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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von der Kunst unter den Griechen.
de sind Figuren gemalet. Die Figur ist unscheinbar geworden, oder abge-
sprungen, und der zweyte rothe Grund ist so rein, als wenn nichts darauf
gemalt gewesen wäre. Andere aber, die von eben dieser Art scheinen, sind
auf nassen Gründen gemalet, aber mit trockenen Farben zuletzt übergangen,
wie der Ganymedes und andere, welche an eben dem Orte gefunden worden.

Einige glauben ein Kennzeichen der trockenen Malerey in den erhobe-
nen Pinselstrichen zu finden; aber ohne Grund: denn auf den Gemälden
des Raphaels, welche auf nassen Gründen sind, bemerket man eben dieses.
Die erhobenen Pinselstriche sind hier Zeichen, daß dieser Künstler seine Werke
zuletzt trocken hier und da übermalet hat, welches auch von den nachfolgen-
den Malern in eben dieser Art geschehen. Die Farben der alten Gemälde auf
trockenen Gründen müssen mit einem besondern Leimwasser aufgetragen seyn:
denn sie haben sich in so vielen hundert Jahren zum Theil frisch erhalten, und
man kann ohne Nachtheil mit einem feuchten Schwamme oder Tuche über die-
selben hinfahren. Man hat in den durch den Vesuvius verschütteten Städ-
ten Gemälde gefunden, welche mit einer zähen und harten Rinde, von Asche
und Feuchtigkeit angesetzt, überzogen waren, und welche man nicht ohne
große Mühe durch Feuer ablösen konnte; aber auch durch diesen Zufall ha-
ben solche alte Gemälde nichts gelitten. Diejenigen, welche auf nassen
Gründen sind, können das Scheidewasser ausstehen, womit man den An-
satz der steinigten Unreinigkeit ablöset, und die Gemälde reiniget.

Was die Ausführung betrifft, so sind die mehresten alten Gemälde
geschwinde, und wie die ersten Gedanken einer Zeichnung, entworfen; und
so leicht und flüchtig sind die Tänzerinnen, und andere Herculanische Figu-

ren,
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Von der Kunſt unter den Griechen.
de ſind Figuren gemalet. Die Figur iſt unſcheinbar geworden, oder abge-
ſprungen, und der zweyte rothe Grund iſt ſo rein, als wenn nichts darauf
gemalt geweſen waͤre. Andere aber, die von eben dieſer Art ſcheinen, ſind
auf naſſen Gruͤnden gemalet, aber mit trockenen Farben zuletzt uͤbergangen,
wie der Ganymedes und andere, welche an eben dem Orte gefunden worden.

Einige glauben ein Kennzeichen der trockenen Malerey in den erhobe-
nen Pinſelſtrichen zu finden; aber ohne Grund: denn auf den Gemaͤlden
des Raphaels, welche auf naſſen Gruͤnden ſind, bemerket man eben dieſes.
Die erhobenen Pinſelſtriche ſind hier Zeichen, daß dieſer Kuͤnſtler ſeine Werke
zuletzt trocken hier und da uͤbermalet hat, welches auch von den nachfolgen-
den Malern in eben dieſer Art geſchehen. Die Farben der alten Gemaͤlde auf
trockenen Gruͤnden muͤſſen mit einem beſondern Leimwaſſer aufgetragen ſeyn:
denn ſie haben ſich in ſo vielen hundert Jahren zum Theil friſch erhalten, und
man kann ohne Nachtheil mit einem feuchten Schwamme oder Tuche uͤber die-
ſelben hinfahren. Man hat in den durch den Veſuvius verſchuͤtteten Staͤd-
ten Gemaͤlde gefunden, welche mit einer zaͤhen und harten Rinde, von Aſche
und Feuchtigkeit angeſetzt, uͤberzogen waren, und welche man nicht ohne
große Muͤhe durch Feuer abloͤſen konnte; aber auch durch dieſen Zufall ha-
ben ſolche alte Gemaͤlde nichts gelitten. Diejenigen, welche auf naſſen
Gruͤnden ſind, koͤnnen das Scheidewaſſer ausſtehen, womit man den An-
ſatz der ſteinigten Unreinigkeit abloͤſet, und die Gemaͤlde reiniget.

Was die Ausfuͤhrung betrifft, ſo ſind die mehreſten alten Gemaͤlde
geſchwinde, und wie die erſten Gedanken einer Zeichnung, entworfen; und
ſo leicht und fluͤchtig ſind die Taͤnzerinnen, und andere Herculaniſche Figu-

ren,
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[285/0335] Von der Kunſt unter den Griechen. de ſind Figuren gemalet. Die Figur iſt unſcheinbar geworden, oder abge- ſprungen, und der zweyte rothe Grund iſt ſo rein, als wenn nichts darauf gemalt geweſen waͤre. Andere aber, die von eben dieſer Art ſcheinen, ſind auf naſſen Gruͤnden gemalet, aber mit trockenen Farben zuletzt uͤbergangen, wie der Ganymedes und andere, welche an eben dem Orte gefunden worden. Einige glauben ein Kennzeichen der trockenen Malerey in den erhobe- nen Pinſelſtrichen zu finden; aber ohne Grund: denn auf den Gemaͤlden des Raphaels, welche auf naſſen Gruͤnden ſind, bemerket man eben dieſes. Die erhobenen Pinſelſtriche ſind hier Zeichen, daß dieſer Kuͤnſtler ſeine Werke zuletzt trocken hier und da uͤbermalet hat, welches auch von den nachfolgen- den Malern in eben dieſer Art geſchehen. Die Farben der alten Gemaͤlde auf trockenen Gruͤnden muͤſſen mit einem beſondern Leimwaſſer aufgetragen ſeyn: denn ſie haben ſich in ſo vielen hundert Jahren zum Theil friſch erhalten, und man kann ohne Nachtheil mit einem feuchten Schwamme oder Tuche uͤber die- ſelben hinfahren. Man hat in den durch den Veſuvius verſchuͤtteten Staͤd- ten Gemaͤlde gefunden, welche mit einer zaͤhen und harten Rinde, von Aſche und Feuchtigkeit angeſetzt, uͤberzogen waren, und welche man nicht ohne große Muͤhe durch Feuer abloͤſen konnte; aber auch durch dieſen Zufall ha- ben ſolche alte Gemaͤlde nichts gelitten. Diejenigen, welche auf naſſen Gruͤnden ſind, koͤnnen das Scheidewaſſer ausſtehen, womit man den An- ſatz der ſteinigten Unreinigkeit abloͤſet, und die Gemaͤlde reiniget. Was die Ausfuͤhrung betrifft, ſo ſind die mehreſten alten Gemaͤlde geſchwinde, und wie die erſten Gedanken einer Zeichnung, entworfen; und ſo leicht und fluͤchtig ſind die Taͤnzerinnen, und andere Herculaniſche Figu- ren, N n 3

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/335>, abgerufen am 25.11.2024.