Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Arten des gemeinen Wesens.
man gemeinet ist sie zu befördern. Feh-
let der Wille, so hilfft es auch nicht, daß
man es verstehet, wie es anzugreiffen ist:
denn da man nicht auf die gemeine Wohl-
fahrt und Sicherheit, sondern auf seine be-
sondere Absichten siehet; so handelt man
jener mit Wissen und Willen zuwieder,
wo es diese erfordern. Fehlet es an beyden,
daß man weder verstehet, was zur gemei-
nen Wohlfahrt und Sicherheit erfordert
wird, noch auch die gemeine Wohlfahrt
und Sicherheit nicht weiter zu beförderen
verlanget, als in so weit sie ein Mittel zu
seyn scheinet das besondere Interesse zu
erreichen; so ist vor sich klar, daß der ge-
meinen Wohlfahrt und Sicherheit gar ofte
zu nahe getreten wird.

§. 242.

Da die Beförderung der gemei-Worauf
die
Wohl-
fahrt
und Si-
cherheit
des ge-
meinen
Wesen-
gegrün-
det.

nen Wohlfahrt auf der Beobachtung des
Gesetzes der Natur beruhet (§. 226), so muß
derjenige, der den Willen haben soll sie zu
befördern, eine Fertigkeit haben, seine
Handlungen dem Gesetze der Natur gemäß
einzurichten, und also tugendhafft seyn (§.
64. Mor.). Solchergestalt sind Verstand
und Tugend die beyden Gründe, darauf die
Wohlfahrt und Sicherheit des gemeinen
Wesens beruhet (§. 241). Wer demnach
auf einige Art und Weise für das gemeine
Wesen zu sorgen hat, es mag seine Einrich-

tung

Arten des gemeinen Weſens.
man gemeinet iſt ſie zu befoͤrdern. Feh-
let der Wille, ſo hilfft es auch nicht, daß
man es verſtehet, wie es anzugreiffen iſt:
denn da man nicht auf die gemeine Wohl-
fahrt und Sicherheit, ſondern auf ſeine be-
ſondere Abſichten ſiehet; ſo handelt man
jener mit Wiſſen und Willen zuwieder,
wo es dieſe erfordern. Fehlet es an beyden,
daß man weder verſtehet, was zur gemei-
nen Wohlfahrt und Sicherheit erfordert
wird, noch auch die gemeine Wohlfahrt
und Sicherheit nicht weiter zu befoͤrderen
verlanget, als in ſo weit ſie ein Mittel zu
ſeyn ſcheinet das beſondere Intereſſe zu
erreichen; ſo iſt vor ſich klar, daß der ge-
meinen Wohlfahrt und Sicherheit gar ofte
zu nahe getreten wird.

§. 242.

Da die Befoͤrderung der gemei-Worauf
die
Wohl-
fahrt
und Si-
cherheit
des ge-
meinen
Weſen-
gegruͤn-
det.

nen Wohlfahrt auf der Beobachtung des
Geſetzes der Natur beruhet (§. 226), ſo muß
derjenige, der den Willen haben ſoll ſie zu
befoͤrdern, eine Fertigkeit haben, ſeine
Handlungen dem Geſetze der Natur gemaͤß
einzurichten, und alſo tugendhafft ſeyn (§.
64. Mor.). Solchergeſtalt ſind Verſtand
und Tugend die beyden Gruͤnde, darauf die
Wohlfahrt und Sicherheit des gemeinen
Weſens beruhet (§. 241). Wer demnach
auf einige Art und Weiſe fuͤr das gemeine
Weſen zu ſorgen hat, es mag ſeine Einrich-

