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Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 2. Neustadt, 1832.

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Zeit! -- Wir können protestiren, aber was nützen Protestationen, was
ist davon zu hoffen? Die Regierungen hören eben so wenig auf Prote-
stationen, als auf die mächtige Opposition der öffentlichen Meinung.
Protestationen waffen- oder wehrloser Bürger sind in den Augen der
Regierungen nur lächerliche Vorstellungen; wenn wir daher protestiren,
so muß es uns auch Ernst seyn, unsere Forderungen durchzusetzen. Die
gerechtesten Ansprüche der Völker werden als unstatthaft abgewiesen,
und nur die hochverrätherischen Verfügungen der Regierungen unterthä-
nigst vollzogen werden, so lange die Völker unbewaffnet der rohen Ge-
walt blosgestellt sind. Zum Schutze unsrer Person, unsrer Ehre und
unsres Eigenthums, zur Erhaltung unsrer Rechte und zur Erringung
der wahren Würde der Menschheit bedürfen wir nicht blos einer freien
Verfassung, sondern auch einer kraftvollen Garantie der Verfassung
Die beste Garantie wäre eine allgemeine Bürgerbewaffnung. Betrach-
ten wir den Stand der Dinge wie er jetzt ist, so müssen wir auf die
schlimmsten Fälle vorbereitet seyn.

Mitbürger! Wenn heute die Regierungen, in der Meinung, die
Freiheit mit einem Streiche zu ersticken, unsre Volksmänner, die Vor-
kämpfer für Recht und Freiheit, mit Gewalt uns entreißen wollten,
könnten wir es dulden? Könnten wir es unvorbereitet mit Erfolg ver-
hindern? Können wir sie, unsre Volksmänner, sorglos den Gerichten
überlassen? Ja, wir haben herrliche Beispiele der Appellationsgerichte
in Baiern, aber kann dies uns auf die Dauer beruhigen? Sehen wir
nicht, wie die ehrenvollen Männer dieser Gerichte von der schamlosen
Willkür verfolgt, abgesetzt und versetzt werden? Wir sehen ihre Stellen
von, für die Volkssache incompetenten, für die Sache der Volksverrä-
ther aber competenten, Fürstenknechten ersetzen. So ist das Richteramt
dann überlassen dem Schläger über den Erschlagenen, dem Verräther
über den Verrathenen! -- Das Erhabenste wird das Opfer launischer
Ungeheuer, das Opfer einer Höllenbrut! Wird sich die Londoner Con-
ferenz eher auflösen als bis Belgien seinen Todesstoß erhalten? bis Ita-
lien in sein Grab zurückgewiesen? -- Und Polen? -- Was nicht im ge-
drückten Heldenlande durch den Barbarismus, das geht im freien --
Frankreich durch das Juste-Milieu zu Grunde. Dahin ist jenes Polen,
das zweimal Europa gerettet, es ist dahin! Und die undankbaren Söhne
Europa's können es dulden, wie ihre Retter zu Grunde gehen! Dies
Mitbürger, ist das Schicksal Einzelner, dies das Schicksal der Natio-
nen in den Händen der "von Gottes Gnaden"!

Hoffet nichts von Fürsten, und protestirt nicht mehr, denn hinter

Zeit! — Wir können proteſtiren, aber was nützen Proteſtationen, was
iſt davon zu hoffen? Die Regierungen hören eben ſo wenig auf Prote-
ſtationen, als auf die mächtige Oppoſition der öffentlichen Meinung.
Proteſtationen waffen- oder wehrloſer Bürger ſind in den Augen der
Regierungen nur lächerliche Vorſtellungen; wenn wir daher proteſtiren,
ſo muß es uns auch Ernſt ſeyn, unſere Forderungen durchzuſetzen. Die
gerechteſten Anſprüche der Völker werden als unſtatthaft abgewieſen,
und nur die hochverrätheriſchen Verfügungen der Regierungen unterthä-
nigſt vollzogen werden, ſo lange die Völker unbewaffnet der rohen Ge-
walt blosgeſtellt ſind. Zum Schutze unſrer Perſon, unſrer Ehre und
unſres Eigenthums, zur Erhaltung unſrer Rechte und zur Erringung
der wahren Würde der Menſchheit bedürfen wir nicht blos einer freien
Verfaſſung, ſondern auch einer kraftvollen Garantie der Verfaſſung
Die beſte Garantie wäre eine allgemeine Bürgerbewaffnung. Betrach-
ten wir den Stand der Dinge wie er jetzt iſt, ſo müſſen wir auf die
ſchlimmſten Fälle vorbereitet ſeyn.

