erziehung verabsäumet werden und nach die- sem sich übel aufführen.
Einwurff wird be- antwor- tet.
§. 144
Es ist wohl wahr, daß Kinder, die viel Geld von ihren Eltern entweder schon ererbet, oder zu hoffen haben, gemei- niglich übel gerathen. Wenn man aber der Sache genauer nachdencket, lieget die- ses nicht allein an dem Gelde, sondern auch an ihrer übelen Aufferziehung. Eltern ha- ben mehr aus ihnen gemacht, als würde geschehen seyn, wenn sie unvermögender gewesen wären, und daher sie zur Wollust und Müßiggange selbst mit angeführet, auch durch ihr Exempel ihnen eine Neigung da- zu beygebracht. Derowegen daß die Kin- der sich nicht auf ihr Geld verlassen kön- nen; so hat man nicht allein für ihnen zu verheelen, was sie einmal nach dem Tode zu gewarten haben, sondern auch in der ü- brigen Aufferziehung alles sorgfältig zu be- obachten, was in Vermehrung der Ge- müths-Gaben und sonderlich der Tugend nöthig ist. Es mißrathen so wohl arme, als reiche Kinder, und also ist das Reich- thum keine nothwendige Ursache dazu, ob wohl Armuth mit als ein Bewegungs- Grund zu einer guten Aufführung, hinge- gen Reichthum zu einer schlimmen sich ge- brauchen lässet. Man kan auch im Ge- gentheile (und leider! es geschiehet alle Tage) Armuth als einen Bewegungs-Grund zum
bö-
Das 3. Capitel Von der
erziehung verabſaͤumet werden und nach die- ſem ſich uͤbel auffuͤhren.
Einwuꝛff wird be- antwor- tet.
§. 144
Es iſt wohl wahr, daß Kinder, die viel Geld von ihren Eltern entweder ſchon ererbet, oder zu hoffen haben, gemei- niglich uͤbel gerathen. Wenn man aber der Sache genauer nachdencket, lieget die- ſes nicht allein an dem Gelde, ſondern auch an ihrer uͤbelen Aufferziehung. Eltern ha- ben mehr aus ihnen gemacht, als wuͤrde geſchehen ſeyn, wenn ſie unvermoͤgender geweſen waͤren, und daher ſie zur Wolluſt und Muͤßiggange ſelbſt mit angefuͤhret, auch durch ihr Exempel ihnen eine Neigung da- zu beygebracht. Derowegen daß die Kin- der ſich nicht auf ihr Geld verlaſſen koͤn- nen; ſo hat man nicht allein fuͤr ihnen zu verheelen, was ſie einmal nach dem Tode zu gewarten haben, ſondern auch in der uͤ- brigen Aufferziehung alles ſorgfaͤltig zu be- obachten, was in Vermehrung der Ge- muͤths-Gaben und ſonderlich der Tugend noͤthig iſt. Es mißrathen ſo wohl arme, als reiche Kinder, und alſo iſt das Reich- thum keine nothwendige Urſache dazu, ob wohl Armuth mit als ein Bewegungs- Grund zu einer guten Auffuͤhrung, hinge- gen Reichthum zu einer ſchlimmen ſich ge- brauchen laͤſſet. Man kan auch im Ge- gentheile (und leider! es geſchiehet alle Tage) Armuth als einen Bewegungs-Grund zum
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Das 3. Capitel Von der
erziehung verabſaͤumet werden und nach die-
ſem ſich uͤbel auffuͤhren.
§. 144Es iſt wohl wahr, daß Kinder,
die viel Geld von ihren Eltern entweder
ſchon ererbet, oder zu hoffen haben, gemei-
niglich uͤbel gerathen. Wenn man aber
der Sache genauer nachdencket, lieget die-
ſes nicht allein an dem Gelde, ſondern auch
an ihrer uͤbelen Aufferziehung. Eltern ha-
ben mehr aus ihnen gemacht, als wuͤrde
geſchehen ſeyn, wenn ſie unvermoͤgender
geweſen waͤren, und daher ſie zur Wolluſt
und Muͤßiggange ſelbſt mit angefuͤhret, auch
durch ihr Exempel ihnen eine Neigung da-
zu beygebracht. Derowegen daß die Kin-
der ſich nicht auf ihr Geld verlaſſen koͤn-
nen; ſo hat man nicht allein fuͤr ihnen zu
verheelen, was ſie einmal nach dem Tode
zu gewarten haben, ſondern auch in der uͤ-
brigen Aufferziehung alles ſorgfaͤltig zu be-
obachten, was in Vermehrung der Ge-
muͤths-Gaben und ſonderlich der Tugend
noͤthig iſt. Es mißrathen ſo wohl arme,
als reiche Kinder, und alſo iſt das Reich-
thum keine nothwendige Urſache dazu, ob
wohl Armuth mit als ein Bewegungs-
Grund zu einer guten Auffuͤhrung, hinge-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/122>, abgerufen am 22.11.2024.
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