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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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I Theil. Fünftes Capitel.
gesetzten Ordnung in Abhandlung der Zeichnung des Nackenden so wohl,
als des Bekleideten, abgehen muß, so will ich hier wenigstens von der Klei-
dung der Männer, mehr nach dem was man sieht als liest, handeln.

IV.
Geschichte
der Kunst in
Rom.

Was den ersten Punct betrifft, so ist wahrscheinlich, daß sich unter
den Königen wenige oder gar keine Römer auf die Zeichnung, und insbe-
A.
Unter den
Königen.
sondere auf die Bildhauerey, geleget haben, weil nach den Gesetzen des
Numa, wie Plutarchus lehret 1), die Gottheit nicht in Menschlicher Ge-
stalt durfte gebildet werden, so daß nach hundert und sechzig Jahren, nach
den Zeiten dieses Königs, oder in den ersten hundert und siebenzig Jahren,
wie Varro berichtet 2), weder Statuen noch Bilder der Götter in den
Tempeln zu Rom gewesen. Ich sage und verstehe in den Tempeln, welches
also auf eine Gottesdienstliche Verehrung derselben müßte gedeutet werden:
denn es waren Statuen der Götter in Rom, welche ich so gleich anführen
werde; es werden also dieselben nicht in den Tempeln gesetzt gewesen seyn.

Zu andern öffentlichen Werken bedienete man sich Hetrurischer Künst-
ler, welche in den ältesten Zeiten in Rom waren, was nachher die Grie-
chischen Künstler wurden, und von jenen wird die im ersten Capitel ange-
führte Statue des Romulus gearbeitet seyn. Ob die Wölfinn von Erzt,
welche den Romulus und Remus säuget, im Campidoglio, diejenige ist,
von welcher Dionysius, als von einem sehr alten Werke, redet 3), oder die-
jenige, welche nach dem Cicero vom Blitze beschädiget wurde 4), wissen
wir nicht; wenigstens sieht man einen starken Riß in dem Hinterschenkel
des Thiers, und vielleicht ist dieses die Beschädigung vom Blitze.

Tarquinius Priscus 5), oder, wie andere wollen, Superbus 6), ließ
einen Künstler von Fregellä aus dem Lande der Volsker, oder, nach dem
Plutarchus, Hetrurische Künstler von Vejä kommen, die Statue des

Olym-
1) Numa, p. 118. l. 26.
2) ap. S. Augustin. Civit. Dei, L. 4. c. 36.
3) Ant. Rom. L. 1. p. 64. l. 19.
4) de divinat. L. 2. c. 20.
5) Plin. L. 35. c. 45.
6) Plutarch. Poblic. p. 188. l. 20.

I Theil. Fuͤnftes Capitel.
geſetzten Ordnung in Abhandlung der Zeichnung des Nackenden ſo wohl,
als des Bekleideten, abgehen muß, ſo will ich hier wenigſtens von der Klei-
dung der Maͤnner, mehr nach dem was man ſieht als lieſt, handeln.

IV.
Geſchichte
der Kunſt in
Rom.

Was den erſten Punct betrifft, ſo iſt wahrſcheinlich, daß ſich unter
den Koͤnigen wenige oder gar keine Roͤmer auf die Zeichnung, und insbe-
A.
Unter den
Koͤnigen.
ſondere auf die Bildhauerey, geleget haben, weil nach den Geſetzen des
Numa, wie Plutarchus lehret 1), die Gottheit nicht in Menſchlicher Ge-
ſtalt durfte gebildet werden, ſo daß nach hundert und ſechzig Jahren, nach
den Zeiten dieſes Koͤnigs, oder in den erſten hundert und ſiebenzig Jahren,
wie Varro berichtet 2), weder Statuen noch Bilder der Goͤtter in den
Tempeln zu Rom geweſen. Ich ſage und verſtehe in den Tempeln, welches
alſo auf eine Gottesdienſtliche Verehrung derſelben muͤßte gedeutet werden:
denn es waren Statuen der Goͤtter in Rom, welche ich ſo gleich anfuͤhren
werde; es werden alſo dieſelben nicht in den Tempeln geſetzt geweſen ſeyn.

