Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.II Theil. Von der Kunst, nach den äußern Umständen eben derselben Schule, und seine mehresten Werke waren in Erzt, unterwelchen sein Discobolus, oder einer, welcher mit dem Discus wirft, noch mehr aber seine Kuh, berühmt ist. Derjenige Myron, welcher die Statue des Ladas, eines Läufers Alexanders des Großen, gearbeitet, kann also nicht Myron, der Schüler des Ageladas, seyn. Scopas war von der Jnsel Paros: eine unbekleidete Venus von ihm, welche zu Rom war, wurde des Praxiteles Statue dieser Göttin vorgezogen. Jhm wurde auch von einigen die Niobe zu Rom, von andern aber dem Praxiteles zugeschrie- ben, wie Plinius und eine Sinnschrift auf dieselbe anzeigen 1). Sonderlich der Niobe. Wenn man annimmt, daß das bekannte Gruppo in der Villa Medi- Töchtern, 1) L. 36. c. 4. n. 8. Anthol. L. 4. c. 3.
II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden eben derſelben Schule, und ſeine mehreſten Werke waren in Erzt, unterwelchen ſein Diſcobolus, oder einer, welcher mit dem Diſcus wirft, noch mehr aber ſeine Kuh, beruͤhmt iſt. Derjenige Myron, welcher die Statue des Ladas, eines Laͤufers Alexanders des Großen, gearbeitet, kann alſo nicht Myron, der Schuͤler des Ageladas, ſeyn. Scopas war von der Jnſel Paros: eine unbekleidete Venus von ihm, welche zu Rom war, wurde des Praxiteles Statue dieſer Goͤttin vorgezogen. Jhm wurde auch von einigen die Niobe zu Rom, von andern aber dem Praxiteles zugeſchrie- ben, wie Plinius und eine Sinnſchrift auf dieſelbe anzeigen 1). Sonderlich der Niobe. Wenn man annimmt, daß das bekannte Gruppo in der Villa Medi- Toͤchtern, 1) L. 36. c. 4. n. 8. Anthol. L. 4. c. 3.
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II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden
eben derſelben Schule, und ſeine mehreſten Werke waren in Erzt, unter
welchen ſein Diſcobolus, oder einer, welcher mit dem Diſcus wirft, noch
mehr aber ſeine Kuh, beruͤhmt iſt. Derjenige Myron, welcher die Statue
des Ladas, eines Laͤufers Alexanders des Großen, gearbeitet, kann alſo
nicht Myron, der Schuͤler des Ageladas, ſeyn. Scopas war von der
Jnſel Paros: eine unbekleidete Venus von ihm, welche zu Rom war,
wurde des Praxiteles Statue dieſer Goͤttin vorgezogen. Jhm wurde auch
von einigen die Niobe zu Rom, von andern aber dem Praxiteles zugeſchrie-
ben, wie Plinius und eine Sinnſchrift auf dieſelbe anzeigen 1).
Wenn man annimmt, daß das bekannte Gruppo in der Villa Medi-
cis eben die Niobe iſt, von welcher Plinius redet, ſo wuͤrde aus der Jdea
der hohen Schoͤnheit in den Koͤpfen, von welcher ich im erſten Theile einen
Begriff gegeben, und aus der reinen Einfalt in Gewaͤndern, ſonderlich der
beyden juͤngern Toͤchter, die Wahrſcheinlichkeit fuͤr den Scopas ſtaͤrker,
als fuͤr den Praxiteles, ſeyn; da jener faſt hundert Jahre aͤlter iſt, als die-
ſer. Wollte jemand, welcher nicht Kenntniß genug hat, zweifeln, ob die
Niobe ein Original, oder eine Copie iſt, da ein paar Figuren dieſes Grup-
po nicht von eben der Hand, und in der That geringer zu achten ſind, ſo
wuͤrde dieſes dennoch den vornehmſten Kenntniſſen der Kunſt, welche aus
dieſem Werke zu ziehen ſind, nichts nehmen, und dieſer Zweifel machete
das Urtheil uͤber die Arbeit des Scopas nicht grundlos. Denn da ein ſo
großes und aus vielen Figuren beſtehendes Werk dieſes Kuͤnſtlers, allezeit
das erſte wird geblieben ſeyn unter denen, welche ſich eben dieſe Vorſtellung
gewaͤhlet haben, ſo wird auch daſſelbe von andern auf das genaueſte nach-
geahmet ſeyn, und wir koͤnnten aus der Copie allezeit von dem Stil des
erſten Meiſters urtheilen. Es ſind in der That Wiederholungen einiger
Figuren in eben dieſer Villa und im Campidoglio; hier eine von den
Toͤchtern,
1) L. 36. c. 4. n. 8. Anthol. L. 4. c. 3.
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