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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von der Kunst unter den Griechen.
blond. Es müssen auch dem Achilles, nach dem Homerus und Pindarus,
blonde Haare gegeben werden, und Menelaus heißt bey jenen allezeit der
blonde, wie die Gratien bey dem letzten Dichter. Solche Haare hat Gany-
medes auf dem beschriebenen alten Gemälde, ingleichen die Weiblichen
Figuren auf dem sogenannten Coriolano. Es ist also ein sehr ungegrün-
detes Urtheil, welches sich Athenäus einfallen lassen, zu sagen, daß ein
Apollo bloß deswegen schlecht gemacht zu achten seyn würde, wenn man ihm
nicht schwarze, sondern blonde Haare gegeben hätte 1). Die Griechischen
Weiber färbeten so gar ihre Haare blond 2), wenn sie es nicht waren.

Ich bin in Beschreibung dieser Gemälde nach dem Grundsatze verfah-
ren, daß man schreiben sollte, oder nicht, was wir wünschten, daß die Alten
geschrieben, oder nicht geschrieben hätten: denn wir würden es dem Pausa-
nias Dank wissen, wenn er uns von vielen Werken berühmter Maler eine
so umständliche Beschreibung, als von des Polygnotus Gemälden zu Del-
phos, gegeben hätte.

In Rom selbst ist, nach gemeldeten Entdeckungen in der Villa Farnese,
von alten Gemälden nichts besonders zum Vorschein gekommen. Im
Frühlinge 1760. da man in der Villa Albani, zu einem gewölbten Abfluß
des Wassers den Grund grub, fanden sich in der Erde verschiedene Stücke
abgerissener oder abgefallener Bekleidung der Mauren, vermuthlich von
einem alten Grabmale, auf welchen theils Zierrathen, theils Figuren, auf
trockenem Kalke gemalet waren. Auf den zwo besten Sücken ist auf rothen
Grunde ein Amorino zu sehen, mit einem fliegenden bläulichen Gewande,
welcher auf einem grünen Meerthiere reitet. Auf dem andern Stücke hat
sich ein schöner Leib einer kleinen Weiblichen sitzenden Figur, nebst der rech-
ten Hand, erhalten, an welcher der sogenannte Goldfinger einen Ring hat.
Ueber diesen Arm und über den Unterleib ist ein röthliches Gewand gewor-
fen. Diese beyde Stücke besitzet der Verfasser.

Von
1) Deipnos. L. 13. p. 604. B.
2) Eurip. Dan. v. 92.
M m 2

Von der Kunſt unter den Griechen.
blond. Es muͤſſen auch dem Achilles, nach dem Homerus und Pindarus,
blonde Haare gegeben werden, und Menelaus heißt bey jenen allezeit der
blonde, wie die Gratien bey dem letzten Dichter. Solche Haare hat Gany-
medes auf dem beſchriebenen alten Gemaͤlde, ingleichen die Weiblichen
Figuren auf dem ſogenannten Coriolano. Es iſt alſo ein ſehr ungegruͤn-
detes Urtheil, welches ſich Athenaͤus einfallen laſſen, zu ſagen, daß ein
Apollo bloß deswegen ſchlecht gemacht zu achten ſeyn wuͤrde, wenn man ihm
nicht ſchwarze, ſondern blonde Haare gegeben haͤtte 1). Die Griechiſchen
Weiber faͤrbeten ſo gar ihre Haare blond 2), wenn ſie es nicht waren.

Ich bin in Beſchreibung dieſer Gemaͤlde nach dem Grundſatze verfah-
ren, daß man ſchreiben ſollte, oder nicht, was wir wuͤnſchten, daß die Alten
geſchrieben, oder nicht geſchrieben haͤtten: denn wir wuͤrden es dem Pauſa-
nias Dank wiſſen, wenn er uns von vielen Werken beruͤhmter Maler eine
ſo umſtaͤndliche Beſchreibung, als von des Polygnotus Gemaͤlden zu Del-
phos, gegeben haͤtte.

