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Wolf, August: Der Stern der Schönheit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 303–322. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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bleibe, in der Meinung, das geistreiche Spiel des Rathens sei eigentlich die Hauptsache gewesen.

Unter den Gedichten sind viele von tiefsinniger Schönheit und Schwermuth, und das kleine lyrische Drama "Leben, eine Tragödie" verdient "um seine Kühnheit schon den Kranz", wenn es sich auch durch die Neigung zum Verhüllten und Räthselhaften, die ein Grundzug dieser Dichternatur war, dem Verständniß in weiteren Kreisen entzieht.

In launiger Weise hat der Dichter sich gegen die Freunde, die ihn zu reicherem Schaffen drängten, in einem Gedicht vertheidigt, das ihn schildert, wie er an der Himmelspforte anpocht und auf Petrus' Frage, was er gewesen sei, nur verlegen antwortet: ein Dichter. Petrus will sich damit nicht zufrieden geben.

"Wo bist du verlegt? bei Cotta,

Oder ist's in Leipzig Brockhaus?

Kannst du nichts Gedrucktes zeigen.

Klopf' ich dir den staub'gen Rock aus."

""Guter Gott, verlegt! Ich habe Ja nicht einmal was geschrieben!

Alles, was ich wollte machen.

Ist Gedanke nur geblieben.""

Petrus öffnet, vor sich brummend:

"Komm du nur vor Gottes Thron,

Da wirst du das Deine hören;

Warte nur, du kriegst es schon."

Als die arme Seele hintrat Nun vor Gott, den höchsten Richter,

Blickte dieser mild und gnädig,

Wie auf Alles, auf den Dichter.

bleibe, in der Meinung, das geistreiche Spiel des Rathens sei eigentlich die Hauptsache gewesen.

Unter den Gedichten sind viele von tiefsinniger Schönheit und Schwermuth, und das kleine lyrische Drama „Leben, eine Tragödie“ verdient „um seine Kühnheit schon den Kranz“, wenn es sich auch durch die Neigung zum Verhüllten und Räthselhaften, die ein Grundzug dieser Dichternatur war, dem Verständniß in weiteren Kreisen entzieht.

In launiger Weise hat der Dichter sich gegen die Freunde, die ihn zu reicherem Schaffen drängten, in einem Gedicht vertheidigt, das ihn schildert, wie er an der Himmelspforte anpocht und auf Petrus' Frage, was er gewesen sei, nur verlegen antwortet: ein Dichter. Petrus will sich damit nicht zufrieden geben.

„Wo bist du verlegt? bei Cotta,

Oder ist's in Leipzig Brockhaus?

Kannst du nichts Gedrucktes zeigen.

Klopf' ich dir den staub'gen Rock aus.“

„„Guter Gott, verlegt! Ich habe Ja nicht einmal was geschrieben!

Alles, was ich wollte machen.

Ist Gedanke nur geblieben.““

Petrus öffnet, vor sich brummend:

„Komm du nur vor Gottes Thron,

Da wirst du das Deine hören;

Warte nur, du kriegst es schon.“

Als die arme Seele hintrat Nun vor Gott, den höchsten Richter,

Blickte dieser mild und gnädig,

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Zitationshilfe: Wolf, August: Der Stern der Schönheit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 303–322. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolf_schoenheit_1910/7>, abgerufen am 21.11.2024.