Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.unter den Römischen Kaisern. Alle andere Statuen, welche Nero aus Griechenland führen ließ, Von dem Stile der Künstler, die unter diesem Kaiser geblühet haben,c. Kinne ist müßig: hier aber ist das Gegentheil. Die ganze Figur ist vorwerts geworfen, und ruht auf dem linken Schenkel, und das rechte Bein ist hinterwerts auf das äußerste ausgestrecket. Der rechte Arm ist neu, und man hat ihm in der Hand ein Stück von einer Lanze gegeben; auf dem linken Arme sieht man den Riem von dem Schilde, wel- chen er gehalten hat. Betrachtet man, daß der Kopf und die Augen aufwerts gerich- tet sind, und daß die Figur sich mit dem Schilde vor etwas, das von oben her kommt, zu verwahren scheint, so könnte man diese Statue mit mehrerem Rechte für eine Vor- stellung eines Soldaten halten, welcher sich in einem gefährlichen Stande besonders ver- dient gemachet hat: denn Fechtern in Schauspielen ist die Ehre einer Statue unter den Griechen vermuthlich niemals wiederfahren: und dieses Werk scheint älter, als die Ein- führung der Fechter unter den Griechen zu seyn. 1) Plin. L. 34. c. 19. 2) Sueton. Ner. c. 38. 3) Plin. L. 35. c. 37. D d d 2
unter den Roͤmiſchen Kaiſern. Alle andere Statuen, welche Nero aus Griechenland fuͤhren ließ, Von dem Stile der Kuͤnſtler, die unter dieſem Kaiſer gebluͤhet haben,c. Kinne iſt muͤßig: hier aber iſt das Gegentheil. Die ganze Figur iſt vorwerts geworfen, und ruht auf dem linken Schenkel, und das rechte Bein iſt hinterwerts auf das aͤußerſte ausgeſtrecket. Der rechte Arm iſt neu, und man hat ihm in der Hand ein Stuͤck von einer Lanze gegeben; auf dem linken Arme ſieht man den Riem von dem Schilde, wel- chen er gehalten hat. Betrachtet man, daß der Kopf und die Augen aufwerts gerich- tet ſind, und daß die Figur ſich mit dem Schilde vor etwas, das von oben her kommt, zu verwahren ſcheint, ſo koͤnnte man dieſe Statue mit mehrerem Rechte fuͤr eine Vor- ſtellung eines Soldaten halten, welcher ſich in einem gefaͤhrlichen Stande beſonders ver- dient gemachet hat: denn Fechtern in Schauſpielen iſt die Ehre einer Statue unter den Griechen vermuthlich niemals wiederfahren: und dieſes Werk ſcheint aͤlter, als die Ein- fuͤhrung der Fechter unter den Griechen zu ſeyn. 1) Plin. L. 34. c. 19. 2) Sueton. Ner. c. 38. 3) Plin. L. 35. c. 37. D d d 2
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unter den Roͤmiſchen Kaiſern.
Alle andere Statuen, welche Nero aus Griechenland fuͤhren ließ,
dieneten, deſſen ſogenannten goldenen Pallaſt auszuzieren 1). Jn dem
großen Brande von Rom, vor Auffuͤhrung dieſes Gebaͤudes, in welchem
von vierzehen Viertheilen der Stadt nur vier unbeſchaͤdigt blieben, gien-
gen zugleich unendlich viel Werke der Kunſt zu Grunde 2); und da ſich
ſehr viele Spuren von alten Ergaͤnzungen finden, ſo koͤnnten viele von den
beſchaͤdigten und zerſtuͤmmelten Werken damals gelitten haben. An dem
beruͤhmten Torſo im Belvedere ſieht man das Geſaͤß hinten rauh behauen,
wie bey Ergaͤnzungen geſchehen muß, und auch die Eiſen, das angeſetzte
Theil an das Alte zu befeſtigen. Es iſt beſonders, daß unter dem Nero
zuerſt auf Leinewand gemalet worden, bey Gelegenheit ſeiner Figur von
hundert und zwanzig Fuß hoch, und daß dieſer Prinz, welcher naͤrriſch
verliebt war in alles, was Griechiſch hieß, ſeinen Pallaſt durch einen Roͤ-
miſchen Kuͤnſtler Amulius ausmalen ließ 3).
Von dem Stile der Kuͤnſtler, die unter dieſem Kaiſer gebluͤhet haben,
koͤnnen wir aus ihren Werken nicht urtheilen: denn es ſind wenige, oder
gar keine uͤbrig. Die wahren Koͤpfe des Nero ſind ſehr ſelten, und an dem
im Campidoglio iſt nur das Untertheil des Geſichts alt: in dem erhabenen
Kinne
2)
c.
Koͤpfe des Ne-
ro, und Sta-
tuen der A-
grippina, und
anderer.
1) Plin. L. 34. c. 19.
2) Sueton. Ner. c. 38.
3) Plin. L. 35. c. 37.
2) iſt muͤßig: hier aber iſt das Gegentheil. Die ganze Figur iſt vorwerts geworfen, und
ruht auf dem linken Schenkel, und das rechte Bein iſt hinterwerts auf das aͤußerſte
ausgeſtrecket. Der rechte Arm iſt neu, und man hat ihm in der Hand ein Stuͤck von
einer Lanze gegeben; auf dem linken Arme ſieht man den Riem von dem Schilde, wel-
chen er gehalten hat. Betrachtet man, daß der Kopf und die Augen aufwerts gerich-
tet ſind, und daß die Figur ſich mit dem Schilde vor etwas, das von oben her kommt,
zu verwahren ſcheint, ſo koͤnnte man dieſe Statue mit mehrerem Rechte fuͤr eine Vor-
ſtellung eines Soldaten halten, welcher ſich in einem gefaͤhrlichen Stande beſonders ver-
dient gemachet hat: denn Fechtern in Schauſpielen iſt die Ehre einer Statue unter den
Griechen vermuthlich niemals wiederfahren: und dieſes Werk ſcheint aͤlter, als die Ein-
fuͤhrung der Fechter unter den Griechen zu ſeyn.
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