Wolf, August: Der Stern der Schönheit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 303–322. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.einmal so alt wie du, und habe schon viele hundert Stücke geschrieben, während du Nichts gethan hast. Ja, das ist es eben, sagte ruhig Fernando, du schreibst die Stücke, und ich schreibe sie nicht. Wenn Jemand sein ganzes Leben lang Stücke schreiben will und Nichts schreibt, dann hat er kein Talent, das scheint mir deutlich. Aber du hast Talent, sagte Lope, ich weiß es. Deine Gedichte, die du in Alcala machtest, waren viel, viel besser als meine, und nun sagst du auf einmal, du habest nicht Talent. Wenn du nur daran gehen wolltest und Etwas fertig machen, aber das kannst du nicht. Du hast dich allmählich so an das Nichtsthun und Weintrinken gewöhnt, daß du nicht mehr arbeiten kannst, und dein Gehirn so an das Faulenzen und Träumen, daß es schläfrig geworden ist. Möglich, sagte Fernando, aber es hat noch einen andern Grund. Welchen? Ich kann Nichts erfinden. Thorheit! Ich will dir sagen, Lope, Alles was ich erfinden kann, entspricht nicht der hohen Idee, die ich von einem Drama habe. Ich versichere dich, ich habe im Kopfe mehr gearbeitet, als du meinst; ich habe es aber Alles wieder verwerfen müssen. Glaubst du, daß ich das nicht weiß? Aber es war doch zur Hälfte Faulheit. einmal so alt wie du, und habe schon viele hundert Stücke geschrieben, während du Nichts gethan hast. Ja, das ist es eben, sagte ruhig Fernando, du schreibst die Stücke, und ich schreibe sie nicht. Wenn Jemand sein ganzes Leben lang Stücke schreiben will und Nichts schreibt, dann hat er kein Talent, das scheint mir deutlich. Aber du hast Talent, sagte Lope, ich weiß es. Deine Gedichte, die du in Alcala machtest, waren viel, viel besser als meine, und nun sagst du auf einmal, du habest nicht Talent. Wenn du nur daran gehen wolltest und Etwas fertig machen, aber das kannst du nicht. Du hast dich allmählich so an das Nichtsthun und Weintrinken gewöhnt, daß du nicht mehr arbeiten kannst, und dein Gehirn so an das Faulenzen und Träumen, daß es schläfrig geworden ist. Möglich, sagte Fernando, aber es hat noch einen andern Grund. Welchen? Ich kann Nichts erfinden. Thorheit! Ich will dir sagen, Lope, Alles was ich erfinden kann, entspricht nicht der hohen Idee, die ich von einem Drama habe. Ich versichere dich, ich habe im Kopfe mehr gearbeitet, als du meinst; ich habe es aber Alles wieder verwerfen müssen. Glaubst du, daß ich das nicht weiß? Aber es war doch zur Hälfte Faulheit. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0012"/> einmal so alt wie du, und habe schon viele hundert Stücke geschrieben, während du Nichts gethan hast.</p><lb/> <p>Ja, das ist es eben, sagte ruhig Fernando, du schreibst die Stücke, und ich schreibe sie nicht. Wenn Jemand sein ganzes Leben lang Stücke schreiben will und Nichts schreibt, dann hat er kein Talent, das scheint mir deutlich.</p><lb/> <p>Aber du hast Talent, sagte Lope, ich weiß es. Deine Gedichte, die du in Alcala machtest, waren viel, viel besser als meine, und nun sagst du auf einmal, du habest nicht Talent. Wenn du nur daran gehen wolltest und Etwas fertig machen, aber das kannst du nicht. Du hast dich allmählich so an das Nichtsthun und Weintrinken gewöhnt, daß du nicht mehr arbeiten kannst, und dein Gehirn so an das Faulenzen und Träumen, daß es schläfrig geworden ist.</p><lb/> <p>Möglich, sagte Fernando, aber es hat noch einen andern Grund.</p><lb/> <p>Welchen?</p><lb/> <p>Ich kann Nichts erfinden.</p><lb/> <p>Thorheit!</p><lb/> <p>Ich will dir sagen, Lope, Alles was ich erfinden kann, entspricht nicht der hohen Idee, die ich von einem Drama habe. Ich versichere dich, ich habe im Kopfe mehr gearbeitet, als du meinst; ich habe es aber Alles wieder verwerfen müssen.</p><lb/> <p>Glaubst du, daß ich das nicht weiß? Aber es war doch zur Hälfte Faulheit.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
einmal so alt wie du, und habe schon viele hundert Stücke geschrieben, während du Nichts gethan hast.
Ja, das ist es eben, sagte ruhig Fernando, du schreibst die Stücke, und ich schreibe sie nicht. Wenn Jemand sein ganzes Leben lang Stücke schreiben will und Nichts schreibt, dann hat er kein Talent, das scheint mir deutlich.
Aber du hast Talent, sagte Lope, ich weiß es. Deine Gedichte, die du in Alcala machtest, waren viel, viel besser als meine, und nun sagst du auf einmal, du habest nicht Talent. Wenn du nur daran gehen wolltest und Etwas fertig machen, aber das kannst du nicht. Du hast dich allmählich so an das Nichtsthun und Weintrinken gewöhnt, daß du nicht mehr arbeiten kannst, und dein Gehirn so an das Faulenzen und Träumen, daß es schläfrig geworden ist.
Möglich, sagte Fernando, aber es hat noch einen andern Grund.
Welchen?
Ich kann Nichts erfinden.
Thorheit!
Ich will dir sagen, Lope, Alles was ich erfinden kann, entspricht nicht der hohen Idee, die ich von einem Drama habe. Ich versichere dich, ich habe im Kopfe mehr gearbeitet, als du meinst; ich habe es aber Alles wieder verwerfen müssen.
Glaubst du, daß ich das nicht weiß? Aber es war doch zur Hälfte Faulheit.
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Zitationshilfe: | Wolf, August: Der Stern der Schönheit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 303–322. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolf_schoenheit_1910/12>, abgerufen am 16.07.2024. |