Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 2. von den verschidenen
ser Beschweerlichkeit, die in verschiedenen
Fällen nicht geringe anzusehen ist, indem
sie vielen Verdruß stifften kan, ist die Mo-
narchie völlig befreyet, ausser daß bey Hofe
unter denen Bedienten des Monarchens
dergleichen Partheyen entstehen können, die
aber nicht einen so grossen Einfluß in die ge-
meine Wohlfahrt und Sicherheit wie in der
Aristocratie und Politie haben. Die Ei-
nigkeit derer, die in der Aristocratie herr-
schen, ist auch nicht allemahl für die Un-
terthanen vorträglich. Denn wenn sie ei-
gennützig und wollüstig sind, pflegen sie
mehr auf ihren besonderen Nutzen, als das
gemeine Beste zu sehen, und nehmen an sich,
was zur gemeinen Wohlfahrt und Sicher-
heit solte angewendet, oder in künfftigen
Noth-Fall aufbehalten werden. Wor-
aus denn ferner erfolget, daß sie den ge-
meinen Mann nur zu Sclaven machen, die
vor sie arbeiten und erwerben müssen: wie-
wohl dieser Unfall auch die Unterthanen in
der Monarchie betreffen kan, wenn sie zu
einer Tyranney wird (§. 234).

Vorthei-
le der
Politic.
§. 262.

Jn der Politie herrschen alle und
kan nichts ohne aller ihre Einwilligung be-
schlossen und bewerckstelliget werden (§.
236). Derowegen wird die Freyheit nir-
gends weniger als hier eingeschräncket, der-
gestalt daß man auch ein gemeines Wesen,
wo dergleichen Regierungs-Forme einge-

füh-

Cap. 2. von den verſchidenen
ſer Beſchweerlichkeit, die in verſchiedenen
Faͤllen nicht geringe anzuſehen iſt, indem
ſie vielen Verdruß ſtifften kan, iſt die Mo-
narchie voͤllig befreyet, auſſer daß bey Hofe
unter denen Bedienten des Monarchens
dergleichen Partheyen entſtehen koͤnnen, die
aber nicht einen ſo groſſen Einfluß in die ge-
meine Wohlfahrt und Sicherheit wie in der
Ariſtocratie und Politie haben. Die Ei-
nigkeit derer, die in der Ariſtocratie herr-
ſchen, iſt auch nicht allemahl fuͤr die Un-
terthanen vortraͤglich. Denn wenn ſie ei-
gennuͤtzig und wolluͤſtig ſind, pflegen ſie
mehr auf ihren beſonderen Nutzen, als das
gemeine Beſte zu ſehen, und nehmen an ſich,
was zur gemeinen Wohlfahrt und Sicher-
heit ſolte angewendet, oder in kuͤnfftigen
Noth-Fall aufbehalten werden. Wor-
aus denn ferner erfolget, daß ſie den ge-
meinen Mann nur zu Sclaven machen, die
vor ſie arbeiten und erwerben muͤſſen: wie-
wohl dieſer Unfall auch die Unterthanen in
der Monarchie betreffen kan, wenn ſie zu
einer Tyranney wird (§. 234).

Vorthei-
le der
Politic.
§. 262.

Jn der Politie herrſchen alle und
kan nichts ohne aller ihre Einwilligung be-
ſchloſſen und bewerckſtelliget werden (§.
236). Derowegen wird die Freyheit nir-
gends weniger als hier eingeſchraͤncket, der-
geſtalt daß man auch ein gemeines Weſen,
wo dergleichen Regierungs-Forme einge-