Zu andern oͤffentlichen Werken bedienete man ſich Hetruriſcher Kuͤnſt-
ler, welche in den aͤlteſten Zeiten in Rom waren, was nachher die Grie-
chiſchen Kuͤnſtler wurden, und von jenen wird die im erſten Capitel ange-
fuͤhrte Statue des Romulus gearbeitet ſeyn. Ob die Woͤlfinn von Erzt,
welche den Romulus und Remus ſaͤuget, im Campidoglio, diejenige iſt,
von welcher Dionyſius, als von einem ſehr alten Werke, redet 3), oder die-
jenige, welche nach dem Cicero vom Blitze beſchaͤdiget wurde 4), wiſſen
wir nicht; wenigſtens ſieht man einen ſtarken Riß in dem Hinterſchenkel
des Thiers, und vielleicht iſt dieſes die Beſchaͤdigung vom Blitze.

Tarquinius Priſcus 5), oder, wie andere wollen, Superbus 6), ließ
einen Kuͤnſtler von Fregellaͤ aus dem Lande der Volſker, oder, nach dem
Plutarchus, Hetruriſche Kuͤnſtler von Vejaͤ kommen, die Statue des

Olym-
1) Numa, p. 118. l. 26.
2) ap. S. Auguſtin. Civit. Dei, L. 4. c. 36.
3) Ant. Rom. L. 1. p. 64. l. 19.
4) de divinat. L. 2. c. 20.
5) Plin. L. 35. c. 45.
6) Plutarch. Poblic. p. 188. l. 20.
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[294/0344] I Theil. Fuͤnftes Capitel. geſetzten Ordnung in Abhandlung der Zeichnung des Nackenden ſo wohl, als des Bekleideten, abgehen muß, ſo will ich hier wenigſtens von der Klei- dung der Maͤnner, mehr nach dem was man ſieht als lieſt, handeln. Was den erſten Punct betrifft, ſo iſt wahrſcheinlich, daß ſich unter den Koͤnigen wenige oder gar keine Roͤmer auf die Zeichnung, und insbe- ſondere auf die Bildhauerey, geleget haben, weil nach den Geſetzen des Numa, wie Plutarchus lehret 1), die Gottheit nicht in Menſchlicher Ge- ſtalt durfte gebildet werden, ſo daß nach hundert und ſechzig Jahren, nach den Zeiten dieſes Koͤnigs, oder in den erſten hundert und ſiebenzig Jahren, wie Varro berichtet 2), weder Statuen noch Bilder der Goͤtter in den Tempeln zu Rom geweſen. Ich ſage und verſtehe in den Tempeln, welches alſo auf eine Gottesdienſtliche Verehrung derſelben muͤßte gedeutet werden: denn es waren Statuen der Goͤtter in Rom, welche ich ſo gleich anfuͤhren werde; es werden alſo dieſelben nicht in den Tempeln geſetzt geweſen ſeyn. A. Unter den Koͤnigen. Zu andern oͤffentlichen Werken bedienete man ſich Hetruriſcher Kuͤnſt- ler, welche in den aͤlteſten Zeiten in Rom waren, was nachher die Grie- chiſchen Kuͤnſtler wurden, und von jenen wird die im erſten Capitel ange- fuͤhrte Statue des Romulus gearbeitet ſeyn. Ob die Woͤlfinn von Erzt, welche den Romulus und Remus ſaͤuget, im Campidoglio, diejenige iſt, von welcher Dionyſius, als von einem ſehr alten Werke, redet 3), oder die- jenige, welche nach dem Cicero vom Blitze beſchaͤdiget wurde 4), wiſſen wir nicht; wenigſtens ſieht man einen ſtarken Riß in dem Hinterſchenkel des Thiers, und vielleicht iſt dieſes die Beſchaͤdigung vom Blitze. Tarquinius Priſcus 5), oder, wie andere wollen, Superbus 6), ließ einen Kuͤnſtler von Fregellaͤ aus dem Lande der Volſker, oder, nach dem Plutarchus, Hetruriſche Kuͤnſtler von Vejaͤ kommen, die Statue des Olym- 1) Numa, p. 118. l. 26. 2) ap. S. Auguſtin. Civit. Dei, L. 4. c. 36. 3) Ant. Rom. L. 1. p. 64. l. 19. 4) de divinat. L. 2. c. 20. 5) Plin. L. 35. c. 45. 6) Plutarch. Poblic. p. 188. l. 20.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/344>, abgerufen am 22.11.2024.