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Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832.

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Fraget nicht, warum denn noch die Scheide
Feig das Schwert, das letzte Heil, verhüllt,
Nicht warum der Männermuth es leide,
Daß des Edlern Blick die Thräne füllt.
Sollen selbst den Stab wir brechen
Ueber unsres Volkes Schwächen?
Höhnend wird die Schande sprechen
Und zerreißen seinen Ehrenkranz.
Doch, o nein! ihr wacht ob seiner Ehren,
Schlingt als Kinder ihm den frischen Kranz,
Und dem Volk, daß wir so fromm verehren,
Löschet nie die Schmach den alten Glanz.
Mag der Sturm im Norden wüthen
Und verwehn der Freiheit Blüthen:
Wird der Süd die Keime hüten,
Bis herangereift die edle Frucht.
Muth, ja Muth! nicht wird uns Gott verlassen,
Folgen wir in Treue seinem Wort.
Feurig laßt uns lieben, feurig hassen
Und bereiten uns zum Drachenmord.
Wie der Lindwurm stolz sich brüstet,
Ihm nach unserm Blut gelüstet,
Wir sind alle wohl gerüstet,
Tragen kühnen Muth und Kraft von Gott.
Wenn der Sturm auch seine Flügel schwinget,
Und die Bosheit hemmt die große That;
Zaget nicht, weiß Gott, noch mancher ringet,
Mancher streut noch still des Guten Saat.
Ob die Schergen nächtlich schleichen,
Andre ruhn wie kalte Leichen:
Wir voll Gottvertrauen reichen
Uns die Hand und fördern wohl das Werk.
Nicht die Ferne trennt die Bruderherzen,
Hier die Hand, Gott zeugt uns, schlaget ein!
Ja, wir sehn uns, wenn sich, auszumerzen
Sklavenschmach, die Heldenschaaren reih'n.
Schafft nur weiter unverdrossen,
Wird auch noch, so's Gott beschlossen,
Mancher Leidenskelch genossen, --
Gottes Sache wird nicht untergehn!

Der würdige deutsche Veteran, Benzel-Sternau, welcher durch
unüberwindliche Hindernisse vom Feste leider abgehalten war, drückte in
einem Brief seinen Schmerz und in nachfolgenden Liedern seine patrio-
tischen Empfindungen aus:

Losungswort dem Mai der Teutschen.
Dein Blick so streng, o Mutter Zeit?
Kommt doch aus Mutteraugen! --
"Wie lange noch das Kinderkleid,
"Wollt nie zu Männern taugen?" --
Fraget nicht, warum denn noch die Scheide
Feig das Schwert, das letzte Heil, verhüllt,
Nicht warum der Männermuth es leide,
Daß des Edlern Blick die Thräne füllt.
Sollen ſelbſt den Stab wir brechen
Ueber unſres Volkes Schwächen?
Höhnend wird die Schande ſprechen
Und zerreißen ſeinen Ehrenkranz.
Doch, o nein! ihr wacht ob ſeiner Ehren,
Schlingt als Kinder ihm den friſchen Kranz,
Und dem Volk, daß wir ſo fromm verehren,
Löſchet nie die Schmach den alten Glanz.
Mag der Sturm im Norden wüthen
Und verwehn der Freiheit Blüthen:
Wird der Süd die Keime hüten,
Bis herangereift die edle Frucht.
Muth, ja Muth! nicht wird uns Gott verlaſſen,
Folgen wir in Treue ſeinem Wort.
Feurig laßt uns lieben, feurig haſſen
Und bereiten uns zum Drachenmord.
Wie der Lindwurm ſtolz ſich brüſtet,
Ihm nach unſerm Blut gelüſtet,
Wir ſind alle wohl gerüſtet,
Tragen kühnen Muth und Kraft von Gott.
Wenn der Sturm auch ſeine Flügel ſchwinget,
Und die Bosheit hemmt die große That;
Zaget nicht, weiß Gott, noch mancher ringet,
Mancher ſtreut noch ſtill des Guten Saat.
Ob die Schergen nächtlich ſchleichen,
Andre ruhn wie kalte Leichen:
Wir voll Gottvertrauen reichen
Uns die Hand und fördern wohl das Werk.
Nicht die Ferne trennt die Bruderherzen,
Hier die Hand, Gott zeugt uns, ſchlaget ein!
Ja, wir ſehn uns, wenn ſich, auszumerzen
Sklavenſchmach, die Heldenſchaaren reih’n.
Schafft nur weiter unverdroſſen,
Wird auch noch, ſo’s Gott beſchloſſen,
Mancher Leidenskelch genoſſen, —
Gottes Sache wird nicht untergehn!