tung
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0193" n="175"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arten des gemeinen We&#x017F;ens.</hi></fw><lb/>
man gemeinet i&#x017F;t &#x017F;ie zu befo&#x0364;rdern. Feh-<lb/>
let der Wille, &#x017F;o hilfft es auch nicht, daß<lb/>
man es ver&#x017F;tehet, wie es anzugreiffen i&#x017F;t:<lb/>
denn da man nicht auf die gemeine Wohl-<lb/>
fahrt und Sicherheit, &#x017F;ondern auf &#x017F;eine be-<lb/>
&#x017F;ondere Ab&#x017F;ichten &#x017F;iehet; &#x017F;o handelt man<lb/>
jener mit Wi&#x017F;&#x017F;en und Willen zuwieder,<lb/>
wo es die&#x017F;e erfordern. Fehlet es an beyden,<lb/>
daß man weder ver&#x017F;tehet, was zur gemei-<lb/>
nen Wohlfahrt und Sicherheit erfordert<lb/>
wird, noch auch die gemeine Wohlfahrt<lb/>
und Sicherheit nicht weiter zu befo&#x0364;rderen<lb/>
verlanget, als in &#x017F;o weit &#x017F;ie ein Mittel zu<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;cheinet das be&#x017F;ondere <hi rendition="#aq">Intere&#x017F;&#x017F;e</hi> zu<lb/>
erreichen; &#x017F;o i&#x017F;t vor &#x017F;ich klar, daß der ge-<lb/>
meinen Wohlfahrt und Sicherheit gar ofte<lb/>
zu nahe getreten wird.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 242.</head>
              <p>Da die Befo&#x0364;rderung der gemei-<note place="right">Worauf<lb/>
die<lb/>
Wohl-<lb/>
fahrt<lb/>
und Si-<lb/>
cherheit<lb/>
des ge-<lb/>
meinen<lb/>
We&#x017F;en-<lb/>
gegru&#x0364;n-<lb/>
det.</note><lb/>
nen Wohlfahrt auf der Beobachtung des<lb/>
Ge&#x017F;etzes der Natur beruhet (§. 226), &#x017F;o muß<lb/>
derjenige, der den Willen haben &#x017F;oll &#x017F;ie zu<lb/>
befo&#x0364;rdern, eine Fertigkeit haben, &#x017F;eine<lb/>
Handlungen dem Ge&#x017F;etze der Natur gema&#x0364;ß<lb/>
einzurichten, und al&#x017F;o tugendhafft &#x017F;eyn (§.<lb/>
64. <hi rendition="#aq">Mor.</hi>). Solcherge&#x017F;talt &#x017F;ind Ver&#x017F;tand<lb/>
und Tugend die beyden Gru&#x0364;nde, darauf die<lb/>
Wohlfahrt und Sicherheit des gemeinen<lb/>
We&#x017F;ens beruhet (§. 241). Wer demnach<lb/>
auf einige Art und Wei&#x017F;e fu&#x0364;r das gemeine<lb/>
We&#x017F;en zu &#x017F;orgen hat, es mag &#x017F;eine Einrich-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tung</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0193] Arten des gemeinen Weſens. man gemeinet iſt ſie zu befoͤrdern. Feh- let der Wille, ſo hilfft es auch nicht, daß man es verſtehet, wie es anzugreiffen iſt: denn da man nicht auf die gemeine Wohl- fahrt und Sicherheit, ſondern auf ſeine be- ſondere Abſichten ſiehet; ſo handelt man jener mit Wiſſen und Willen zuwieder, wo es dieſe erfordern. Fehlet es an beyden, daß man weder verſtehet, was zur gemei- nen Wohlfahrt und Sicherheit erfordert wird, noch auch die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit nicht weiter zu befoͤrderen verlanget, als in ſo weit ſie ein Mittel zu ſeyn ſcheinet das beſondere Intereſſe zu erreichen; ſo iſt vor ſich klar, daß der ge- meinen Wohlfahrt und Sicherheit gar ofte zu nahe getreten wird. §. 242.Da die Befoͤrderung der gemei- nen Wohlfahrt auf der Beobachtung des Geſetzes der Natur beruhet (§. 226), ſo muß derjenige, der den Willen haben ſoll ſie zu befoͤrdern, eine Fertigkeit haben, ſeine Handlungen dem Geſetze der Natur gemaͤß einzurichten, und alſo tugendhafft ſeyn (§. 64. Mor.). Solchergeſtalt ſind Verſtand und Tugend die beyden Gruͤnde, darauf die Wohlfahrt und Sicherheit des gemeinen Weſens beruhet (§. 241). Wer demnach auf einige Art und Weiſe fuͤr das gemeine Weſen zu ſorgen hat, es mag ſeine Einrich- tung Worauf die Wohl- fahrt und Si- cherheit des ge- meinen Weſen- gegruͤn- det.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/193
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/193>, abgerufen am 22.11.2024.