stꝛa-
fen nicht
bey jeder-
mann
fruchten
und wie
dieſen
Hinder-
niſſen
zu begeg-
nen.
§. 362.

Warum die Straffen nicht
bey allen fruchten, ob ſie gleich den Ernſt
ſehen, iſt bey den meiſten wohl keine an-
dere Urſache als dieſe, daß ſie vermeinen
ihr Verbrechen ſo zu verbergen, damit es
nicht kund wird, oder ſich auch, im Fall
es kund werden ſollte, auf das Leugnen
verlaſſen, indem es oͤffters gar ſchweer faͤl-
let einen zu uͤberfuͤhren, er habe dieſes
oder jenes gethan, was er im verborgenen
veruͤbet, weil man wieder wahrſcheinliche
Beweiſe, dergleichen hier meiſtentheils
ſtatt finden, noch immer eines und das
andere nicht ohne einigen Schein ein-
wenden kan. Derowegen hat man haupt-

ſaͤch-
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[306/0324] Cap. 3. Von der Einrichtung ber der Schaden, der aus Jrrthuͤmern zu beſorgen iſt, nicht bald und auf einmahl, ſondern nach und nach einreiſſet, und da- her abgewendet werden kan, wenn man der Ausbreitung bey Zeiten Einhalt thut; hingegen man niemahls zu harten Mitteln ſchreiten ſol, wo gelindere zureichend ſind die Abſicht zu erhalten (§. 862. Mor.); ſo ſol man auch niemanden eher ſtraffen, als biß ihm vorher die Ausbreitung ſeines Jrrthums unterſaget und deren Gefaͤhr- lichkeit vorgeſtellet werden. Wer ſich nach dieſem nicht wil warnen laſſen, ſondern bey ſeiner Weiſe verbleibet: der hat es ſich zuzuſchreiben, wenn die Straffe an ihm vollzogen wird. §. 362.Warum die Straffen nicht bey allen fruchten, ob ſie gleich den Ernſt ſehen, iſt bey den meiſten wohl keine an- dere Urſache als dieſe, daß ſie vermeinen ihr Verbrechen ſo zu verbergen, damit es nicht kund wird, oder ſich auch, im Fall es kund werden ſollte, auf das Leugnen verlaſſen, indem es oͤffters gar ſchweer faͤl- let einen zu uͤberfuͤhren, er habe dieſes oder jenes gethan, was er im verborgenen veruͤbet, weil man wieder wahrſcheinliche Beweiſe, dergleichen hier meiſtentheils ſtatt finden, noch immer eines und das andere nicht ohne einigen Schein ein- wenden kan. Derowegen hat man haupt- ſaͤch-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/324>, abgerufen am 25.11.2024.