Der würdige deutſche Veteran, Benzel-Sternau, welcher durch
unüberwindliche Hinderniſſe vom Feſte leider abgehalten war, drückte in
einem Brief ſeinen Schmerz und in nachfolgenden Liedern ſeine patrio-
tiſchen Empfindungen aus:

Loſungswort dem Mai der Teutſchen.
Dein Blick ſo ſtreng, o Mutter Zeit?
Kommt doch aus Mutteraugen! —
„Wie lange noch das Kinderkleid,
„Wollt nie zu Männern taugen?“ —
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[27/0035] Fraget nicht, warum denn noch die Scheide Feig das Schwert, das letzte Heil, verhüllt, Nicht warum der Männermuth es leide, Daß des Edlern Blick die Thräne füllt. Sollen ſelbſt den Stab wir brechen Ueber unſres Volkes Schwächen? Höhnend wird die Schande ſprechen Und zerreißen ſeinen Ehrenkranz. Doch, o nein! ihr wacht ob ſeiner Ehren, Schlingt als Kinder ihm den friſchen Kranz, Und dem Volk, daß wir ſo fromm verehren, Löſchet nie die Schmach den alten Glanz. Mag der Sturm im Norden wüthen Und verwehn der Freiheit Blüthen: Wird der Süd die Keime hüten, Bis herangereift die edle Frucht. Muth, ja Muth! nicht wird uns Gott verlaſſen, Folgen wir in Treue ſeinem Wort. Feurig laßt uns lieben, feurig haſſen Und bereiten uns zum Drachenmord. Wie der Lindwurm ſtolz ſich brüſtet, Ihm nach unſerm Blut gelüſtet, Wir ſind alle wohl gerüſtet, Tragen kühnen Muth und Kraft von Gott. Wenn der Sturm auch ſeine Flügel ſchwinget, Und die Bosheit hemmt die große That; Zaget nicht, weiß Gott, noch mancher ringet, Mancher ſtreut noch ſtill des Guten Saat. Ob die Schergen nächtlich ſchleichen, Andre ruhn wie kalte Leichen: Wir voll Gottvertrauen reichen Uns die Hand und fördern wohl das Werk. Nicht die Ferne trennt die Bruderherzen, Hier die Hand, Gott zeugt uns, ſchlaget ein! Ja, wir ſehn uns, wenn ſich, auszumerzen Sklavenſchmach, die Heldenſchaaren reih’n. Schafft nur weiter unverdroſſen, Wird auch noch, ſo’s Gott beſchloſſen, Mancher Leidenskelch genoſſen, — Gottes Sache wird nicht untergehn! Der würdige deutſche Veteran, Benzel-Sternau, welcher durch unüberwindliche Hinderniſſe vom Feſte leider abgehalten war, drückte in einem Brief ſeinen Schmerz und in nachfolgenden Liedern ſeine patrio- tiſchen Empfindungen aus: Loſungswort dem Mai der Teutſchen. Dein Blick ſo ſtreng, o Mutter Zeit? Kommt doch aus Mutteraugen! — „Wie lange noch das Kinderkleid, „Wollt nie zu Männern taugen?“ —

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Zitationshilfe: Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest01_1832/35>, abgerufen am 21.11.2024.