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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst.
ciern, mit welchen die Griechen sehr zeitig Verkehr hatten, von welchen
diese auch durch den Cadmus ihre ersten Buchstaben sollen bekommen
haben. Mit den Phöniciern standen in den ältesten Zeiten, vor dem Cy-
rus, auch die Hetrurier, welche 1) mächtig waren zur See, in Bündniß,
wovon unter andern die gemeinschaftliche Flotte, 2) welche sie wider die
Phocäer ausrüsteten, ein Beweis ist.

Es war unter den Künstlern dieser Völker ein gemeiner Gebrauch, ihreXI.
Aehnlicher
Gebrauch bey
gedachten drey
Völkern die
Figuren mit
Schrift zu
bezeichnen.

Werke mit Schrift zu bezeichnen: die Aegypter setzten dieselbe auf die Base
und an die Säule an welcher die Figuren stehen, die ältesten Griechen aber,
wie die Hetrurier, auf die Figur selbst. Auf 3) dem Schenkel der Statue
eines Olympischen Siegers zu Elis standen zween Griechische Verse, und
4) an der Seite eines Pferdes, an eben diesem Orte, von einem Dionysius
aus Argos verfertiget, war eine Inschrift gesetzet; so gar Myron setzte
noch seinen Namen 5) auf dem Schenkel eines Apollo, mit eingelegten sil-
bernen Buchstaben; und im fünften Capitel werde ich von einer noch vor-
handenen Statue in Erzt reden, welche ebenfalls auf dem Schenkel eine Rö-
mische Inschrift hat.

Die allerälteste Gestalt der Figuren war bey den Griechen auch inXII.
Erklärung der
Aehnlichkeit
der Aegypti-
schen und
Griechischen
ältesten Figu-
ren.

Stand und Handlung den Aegyptischen ähnlich, und Strabo bezeichnet das
Gegentheil durch ein Wort, welches eigentlich 6) verdrehet heißt, und bey
ihm Figuren bedeutet, welche nicht mehr, wie in den ältesten Zeiten, völ-
lig gerade, und ohne alle Bewegung waren, sondern in mancherley Stel-

lungen
1) Pausan. L. 10. p. 836. l. 2.
2) Herodot. L. 1. p. 43. l. 3.
3) Pausan. L. 5. p. 450. l. 12.
4) Id. L. 5. p. 448.
5) Cic. Verr. 4. c. 43.
6) Geogr. L. 15. p. 948. - en paralia tes nesou Samou - en men arkhaiois (ton [fremdsprachliches Material]aon)
arkhaia esi xoana, en de tais useron Skolia erga.
Winckelm. Gesch. der Kunst. B

Von dem Urſprunge und Anfange der Kunſt.
ciern, mit welchen die Griechen ſehr zeitig Verkehr hatten, von welchen
dieſe auch durch den Cadmus ihre erſten Buchſtaben ſollen bekommen
haben. Mit den Phoͤniciern ſtanden in den aͤlteſten Zeiten, vor dem Cy-
rus, auch die Hetrurier, welche 1) maͤchtig waren zur See, in Buͤndniß,
wovon unter andern die gemeinſchaftliche Flotte, 2) welche ſie wider die
Phocaͤer ausruͤſteten, ein Beweis iſt.

Es war unter den Kuͤnſtlern dieſer Voͤlker ein gemeiner Gebrauch, ihreXI.
Aehnlicher
Gebrauch bey
gedachten drey
Voͤlkern die
Figuren mit
Schrift zu
bezeichnen.

Werke mit Schrift zu bezeichnen: die Aegypter ſetzten dieſelbe auf die Baſe
und an die Saͤule an welcher die Figuren ſtehen, die aͤlteſten Griechen aber,
wie die Hetrurier, auf die Figur ſelbſt. Auf 3) dem Schenkel der Statue
eines Olympiſchen Siegers zu Elis ſtanden zween Griechiſche Verſe, und
4) an der Seite eines Pferdes, an eben dieſem Orte, von einem Dionyſius
aus Argos verfertiget, war eine Inſchrift geſetzet; ſo gar Myron ſetzte
noch ſeinen Namen 5) auf dem Schenkel eines Apollo, mit eingelegten ſil-
bernen Buchſtaben; und im fuͤnften Capitel werde ich von einer noch vor-
handenen Statue in Erzt reden, welche ebenfalls auf dem Schenkel eine Roͤ-
miſche Inſchrift hat.

