de unwillig gemacht wird, wenn es auch gleich anfangs willig war: wiewohl ein williges Gesinde auch wohl thut, was ihm nicht oblieget, wenn ihm dadurch kein Schaden erwächset. Es hat aber abson- derlich Herrschafft, die viel Gesinde haben, darauf zu sehen, daß es ein jedes das seine thun lässet, auch nicht zugiebet, daß eines ohne Noth (das ist, wenn das andere sei- nen Dienst selbst verrichten kan) des ande- ren Stelle vertritt: weil nicht allein im er- sten Falle, da die Herrschafft einem des an- dern Dienste ohne Noth zumuthet, ein Wiederwillen unter dem Gesinde entstehet, auch öffters das Gesinde nachdem nachläs- sig in seinen Verrichtungen wird in der Mei- nung, es können auch die andern thun, was ihm oblieget, wenn es der andern ihre Dienste mit verrichten muß; sondern auch im andern Falle, weil doch nichts ohne zu- reichenden Grund geschiehet (§. 30 Met.), das Gesinde, so andern gar zu sehr zu ge- fallen ist, gemeiniglich interessirte Absich- ten hat, öffters zum Schaden und Verdruß der Herrschafft, oder doch zum allerwenig- sten dasjenige in seinen Verrichtungen nach- läßig wird, was sich auf des andern Hülf- fe verlässet. Es ist demnach die beste Re- gel: Ein jedes Gesinde sol seine Dienste vor seine Person verrichten, es sey denn daß es in dem Stande ist, da solches nicht gesche- hen kan (§. 770 Mor.).
§. 174.
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Herrſchafftlichen Geſellſchafft.
de unwillig gemacht wird, wenn es auch gleich anfangs willig war: wiewohl ein williges Geſinde auch wohl thut, was ihm nicht oblieget, wenn ihm dadurch kein Schaden erwaͤchſet. Es hat aber abſon- derlich Herrſchafft, die viel Geſinde haben, darauf zu ſehen, daß es ein jedes das ſeine thun laͤſſet, auch nicht zugiebet, daß eines ohne Noth (das iſt, wenn das andere ſei- nen Dienſt ſelbſt verrichten kan) des ande- ren Stelle vertritt: weil nicht allein im er- ſten Falle, da die Herrſchafft einem des an- dern Dienſte ohne Noth zumuthet, ein Wiederwillen unter dem Geſinde entſtehet, auch oͤffters das Geſinde nachdem nachlaͤſ- ſig in ſeinen Verrichtungen wird in der Mei- nung, es koͤnnen auch die andern thun, was ihm oblieget, wenn es der andern ihre Dienſte mit verrichten muß; ſondern auch im andern Falle, weil doch nichts ohne zu- reichenden Grund geſchiehet (§. 30 Met.), das Geſinde, ſo andern gar zu ſehr zu ge- fallen iſt, gemeiniglich intereſſirte Abſich- ten hat, oͤffters zum Schaden und Verdruß der Herrſchafft, oder doch zum allerwenig- ſten dasjenige in ſeinen Verrichtungen nach- laͤßig wird, was ſich auf des andern Huͤlf- fe verlaͤſſet. Es iſt demnach die beſte Re- gel: Ein jedes Geſinde ſol ſeine Dienſte vor ſeine Perſon verrichten, es ſey denn daß es in dem Stande iſt, da ſolches nicht geſche- hen kan (§. 770 Mor.).
§. 174.
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Herrſchafftlichen Geſellſchafft.
de unwillig gemacht wird, wenn es auch
gleich anfangs willig war: wiewohl ein
williges Geſinde auch wohl thut, was ihm
nicht oblieget, wenn ihm dadurch kein
Schaden erwaͤchſet. Es hat aber abſon-
derlich Herrſchafft, die viel Geſinde haben,
darauf zu ſehen, daß es ein jedes das ſeine
thun laͤſſet, auch nicht zugiebet, daß eines
ohne Noth (das iſt, wenn das andere ſei-
nen Dienſt ſelbſt verrichten kan) des ande-
ren Stelle vertritt: weil nicht allein im er-
ſten Falle, da die Herrſchafft einem des an-
dern Dienſte ohne Noth zumuthet, ein
Wiederwillen unter dem Geſinde entſtehet,
auch oͤffters das Geſinde nachdem nachlaͤſ-
ſig in ſeinen Verrichtungen wird in der Mei-
nung, es koͤnnen auch die andern thun, was
ihm oblieget, wenn es der andern ihre
Dienſte mit verrichten muß; ſondern auch
im andern Falle, weil doch nichts ohne zu-
reichenden Grund geſchiehet (§. 30 Met.),
das Geſinde, ſo andern gar zu ſehr zu ge-
fallen iſt, gemeiniglich intereſſirte Abſich-
ten hat, oͤffters zum Schaden und Verdruß
der Herrſchafft, oder doch zum allerwenig-
ſten dasjenige in ſeinen Verrichtungen nach-
laͤßig wird, was ſich auf des andern Huͤlf-
fe verlaͤſſet. Es iſt demnach die beſte Re-
gel: Ein jedes Geſinde ſol ſeine Dienſte vor
ſeine Perſon verrichten, es ſey denn daß es
in dem Stande iſt, da ſolches nicht geſche-
hen kan (§. 770 Mor.).
§. 174.
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/139>, abgerufen am 16.02.2025.
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