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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

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der Zeit unter den Griechen betrachtet.

Man wird hier ein Urtheil erwarten über zween geschnittene Steineb.
Von vermeyn-
ten geschnitte-
nen Steinen
des Pyrgote-
les aus dieser
Zeit.

mit Köpfen des Alexanders und des Phocions, auf welchen der Name
Pyrgoteles steht 1), der nur allein das Recht hatte, den Kopf dieses Kö-
nigs zu schneiden. Besagte Stücke sind in allen Schriften für eine Arbeit
dieses Meisters erkannt, und es wird eine Verwegenheit scheinen, dem er-
sten das vorgegebene Alterthum abzusprechen. Den Stein, mit dem ver-
meynten Kopfe des Phocions, welcher ein Cameo ist, hat weder Bello-
ri
2), noch der Herr von Stosch gesehen, sondern beyde haben nur nach
einem Abgusse geurtheilet, welcher von einem schlechten Abdrucke in Sie-
gellack genommen war: denn der Stein war in dem Gräflichen Hause Ca-
stiglione,
entfernet von Rom, und es war nicht zu erhalten, denselben
nach Rom zu übermachen, um ihn richtig zu formen und in Schwefel ab-
zugießen. Der itzige Besitzer desselben ist der Herr Cardinal Alex. Albani,
und ich kann von diesem Steine urtheilen, weil ich ihn unter den Händen
habe 3). Erstlich hat die Form der Buchstaben von dem Namen Phocion
sowohl, als des Pyrgoteles, nicht das Alterthum dieser Zeit; hernach ist
die Arbeit unter dem Begriffe von einem so berühmten Künstler. Alt ist
der Kopf, und der Name Phocion wird es auch seyn, aber nicht der Na-
me der Person, sondern des Steinschneiders: der Name Pyrgoteles aber
wird in neuern Zeiten zugesetzet worden seyn. Herr Zanetti in Venedig
besitzet einen diesem ähnlichen Stein 4), welches glaublich eben derselbe ist,
von welchem Vasari Nachricht ertheilet 5), von Alexander Cesari, mit

dem
1) Stosch Pier. grav. n. 55. 56.
2) Imag. illustr. Viror. fol. 85. p. 10.
3) Es geht eine Sage umher, der Herr Cardinal habe denselben für 1200 Sendi, andere
wollen Zecchini, erstanden, welches beydes falsch ist; er erhielt denselben zum Geschen-
ke von dem noch lebenden Canonico Castiglione.
4) Gori Dactyl. Zanet. tav. 3.
5) Vite de' Pitt. P. 3. p. 291. ed. Fir. 1568. conf. Venati Praef. ad Num. Pontif. Rom.
p. XXII.
der Zeit unter den Griechen betrachtet.

Man wird hier ein Urtheil erwarten uͤber zween geſchnittene Steineb.
Von vermeyn-
ten geſchnitte-
nen Steinen
des Pyrgote-
les aus dieſer
Zeit.

mit Koͤpfen des Alexanders und des Phocions, auf welchen der Name
Pyrgoteles ſteht 1), der nur allein das Recht hatte, den Kopf dieſes Koͤ-
nigs zu ſchneiden. Beſagte Stuͤcke ſind in allen Schriften fuͤr eine Arbeit
dieſes Meiſters erkannt, und es wird eine Verwegenheit ſcheinen, dem er-
ſten das vorgegebene Alterthum abzuſprechen. Den Stein, mit dem ver-
meynten Kopfe des Phocions, welcher ein Cameo iſt, hat weder Bello-
ri
2), noch der Herr von Stoſch geſehen, ſondern beyde haben nur nach
einem Abguſſe geurtheilet, welcher von einem ſchlechten Abdrucke in Sie-
gellack genommen war: denn der Stein war in dem Graͤflichen Hauſe Ca-
ſtiglione,
entfernet von Rom, und es war nicht zu erhalten, denſelben
nach Rom zu uͤbermachen, um ihn richtig zu formen und in Schwefel ab-
zugießen. Der itzige Beſitzer deſſelben iſt der Herr Cardinal Alex. Albani,
und ich kann von dieſem Steine urtheilen, weil ich ihn unter den Haͤnden
habe 3). Erſtlich hat die Form der Buchſtaben von dem Namen Phocion
ſowohl, als des Pyrgoteles, nicht das Alterthum dieſer Zeit; hernach iſt
die Arbeit unter dem Begriffe von einem ſo beruͤhmten Kuͤnſtler. Alt iſt
der Kopf, und der Name Phocion wird es auch ſeyn, aber nicht der Na-
me der Perſon, ſondern des Steinſchneiders: der Name Pyrgoteles aber
wird in neuern Zeiten zugeſetzet worden ſeyn. Herr Zanetti in Venedig
beſitzet einen dieſem aͤhnlichen Stein 4), welches glaublich eben derſelbe iſt,
von welchem Vaſari Nachricht ertheilet 5), von Alexander Ceſari, mit