fuͤh-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0210" n="192"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 2. von den ver&#x017F;chidenen</hi></fw><lb/>
&#x017F;er Be&#x017F;chweerlichkeit, die in ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Fa&#x0364;llen nicht geringe anzu&#x017F;ehen i&#x017F;t, indem<lb/>
&#x017F;ie vielen Verdruß &#x017F;tifften kan, i&#x017F;t die Mo-<lb/>
narchie vo&#x0364;llig befreyet, au&#x017F;&#x017F;er daß bey Hofe<lb/>
unter denen Bedienten des Monarchens<lb/>
dergleichen Partheyen ent&#x017F;tehen ko&#x0364;nnen, die<lb/>
aber nicht einen &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;en Einfluß in die ge-<lb/>
meine Wohlfahrt und Sicherheit wie in der<lb/>
Ari&#x017F;tocratie und Politie haben. Die Ei-<lb/>
nigkeit derer, die in der Ari&#x017F;tocratie herr-<lb/>
&#x017F;chen, i&#x017F;t auch nicht allemahl fu&#x0364;r die Un-<lb/>
terthanen vortra&#x0364;glich. Denn wenn &#x017F;ie ei-<lb/>
gennu&#x0364;tzig und wollu&#x0364;&#x017F;tig &#x017F;ind, pflegen &#x017F;ie<lb/>
mehr auf ihren be&#x017F;onderen Nutzen, als das<lb/>
gemeine Be&#x017F;te zu &#x017F;ehen, und nehmen an &#x017F;ich,<lb/>
was zur gemeinen Wohlfahrt und Sicher-<lb/>
heit &#x017F;olte angewendet, oder in ku&#x0364;nfftigen<lb/>
Noth-Fall aufbehalten werden. Wor-<lb/>
aus denn ferner erfolget, daß &#x017F;ie den ge-<lb/>
meinen Mann nur zu Sclaven machen, die<lb/>
vor &#x017F;ie arbeiten und erwerben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en: wie-<lb/>
wohl die&#x017F;er Unfall auch die Unterthanen in<lb/>
der Monarchie betreffen kan, wenn &#x017F;ie zu<lb/>
einer Tyranney wird (§. 234).</p><lb/>
              <note place="left">Vorthei-<lb/>
le der<lb/>
Politic.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 262.</head>
              <p>Jn der Politie herr&#x017F;chen alle und<lb/>
kan nichts ohne aller ihre Einwilligung be-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en und bewerck&#x017F;telliget werden (§.<lb/>
236). Derowegen wird die Freyheit nir-<lb/>
gends weniger als hier einge&#x017F;chra&#x0364;ncket, der-<lb/>
ge&#x017F;talt daß man auch ein gemeines We&#x017F;en,<lb/>
wo dergleichen Regierungs-Forme einge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fu&#x0364;h-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[192/0210] Cap. 2. von den verſchidenen ſer Beſchweerlichkeit, die in verſchiedenen Faͤllen nicht geringe anzuſehen iſt, indem ſie vielen Verdruß ſtifften kan, iſt die Mo- narchie voͤllig befreyet, auſſer daß bey Hofe unter denen Bedienten des Monarchens dergleichen Partheyen entſtehen koͤnnen, die aber nicht einen ſo groſſen Einfluß in die ge- meine Wohlfahrt und Sicherheit wie in der Ariſtocratie und Politie haben. Die Ei- nigkeit derer, die in der Ariſtocratie herr- ſchen, iſt auch nicht allemahl fuͤr die Un- terthanen vortraͤglich. Denn wenn ſie ei- gennuͤtzig und wolluͤſtig ſind, pflegen ſie mehr auf ihren beſonderen Nutzen, als das gemeine Beſte zu ſehen, und nehmen an ſich, was zur gemeinen Wohlfahrt und Sicher- heit ſolte angewendet, oder in kuͤnfftigen Noth-Fall aufbehalten werden. Wor- aus denn ferner erfolget, daß ſie den ge- meinen Mann nur zu Sclaven machen, die vor ſie arbeiten und erwerben muͤſſen: wie- wohl dieſer Unfall auch die Unterthanen in der Monarchie betreffen kan, wenn ſie zu einer Tyranney wird (§. 234). §. 262.Jn der Politie herrſchen alle und kan nichts ohne aller ihre Einwilligung be- ſchloſſen und bewerckſtelliget werden (§. 236). Derowegen wird die Freyheit nir- gends weniger als hier eingeſchraͤncket, der- geſtalt daß man auch ein gemeines Weſen, wo dergleichen Regierungs-Forme einge- fuͤh-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/210
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/210>, abgerufen am 25.11.2024.