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Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften. Bd. 1. Halle (Saale), 1710.

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von der Mathem. Methode.
ist die Helffte eines Parallelogrammi, wel-
ches mit ihm einerley Grund-Linie und
Höhe hat/
ein Lehr-Satz genennet.

§. 34. Es ist aber bey jedem Lehr-SatzeWas bey
einem
Lehr-
Satze zu
beden-
cken.

auff zweyerley zusehen/ nemlich einmal auff
den Satz/ darnach auff den Beweiß. Je-
ner saget aus/ was einer Sache unter ge-
wissen Bedingungen zukommen könne oder
nicht: dieser aber erklähret/ wie unser Ver-
stand dazu gebracht wird/ daß er sich solches
von der Sache gedencken kan.

§. 35. Nichts ist schlechter Dinges mög-Theile
des Sa-
tzes.

lich/ ausser das Selbst-ständige Wesen; son-
dern alles hat seine Ursachen/ warumb es ist.
Derowegen muß ein richtiger Satz keinen
von den Umbständen auslassen/ unter wel-
chen dasjenige möglich ist/ was in demselben
bekräfftiget wird. z. E. der Triangel ist
die Helffte eines Parallelogrammi, wenn
beyde Figuren einerley Höhe und Grund-
Linien haben. Sol nun der Satz richtig
seyn/ so muß er die Bedingung von der Gleich-
heit so wol der Grund-Linien/ als der Hö-
hen nothwendig in sich fassen. Und solcher
gestalt kan man jeden Satz in zwey Theile
zertheilen/ nemlich in die Bedingung/ unter
welcher etwas bekräfftiget oder verneinet
wird/ und in die Aussage/ welche dasjeni-
ge in sich begreift/ so bekräfftiget oder ver-
neinet wird. Jene pflegen wir im Lateini-
schen Hypothesin; diese aber Thesin zu nen-

nen.
B 2

von der Mathem. Methode.
iſt die Helffte eines Parallelogrammi, wel-
ches mit ihm einerley Grund-Linie und
Hoͤhe hat/
ein Lehr-Satz genennet.

§. 34. Es iſt aber bey jedem Lehr-SatzeWas bey
einem
Lehr-
Satze zu
beden-
cken.

auff zweyerley zuſehen/ nemlich einmal auff
den Satz/ darnach auff den Beweiß. Je-
ner ſaget aus/ was einer Sache unter ge-
wiſſen Bedingungen zukommen koͤnne oder
nicht: dieſer aber erklaͤhret/ wie unſer Ver-
ſtand dazu gebracht wird/ daß er ſich ſolches
von der Sache gedencken kan.

§. 35. Nichts iſt ſchlechter Dinges moͤg-Theile
des Sa-
tzes.

lich/ auſſer das Selbſt-ſtaͤndige Weſen; ſon-
dern alles hat ſeine Urſachen/ warumb es iſt.
Derowegen muß ein richtiger Satz keinen
von den Umbſtaͤnden auslaſſen/ unter wel-
chen dasjenige moͤglich iſt/ was in demſelben
bekraͤfftiget wird. z. E. der Triangel iſt
die Helffte eines Parallelogrammi, wenn
beyde Figuren einerley Hoͤhe und Grund-
Linien haben. Sol nun der Satz richtig
ſeyn/ ſo muß er die Bedingung von der Gleich-
heit ſo wol der Grund-Linien/ als der Hoͤ-
hen nothwendig in ſich faſſen. Und ſolcher
geſtalt kan man jeden Satz in zwey Theile
zertheilen/ nemlich in die Bedingung/ unter
welcher etwas bekraͤfftiget oder verneinet
wird/ und in die Ausſage/ welche dasjeni-
ge in ſich begreift/ ſo bekraͤfftiget oder ver-
neinet wird. Jene pflegen wir im Lateini-
ſchen Hypotheſin; dieſe aber Theſin zu nen-

nen.
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[19/0039] von der Mathem. Methode. iſt die Helffte eines Parallelogrammi, wel- ches mit ihm einerley Grund-Linie und Hoͤhe hat/ ein Lehr-Satz genennet. §. 34. Es iſt aber bey jedem Lehr-Satze auff zweyerley zuſehen/ nemlich einmal auff den Satz/ darnach auff den Beweiß. Je- ner ſaget aus/ was einer Sache unter ge- wiſſen Bedingungen zukommen koͤnne oder nicht: dieſer aber erklaͤhret/ wie unſer Ver- ſtand dazu gebracht wird/ daß er ſich ſolches von der Sache gedencken kan. Was bey einem Lehr- Satze zu beden- cken. §. 35. Nichts iſt ſchlechter Dinges moͤg- lich/ auſſer das Selbſt-ſtaͤndige Weſen; ſon- dern alles hat ſeine Urſachen/ warumb es iſt. Derowegen muß ein richtiger Satz keinen von den Umbſtaͤnden auslaſſen/ unter wel- chen dasjenige moͤglich iſt/ was in demſelben bekraͤfftiget wird. z. E. der Triangel iſt die Helffte eines Parallelogrammi, wenn beyde Figuren einerley Hoͤhe und Grund- Linien haben. Sol nun der Satz richtig ſeyn/ ſo muß er die Bedingung von der Gleich- heit ſo wol der Grund-Linien/ als der Hoͤ- hen nothwendig in ſich faſſen. Und ſolcher geſtalt kan man jeden Satz in zwey Theile zertheilen/ nemlich in die Bedingung/ unter welcher etwas bekraͤfftiget oder verneinet wird/ und in die Ausſage/ welche dasjeni- ge in ſich begreift/ ſo bekraͤfftiget oder ver- neinet wird. Jene pflegen wir im Lateini- ſchen Hypotheſin; dieſe aber Theſin zu nen- nen. Theile des Sa- tzes. B 2

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften. Bd. 1. Halle (Saale), 1710. , S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende01_1710/39>, abgerufen am 24.11.2024.