Mitbürger! Wenn heute die Regierungen, in der Meinung, die
Freiheit mit einem Streiche zu erſticken, unſre Volksmänner, die Vor-
kämpfer für Recht und Freiheit, mit Gewalt uns entreißen wollten,
könnten wir es dulden? Könnten wir es unvorbereitet mit Erfolg ver-
hindern? Können wir ſie, unſre Volksmänner, ſorglos den Gerichten
überlaſſen? Ja, wir haben herrliche Beiſpiele der Appellationsgerichte
in Baiern, aber kann dies uns auf die Dauer beruhigen? Sehen wir
nicht, wie die ehrenvollen Männer dieſer Gerichte von der ſchamloſen
Willkür verfolgt, abgeſetzt und verſetzt werden? Wir ſehen ihre Stellen
von, für die Volksſache incompetenten, für die Sache der Volksverrä-
ther aber competenten, Fürſtenknechten erſetzen. So iſt das Richteramt
dann überlaſſen dem Schläger über den Erſchlagenen, dem Verräther
über den Verrathenen! — Das Erhabenſte wird das Opfer launiſcher
Ungeheuer, das Opfer einer Höllenbrut! Wird ſich die Londoner Con-
ferenz eher auflöſen als bis Belgien ſeinen Todesſtoß erhalten? bis Ita-
lien in ſein Grab zurückgewieſen? — Und Polen? — Was nicht im ge-
drückten Heldenlande durch den Barbarismus, das geht im freien —
Frankreich durch das Juſte-Milieu zu Grunde. Dahin iſt jenes Polen,
das zweimal Europa gerettet, es iſt dahin! Und die undankbaren Söhne
Europa’s können es dulden, wie ihre Retter zu Grunde gehen! Dies
Mitbürger, iſt das Schickſal Einzelner, dies das Schickſal der Natio-
nen in den Händen der „von Gottes Gnaden“!

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[86/0028] Zeit! — Wir können proteſtiren, aber was nützen Proteſtationen, was iſt davon zu hoffen? Die Regierungen hören eben ſo wenig auf Prote- ſtationen, als auf die mächtige Oppoſition der öffentlichen Meinung. Proteſtationen waffen- oder wehrloſer Bürger ſind in den Augen der Regierungen nur lächerliche Vorſtellungen; wenn wir daher proteſtiren, ſo muß es uns auch Ernſt ſeyn, unſere Forderungen durchzuſetzen. Die gerechteſten Anſprüche der Völker werden als unſtatthaft abgewieſen, und nur die hochverrätheriſchen Verfügungen der Regierungen unterthä- nigſt vollzogen werden, ſo lange die Völker unbewaffnet der rohen Ge- walt blosgeſtellt ſind. Zum Schutze unſrer Perſon, unſrer Ehre und unſres Eigenthums, zur Erhaltung unſrer Rechte und zur Erringung der wahren Würde der Menſchheit bedürfen wir nicht blos einer freien Verfaſſung, ſondern auch einer kraftvollen Garantie der Verfaſſung Die beſte Garantie wäre eine allgemeine Bürgerbewaffnung. Betrach- ten wir den Stand der Dinge wie er jetzt iſt, ſo müſſen wir auf die ſchlimmſten Fälle vorbereitet ſeyn. Mitbürger! Wenn heute die Regierungen, in der Meinung, die Freiheit mit einem Streiche zu erſticken, unſre Volksmänner, die Vor- kämpfer für Recht und Freiheit, mit Gewalt uns entreißen wollten, könnten wir es dulden? Könnten wir es unvorbereitet mit Erfolg ver- hindern? Können wir ſie, unſre Volksmänner, ſorglos den Gerichten überlaſſen? Ja, wir haben herrliche Beiſpiele der Appellationsgerichte in Baiern, aber kann dies uns auf die Dauer beruhigen? Sehen wir nicht, wie die ehrenvollen Männer dieſer Gerichte von der ſchamloſen Willkür verfolgt, abgeſetzt und verſetzt werden? Wir ſehen ihre Stellen von, für die Volksſache incompetenten, für die Sache der Volksverrä- ther aber competenten, Fürſtenknechten erſetzen. So iſt das Richteramt dann überlaſſen dem Schläger über den Erſchlagenen, dem Verräther über den Verrathenen! — Das Erhabenſte wird das Opfer launiſcher Ungeheuer, das Opfer einer Höllenbrut! Wird ſich die Londoner Con- ferenz eher auflöſen als bis Belgien ſeinen Todesſtoß erhalten? bis Ita- lien in ſein Grab zurückgewieſen? — Und Polen? — Was nicht im ge- drückten Heldenlande durch den Barbarismus, das geht im freien — Frankreich durch das Juſte-Milieu zu Grunde. Dahin iſt jenes Polen, das zweimal Europa gerettet, es iſt dahin! Und die undankbaren Söhne Europa’s können es dulden, wie ihre Retter zu Grunde gehen! Dies Mitbürger, iſt das Schickſal Einzelner, dies das Schickſal der Natio- nen in den Händen der „von Gottes Gnaden“! Hoffet nichts von Fürſten, und proteſtirt nicht mehr, denn hinter

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Zitationshilfe: Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 2. Neustadt, 1832, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest02_1832/28>, abgerufen am 23.11.2024.