Die alleraͤlteſte Geſtalt der Figuren war bey den Griechen auch inXII.
Erklaͤrung der
Aehnlichkeit
der Aegypti-
ſchen und
Griechiſchen
aͤlteſten Figu-
ren.

Stand und Handlung den Aegyptiſchen aͤhnlich, und Strabo bezeichnet das
Gegentheil durch ein Wort, welches eigentlich 6) verdrehet heißt, und bey
ihm Figuren bedeutet, welche nicht mehr, wie in den aͤlteſten Zeiten, voͤl-
lig gerade, und ohne alle Bewegung waren, ſondern in mancherley Stel-

lungen
1) Pauſan. L. 10. p. 836. l. 2.
2) Herodot. L. 1. p. 43. l. 3.
3) Pauſan. L. 5. p. 450. l. 12.
4) Id. L. 5. p. 448.
5) Cic. Verr. 4. c. 43.
6) Geogr. L. 15. p. 948. ‒ ἐν παραλίᾳ τῆς νήσου Σάμου ‒ ἐν μἐν ἀρχαίοις (τῶν [fremdsprachliches Material]αῶν)
ἀρχαῖά ἐςι ξόανα, ἐν δὲ ταῖς ὕςερον Σκολιὰ ἔργα.
Winckelm. Geſch. der Kunſt. B
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[9/0059] Von dem Urſprunge und Anfange der Kunſt. ciern, mit welchen die Griechen ſehr zeitig Verkehr hatten, von welchen dieſe auch durch den Cadmus ihre erſten Buchſtaben ſollen bekommen haben. Mit den Phoͤniciern ſtanden in den aͤlteſten Zeiten, vor dem Cy- rus, auch die Hetrurier, welche 1) maͤchtig waren zur See, in Buͤndniß, wovon unter andern die gemeinſchaftliche Flotte, 2) welche ſie wider die Phocaͤer ausruͤſteten, ein Beweis iſt. Es war unter den Kuͤnſtlern dieſer Voͤlker ein gemeiner Gebrauch, ihre Werke mit Schrift zu bezeichnen: die Aegypter ſetzten dieſelbe auf die Baſe und an die Saͤule an welcher die Figuren ſtehen, die aͤlteſten Griechen aber, wie die Hetrurier, auf die Figur ſelbſt. Auf 3) dem Schenkel der Statue eines Olympiſchen Siegers zu Elis ſtanden zween Griechiſche Verſe, und 4) an der Seite eines Pferdes, an eben dieſem Orte, von einem Dionyſius aus Argos verfertiget, war eine Inſchrift geſetzet; ſo gar Myron ſetzte noch ſeinen Namen 5) auf dem Schenkel eines Apollo, mit eingelegten ſil- bernen Buchſtaben; und im fuͤnften Capitel werde ich von einer noch vor- handenen Statue in Erzt reden, welche ebenfalls auf dem Schenkel eine Roͤ- miſche Inſchrift hat. XI. Aehnlicher Gebrauch bey gedachten drey Voͤlkern die Figuren mit Schrift zu bezeichnen. Die alleraͤlteſte Geſtalt der Figuren war bey den Griechen auch in Stand und Handlung den Aegyptiſchen aͤhnlich, und Strabo bezeichnet das Gegentheil durch ein Wort, welches eigentlich 6) verdrehet heißt, und bey ihm Figuren bedeutet, welche nicht mehr, wie in den aͤlteſten Zeiten, voͤl- lig gerade, und ohne alle Bewegung waren, ſondern in mancherley Stel- lungen XII. Erklaͤrung der Aehnlichkeit der Aegypti- ſchen und Griechiſchen aͤlteſten Figu- ren. 1) Pauſan. L. 10. p. 836. l. 2. 2) Herodot. L. 1. p. 43. l. 3. 3) Pauſan. L. 5. p. 450. l. 12. 4) Id. L. 5. p. 448. 5) Cic. Verr. 4. c. 43. 6) Geogr. L. 15. p. 948. ‒ ἐν παραλίᾳ τῆς νήσου Σάμου ‒ ἐν μἐν ἀρχαίοις (τῶν _ αῶν) ἀρχαῖά ἐςι ξόανα, ἐν δὲ ταῖς ὕςερον Σκολιὰ ἔργα. Winckelm. Geſch. der Kunſt. B

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/59>, abgerufen am 22.11.2024.