dem
1) Stoſch Pier. grav. n. 55. 56.
2) Imag. illuſtr. Viror. fol. 85. p. 10.
3) Es geht eine Sage umher, der Herr Cardinal habe denſelben fuͤr 1200 Sendi, andere
wollen Zecchini, erſtanden, welches beydes falſch iſt; er erhielt denſelben zum Geſchen-
ke von dem noch lebenden Canonico Caſtiglione.
4) Gori Dactyl. Zanet. tav. 3.
5) Vite de’ Pitt. P. 3. p. 291. ed. Fir. 1568. conf. Venati Praef. ad Num. Pontif. Rom.
p. XXII.
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[351/0039] der Zeit unter den Griechen betrachtet. Man wird hier ein Urtheil erwarten uͤber zween geſchnittene Steine mit Koͤpfen des Alexanders und des Phocions, auf welchen der Name Pyrgoteles ſteht 1), der nur allein das Recht hatte, den Kopf dieſes Koͤ- nigs zu ſchneiden. Beſagte Stuͤcke ſind in allen Schriften fuͤr eine Arbeit dieſes Meiſters erkannt, und es wird eine Verwegenheit ſcheinen, dem er- ſten das vorgegebene Alterthum abzuſprechen. Den Stein, mit dem ver- meynten Kopfe des Phocions, welcher ein Cameo iſt, hat weder Bello- ri 2), noch der Herr von Stoſch geſehen, ſondern beyde haben nur nach einem Abguſſe geurtheilet, welcher von einem ſchlechten Abdrucke in Sie- gellack genommen war: denn der Stein war in dem Graͤflichen Hauſe Ca- ſtiglione, entfernet von Rom, und es war nicht zu erhalten, denſelben nach Rom zu uͤbermachen, um ihn richtig zu formen und in Schwefel ab- zugießen. Der itzige Beſitzer deſſelben iſt der Herr Cardinal Alex. Albani, und ich kann von dieſem Steine urtheilen, weil ich ihn unter den Haͤnden habe 3). Erſtlich hat die Form der Buchſtaben von dem Namen Phocion ſowohl, als des Pyrgoteles, nicht das Alterthum dieſer Zeit; hernach iſt die Arbeit unter dem Begriffe von einem ſo beruͤhmten Kuͤnſtler. Alt iſt der Kopf, und der Name Phocion wird es auch ſeyn, aber nicht der Na- me der Perſon, ſondern des Steinſchneiders: der Name Pyrgoteles aber wird in neuern Zeiten zugeſetzet worden ſeyn. Herr Zanetti in Venedig beſitzet einen dieſem aͤhnlichen Stein 4), welches glaublich eben derſelbe iſt, von welchem Vaſari Nachricht ertheilet 5), von Alexander Ceſari, mit dem b. Von vermeyn- ten geſchnitte- nen Steinen des Pyrgote- les aus dieſer Zeit. 1) Stoſch Pier. grav. n. 55. 56. 2) Imag. illuſtr. Viror. fol. 85. p. 10. 3) Es geht eine Sage umher, der Herr Cardinal habe denſelben fuͤr 1200 Sendi, andere wollen Zecchini, erſtanden, welches beydes falſch iſt; er erhielt denſelben zum Geſchen- ke von dem noch lebenden Canonico Caſtiglione. 4) Gori Dactyl. Zanet. tav. 3. 5) Vite de’ Pitt. P. 3. p. 291. ed. Fir. 1568. conf. Venati Praef. ad Num. Pontif. Rom. p. XXII.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/39>, abgerufen am 21.11.2024.