In Rom ſelbſt iſt, nach gemeldeten Entdeckungen in der Villa Farneſe,
von alten Gemaͤlden nichts beſonders zum Vorſchein gekommen. Im
Fruͤhlinge 1760. da man in der Villa Albani, zu einem gewoͤlbten Abfluß
des Waſſers den Grund grub, fanden ſich in der Erde verſchiedene Stuͤcke
abgeriſſener oder abgefallener Bekleidung der Mauren, vermuthlich von
einem alten Grabmale, auf welchen theils Zierrathen, theils Figuren, auf
trockenem Kalke gemalet waren. Auf den zwo beſten Suͤcken iſt auf rothen
Grunde ein Amorino zu ſehen, mit einem fliegenden blaͤulichen Gewande,
welcher auf einem gruͤnen Meerthiere reitet. Auf dem andern Stuͤcke hat
ſich ein ſchoͤner Leib einer kleinen Weiblichen ſitzenden Figur, nebſt der rech-
ten Hand, erhalten, an welcher der ſogenannte Goldfinger einen Ring hat.
Ueber dieſen Arm und uͤber den Unterleib iſt ein roͤthliches Gewand gewor-
fen. Dieſe beyde Stuͤcke beſitzet der Verfaſſer.

Von
1) Deipnoſ. L. 13. p. 604. B.
2) Eurip. Dan. v. 92.
M m 2
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[275/0325] Von der Kunſt unter den Griechen. blond. Es muͤſſen auch dem Achilles, nach dem Homerus und Pindarus, blonde Haare gegeben werden, und Menelaus heißt bey jenen allezeit der blonde, wie die Gratien bey dem letzten Dichter. Solche Haare hat Gany- medes auf dem beſchriebenen alten Gemaͤlde, ingleichen die Weiblichen Figuren auf dem ſogenannten Coriolano. Es iſt alſo ein ſehr ungegruͤn- detes Urtheil, welches ſich Athenaͤus einfallen laſſen, zu ſagen, daß ein Apollo bloß deswegen ſchlecht gemacht zu achten ſeyn wuͤrde, wenn man ihm nicht ſchwarze, ſondern blonde Haare gegeben haͤtte 1). Die Griechiſchen Weiber faͤrbeten ſo gar ihre Haare blond 2), wenn ſie es nicht waren. Ich bin in Beſchreibung dieſer Gemaͤlde nach dem Grundſatze verfah- ren, daß man ſchreiben ſollte, oder nicht, was wir wuͤnſchten, daß die Alten geſchrieben, oder nicht geſchrieben haͤtten: denn wir wuͤrden es dem Pauſa- nias Dank wiſſen, wenn er uns von vielen Werken beruͤhmter Maler eine ſo umſtaͤndliche Beſchreibung, als von des Polygnotus Gemaͤlden zu Del- phos, gegeben haͤtte. In Rom ſelbſt iſt, nach gemeldeten Entdeckungen in der Villa Farneſe, von alten Gemaͤlden nichts beſonders zum Vorſchein gekommen. Im Fruͤhlinge 1760. da man in der Villa Albani, zu einem gewoͤlbten Abfluß des Waſſers den Grund grub, fanden ſich in der Erde verſchiedene Stuͤcke abgeriſſener oder abgefallener Bekleidung der Mauren, vermuthlich von einem alten Grabmale, auf welchen theils Zierrathen, theils Figuren, auf trockenem Kalke gemalet waren. Auf den zwo beſten Suͤcken iſt auf rothen Grunde ein Amorino zu ſehen, mit einem fliegenden blaͤulichen Gewande, welcher auf einem gruͤnen Meerthiere reitet. Auf dem andern Stuͤcke hat ſich ein ſchoͤner Leib einer kleinen Weiblichen ſitzenden Figur, nebſt der rech- ten Hand, erhalten, an welcher der ſogenannte Goldfinger einen Ring hat. Ueber dieſen Arm und uͤber den Unterleib iſt ein roͤthliches Gewand gewor- fen. Dieſe beyde Stuͤcke beſitzet der Verfaſſer. Von 1) Deipnoſ. L. 13. p. 604. B. 2) Eurip. Dan. v. 92. M m 2

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/325>, abgerufen am 24.11.2024.