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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von der Kunst unter den Römern.
genannt, gehauen. Die Inschrift der Columna Rostralis des C. Duil-
lius von eben der Zeit, wird auch nur von solchem Steine gewesen seyn, und
nicht aus Marmor, wie aus einer Stelle des Silius vorgegeben wird 1):
denn die Ueberbleibsel von der itzigen Inschrift sind offenbar von späterer Zeit.

Bis an das Jahr 454. der Stadt Rom, das ist, bis zu der 120.
Olympias, hatten die Statuen in Rom, wie die Bürger, lange Haare,
und lange Bärte 2), weil nur allererst in gedachtem Jahre Barbierer aus
Sicilien nach Rom kamen 3); und Livius berichtet 4), daß der Consul M. Li-
vius, welcher aus Verdruß sich von der Stadt entfernet, und den Bart wach-
sen lassen, sich denselben abgenommen, da er von dem Rathe bewegt wurde,
wiederum zu erscheinen. Der ältere Scipio Africanus trug lange Haare 5),
da Masinissa die erste Unterredung mit demselben hielt: dessen Köpfe aber
in Marmor und Basalt sind alle ganz kahl geschoren vorgestellet, nemlich in
spätern Männlichen Jahren.

Die Malerey wurde in dem zweyten Punischen Kriege auch von denC.
Bis zu der
CXX. Olym-
pias.

edlen Römern geübt, und Q. Fabius, welcher nach der unglückl. Schlacht
bey Cannä an das Orakel zu Delphos geschickt wurde, bekam von der Kunst
den Namen Pictor 6). Ein paar Jahre nach gedachter Schlacht, ließ
Tiberius Gracchus die Lustbarkeit seines Heers zu Benevent, nach dem
Siege über den Hanno bey Luceria, in dem Tempel der Freyheit zu Rom
malen 7). Die Soldaten wurden von den Beneventanern auf den Gassen der
Stadt bewirthet, und da der mehreste Theil bewafnete Knechte waren, de-
nen Gracchus, in Ansehung der einige Jahre geleisteten Kriegsdienste, vor die-
ser Schlacht, mit Genehmhaltung des Senats, die Freyheit versprochen
hatte, so speiseten diese mit Hüthen und mit weißen wollenen Binden um
den Kopf, zum Zeichen der Freylassung. Unter diesen aber hatten viele
nicht völlig ihr Gebühr bewiesen, welchen zur Strafe auferlegt wurde, daß
sie während den Krieg nicht anders, als stehend, essen und trinken sollten;

in
1) Rycq. de Capitol. c. 33. p. 124.
2) Varro de re rust. L. 2. c. 11. p. 54. Cic. Orat. pro M. Coelio, c. 14.
3) Plutarch. Camil. p. 254. l. 24.
4) L. 27. c. 34.
5) Liv. L. 28. c. 35.
6) Id. L. 22. c. 7.
7) Id. L. 24. c. 16.
Winckelm. Gesch. der Kunst. P p

Von der Kunſt unter den Roͤmern.
genannt, gehauen. Die Inſchrift der Columna Roſtralis des C. Duil-
lius von eben der Zeit, wird auch nur von ſolchem Steine geweſen ſeyn, und
nicht aus Marmor, wie aus einer Stelle des Silius vorgegeben wird 1):
denn die Ueberbleibſel von der itzigen Inſchrift ſind offenbar von ſpaͤterer Zeit.

Bis an das Jahr 454. der Stadt Rom, das iſt, bis zu der 120.
Olympias, hatten die Statuen in Rom, wie die Buͤrger, lange Haare,
und lange Baͤrte 2), weil nur allererſt in gedachtem Jahre Barbierer aus
Sicilien nach Rom kamen 3); und Livius berichtet 4), daß der Conſul M. Li-
vius, welcher aus Verdruß ſich von der Stadt entfernet, und den Bart wach-
ſen laſſen, ſich denſelben abgenommen, da er von dem Rathe bewegt wurde,
wiederum zu erſcheinen. Der aͤltere Scipio Africanus trug lange Haare 5),
da Maſiniſſa die erſte Unterredung mit demſelben hielt: deſſen Koͤpfe aber
in Marmor und Baſalt ſind alle ganz kahl geſchoren vorgeſtellet, nemlich in
ſpaͤtern Maͤnnlichen Jahren.

