für den Eltern bekom- men.aus Liebe besorget, daß sie nicht etwan et- was vornehmen, das ihnen mißfället (§. 130); haben sie eine knechtische Furcht, so haben sie dergleichen Sorgfalt in Ansehung der Straffe (§. 131). Wo nun die Kin- der auf eine solche Weise besorget sind, da werden sie auch in Gegenwart der Eltern nichts vornehmen, was ihnen mißfället, o- der auch wenn sie vermeinen, daß es die El- tern erfahren können. Wer aus Furcht für dem andern nichts vornehmen will, was ihm mißfället, der hat Scheu für ihm. Und also ist die Scheu ein Bedencken in des andern Gegenwart oder ihm wissende etwas vorzunehmen.
Wie El- tern sie zu beför- dern ha- ben.
§. 133.
Zu dieser Scheue träget nicht weniges bey, wenn die Eltern in Gegenwart der Kinder selbst nichts unanständiges vor- nehmen, noch sie dergleichen etwas von sich erfahren lassen. Denn so werden sie in der Meinung erhalten, daß es ihnen miß- fället: dahingegen sie sich bereden, was die Eltern selbst thun, könne ihnen nicht miß- fallen. Gehet aber dieser Gedancke weg, daß die Eltern an diesem oder jenem Miß- fallen haben; so verschwindet auch die Furcht für ihnen (§. 130. 131), folgends auch die Scheue (§. 132). Damit nun die Eltern ihre Kinder desto beständiger in der Meinung erhalten, daß ihnen dieses oder jenes mißfalle; so müssen sie es ihnen in al-
lem
Das 3. Cap. Von der
fuͤr den Eltern bekom- men.aus Liebe beſorget, daß ſie nicht etwan et- was vornehmen, das ihnen mißfaͤllet (§. 130); haben ſie eine knechtiſche Furcht, ſo haben ſie dergleichen Sorgfalt in Anſehung der Straffe (§. 131). Wo nun die Kin- der auf eine ſolche Weiſe beſorget ſind, da werden ſie auch in Gegenwart der Eltern nichts vornehmen, was ihnen mißfaͤllet, o- der auch wenn ſie vermeinen, daß es die El- tern erfahren koͤnnen. Wer aus Furcht fuͤr dem andern nichts vornehmen will, was ihm mißfaͤllet, der hat Scheu fuͤr ihm. Und alſo iſt die Scheu ein Bedencken in des andern Gegenwart oder ihm wiſſende etwas vorzunehmen.
Wie El- tern ſie zu befoͤr- dern ha- ben.
§. 133.
Zu dieſer Scheue traͤget nicht weniges bey, wenn die Eltern in Gegenwart der Kinder ſelbſt nichts unanſtaͤndiges vor- nehmen, noch ſie dergleichen etwas von ſich erfahren laſſen. Denn ſo werden ſie in der Meinung erhalten, daß es ihnen miß- faͤllet: dahingegen ſie ſich bereden, was die Eltern ſelbſt thun, koͤnne ihnen nicht miß- fallen. Gehet aber dieſer Gedancke weg, daß die Eltern an dieſem oder jenem Miß- fallen haben; ſo verſchwindet auch die Furcht fuͤr ihnen (§. 130. 131), folgends auch die Scheue (§. 132). Damit nun die Eltern ihre Kinder deſto beſtaͤndiger in der Meinung erhalten, daß ihnen dieſes oder jenes mißfalle; ſo muͤſſen ſie es ihnen in al-
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Das 3. Cap. Von der
aus Liebe beſorget, daß ſie nicht etwan et-
was vornehmen, das ihnen mißfaͤllet (§.
130); haben ſie eine knechtiſche Furcht, ſo
haben ſie dergleichen Sorgfalt in Anſehung
der Straffe (§. 131). Wo nun die Kin-
der auf eine ſolche Weiſe beſorget ſind, da
werden ſie auch in Gegenwart der Eltern
nichts vornehmen, was ihnen mißfaͤllet, o-
der auch wenn ſie vermeinen, daß es die El-
tern erfahren koͤnnen. Wer aus Furcht fuͤr
dem andern nichts vornehmen will, was
ihm mißfaͤllet, der hat Scheu fuͤr ihm.
Und alſo iſt die Scheu ein Bedencken in
des andern Gegenwart oder ihm wiſſende
etwas vorzunehmen.
fuͤr den
Eltern
bekom-
men.
§. 133.Zu dieſer Scheue traͤget nicht
weniges bey, wenn die Eltern in Gegenwart
der Kinder ſelbſt nichts unanſtaͤndiges vor-
nehmen, noch ſie dergleichen etwas von
ſich erfahren laſſen. Denn ſo werden ſie
in der Meinung erhalten, daß es ihnen miß-
faͤllet: dahingegen ſie ſich bereden, was die
Eltern ſelbſt thun, koͤnne ihnen nicht miß-
fallen. Gehet aber dieſer Gedancke weg,
daß die Eltern an dieſem oder jenem Miß-
fallen haben; ſo verſchwindet auch die
Furcht fuͤr ihnen (§. 130. 131), folgends
auch die Scheue (§. 132). Damit nun die
Eltern ihre Kinder deſto beſtaͤndiger in der
Meinung erhalten, daß ihnen dieſes oder
jenes mißfalle; ſo muͤſſen ſie es ihnen in al-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/114>, abgerufen am 25.11.2024.
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