Die Malerey wurde in dem zweyten Puniſchen Kriege auch von denC.
Bis zu der
CXX. Olym-
pias.

edlen Roͤmern geuͤbt, und Q. Fabius, welcher nach der ungluͤckl. Schlacht
bey Cannaͤ an das Orakel zu Delphos geſchickt wurde, bekam von der Kunſt
den Namen Pictor 6). Ein paar Jahre nach gedachter Schlacht, ließ
Tiberius Gracchus die Luſtbarkeit ſeines Heers zu Benevent, nach dem
Siege uͤber den Hanno bey Luceria, in dem Tempel der Freyheit zu Rom
malen 7). Die Soldaten wurden von den Beneventanern auf den Gaſſen der
Stadt bewirthet, und da der mehreſte Theil bewafnete Knechte waren, de-
nen Gracchus, in Anſehung der einige Jahre geleiſteten Kriegsdienſte, vor die-
ſer Schlacht, mit Genehmhaltung des Senats, die Freyheit verſprochen
hatte, ſo ſpeiſeten dieſe mit Huͤthen und mit weißen wollenen Binden um
den Kopf, zum Zeichen der Freylaſſung. Unter dieſen aber hatten viele
nicht voͤllig ihr Gebuͤhr bewieſen, welchen zur Strafe auferlegt wurde, daß
ſie waͤhrend den Krieg nicht anders, als ſtehend, eſſen und trinken ſollten;

in
1) Rycq. de Capitol. c. 33. p. 124.
2) Varro de re ruſt. L. 2. c. 11. p. 54. Cic. Orat. pro M. Coelio, c. 14.
3) Plutarch. Camil. p. 254. l. 24.
4) L. 27. c. 34.
5) Liv. L. 28. c. 35.
6) Id. L. 22. c. 7.
7) Id. L. 24. c. 16.
Winckelm. Geſch. der Kunſt. P p
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[297/0347] Von der Kunſt unter den Roͤmern. genannt, gehauen. Die Inſchrift der Columna Roſtralis des C. Duil- lius von eben der Zeit, wird auch nur von ſolchem Steine geweſen ſeyn, und nicht aus Marmor, wie aus einer Stelle des Silius vorgegeben wird 1): denn die Ueberbleibſel von der itzigen Inſchrift ſind offenbar von ſpaͤterer Zeit. Bis an das Jahr 454. der Stadt Rom, das iſt, bis zu der 120. Olympias, hatten die Statuen in Rom, wie die Buͤrger, lange Haare, und lange Baͤrte 2), weil nur allererſt in gedachtem Jahre Barbierer aus Sicilien nach Rom kamen 3); und Livius berichtet 4), daß der Conſul M. Li- vius, welcher aus Verdruß ſich von der Stadt entfernet, und den Bart wach- ſen laſſen, ſich denſelben abgenommen, da er von dem Rathe bewegt wurde, wiederum zu erſcheinen. Der aͤltere Scipio Africanus trug lange Haare 5), da Maſiniſſa die erſte Unterredung mit demſelben hielt: deſſen Koͤpfe aber in Marmor und Baſalt ſind alle ganz kahl geſchoren vorgeſtellet, nemlich in ſpaͤtern Maͤnnlichen Jahren. Die Malerey wurde in dem zweyten Puniſchen Kriege auch von den edlen Roͤmern geuͤbt, und Q. Fabius, welcher nach der ungluͤckl. Schlacht bey Cannaͤ an das Orakel zu Delphos geſchickt wurde, bekam von der Kunſt den Namen Pictor 6). Ein paar Jahre nach gedachter Schlacht, ließ Tiberius Gracchus die Luſtbarkeit ſeines Heers zu Benevent, nach dem Siege uͤber den Hanno bey Luceria, in dem Tempel der Freyheit zu Rom malen 7). Die Soldaten wurden von den Beneventanern auf den Gaſſen der Stadt bewirthet, und da der mehreſte Theil bewafnete Knechte waren, de- nen Gracchus, in Anſehung der einige Jahre geleiſteten Kriegsdienſte, vor die- ſer Schlacht, mit Genehmhaltung des Senats, die Freyheit verſprochen hatte, ſo ſpeiſeten dieſe mit Huͤthen und mit weißen wollenen Binden um den Kopf, zum Zeichen der Freylaſſung. Unter dieſen aber hatten viele nicht voͤllig ihr Gebuͤhr bewieſen, welchen zur Strafe auferlegt wurde, daß ſie waͤhrend den Krieg nicht anders, als ſtehend, eſſen und trinken ſollten; in C. Bis zu der CXX. Olym- pias. 1) Rycq. de Capitol. c. 33. p. 124. 2) Varro de re ruſt. L. 2. c. 11. p. 54. Cic. Orat. pro M. Coelio, c. 14. 3) Plutarch. Camil. p. 254. l. 24. 4) L. 27. c. 34. 5) Liv. L. 28. c. 35. 6) Id. L. 22. c. 7. 7) Id. L. 24. c. 16. Winckelm. Geſch. der Kunſt. P p

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/347>, abgerufen am 25.11.2024.