Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.Von der Kunst unter den Griechen. Münzen sind gezeichnet, wie der Kopf der Pallas auf den ältesten Athenien-sischen Münzen: kein Theil derselben hat eine schöne Form, folglich auch das Ganze nicht; die Augen sind lang und platt gezogen; der Schnitt des Mundes gehet aufwerts; das Kinn ist spitzig, und ohne zierliche Wölbung; und es ist bedeutend genug, zu sagen, daß das Geschlecht an den Weiblichen Köpfen fast zweifelhaft ist. Gleichwohl ist die Rückseite, nicht allein in Absicht des Gepräges, sondern auch der Zeichnung der Figur, zierlich. Wie aber ein großer Unterscheid ist unter der Zeichnung im Kleinen und im Großen, und von jener nicht auf diese kann geschlossen werden, so war es leichter, eine zierliche kleine Figur, etwa einen Zoll groß, als einen Kopf von eben der Größe, schön zu zeichnen. Die Bildung dieser Köpfe hat also nach der angegebenen Form die Eigenschaften des Aegyptischen und Hetruri- schen Stils, und ist ein Beweis der in den drey vorhergehenden Capiteln ange- zeigten Aehnlichkeit der Figuren dieser drey Völker in den ältesten Zeiten. Gleiches Alterthum mit angeführten Münzen scheinet der sterbendeb Auf einem Sparta- 1) Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 405. 2) Lucianus und andere sagen, daß der Held mit seinem Blute geschrieben. Plutar- chus bemerket, daß er die beyden Worte DIITROPAIOUKhOI "dem siegreichen Jupiter" auf den Schild gezeichnet. Der Künstler wird einer ver- schiedenen Nachricht gefolget seyn, da er das Wort Sieg gesetzt: oder der eingeschränk- te Raum ist die Ursache, daß er ein Wort genommen, welches die Absicht des Helden überhaupt, und den Gedanken von jener Schrift, enthält und ausdrücket. Das Wort ist in Dorischer Mundart geschrieben (welche den Spartanern eigen war) und ist der Dativus NIKAI, an statt NIKHI. Man sehe die Abhandlung über diesen Stein in der Beschreibung der geschnittenen Steine des Stoßischen Musei. *) Contempl. c. 24. p. 523. Rhetor. praec. c. 18. p. 20. Val. Max. L. 3. c. 2. & 4. **) Parall. p. 545. l. 2. Winckelm. Gesch. der Kunst. E e
Von der Kunſt unter den Griechen. Muͤnzen ſind gezeichnet, wie der Kopf der Pallas auf den aͤlteſten Athenien-ſiſchen Muͤnzen: kein Theil derſelben hat eine ſchoͤne Form, folglich auch das Ganze nicht; die Augen ſind lang und platt gezogen; der Schnitt des Mundes gehet aufwerts; das Kinn iſt ſpitzig, und ohne zierliche Woͤlbung; und es iſt bedeutend genug, zu ſagen, daß das Geſchlecht an den Weiblichen Koͤpfen faſt zweifelhaft iſt. Gleichwohl iſt die Ruͤckſeite, nicht allein in Abſicht des Gepraͤges, ſondern auch der Zeichnung der Figur, zierlich. Wie aber ein großer Unterſcheid iſt unter der Zeichnung im Kleinen und im Großen, und von jener nicht auf dieſe kann geſchloſſen werden, ſo war es leichter, eine zierliche kleine Figur, etwa einen Zoll groß, als einen Kopf von eben der Groͤße, ſchoͤn zu zeichnen. Die Bildung dieſer Koͤpfe hat alſo nach der angegebenen Form die Eigenſchaften des Aegyptiſchen und Hetruri- ſchen Stils, und iſt ein Beweis der in den drey vorhergehenden Capiteln ange- zeigten Aehnlichkeit der Figuren dieſer drey Voͤlker in den aͤlteſten Zeiten. Gleiches Alterthum mit angefuͤhrten Muͤnzen ſcheinet der ſterbendeb Auf einem Sparta- 1) Deſcr. des Pier. gr. du Cab. de Stoſch, p. 405. 2) Lucianus und andere ſagen, daß der Held mit ſeinem Blute geſchrieben. Plutar- chus bemerket, daß er die beyden Worte ΔΙΙΤΡΟΠΑΙΟϒΧΩΙ „dem ſiegreichen Jupiter„ auf den Schild gezeichnet. Der Kuͤnſtler wird einer ver- ſchiedenen Nachricht gefolget ſeyn, da er das Wort Sieg geſetzt: oder der eingeſchraͤnk- te Raum iſt die Urſache, daß er ein Wort genommen, welches die Abſicht des Helden uͤberhaupt, und den Gedanken von jener Schrift, enthaͤlt und ausdruͤcket. Das Wort iſt in Doriſcher Mundart geſchrieben (welche den Spartanern eigen war) und iſt der Dativus NIKAI, an ſtatt NIKHI. Man ſehe die Abhandlung uͤber dieſen Stein in der Beſchreibung der geſchnittenen Steine des Stoßiſchen Muſei. *) Contempl. c. 24. p. 523. Rhetor. praec. c. 18. p. 20. Val. Max. L. 3. c. 2. & 4. **) Parall. p. 545. l. 2. Winckelm. Geſch. der Kunſt. E e
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Von der Kunſt unter den Griechen.
Muͤnzen ſind gezeichnet, wie der Kopf der Pallas auf den aͤlteſten Athenien-
ſiſchen Muͤnzen: kein Theil derſelben hat eine ſchoͤne Form, folglich auch
das Ganze nicht; die Augen ſind lang und platt gezogen; der Schnitt des
Mundes gehet aufwerts; das Kinn iſt ſpitzig, und ohne zierliche Woͤlbung;
und es iſt bedeutend genug, zu ſagen, daß das Geſchlecht an den Weiblichen
Koͤpfen faſt zweifelhaft iſt. Gleichwohl iſt die Ruͤckſeite, nicht allein in
Abſicht des Gepraͤges, ſondern auch der Zeichnung der Figur, zierlich.
Wie aber ein großer Unterſcheid iſt unter der Zeichnung im Kleinen und
im Großen, und von jener nicht auf dieſe kann geſchloſſen werden, ſo war
es leichter, eine zierliche kleine Figur, etwa einen Zoll groß, als einen Kopf
von eben der Groͤße, ſchoͤn zu zeichnen. Die Bildung dieſer Koͤpfe hat alſo
nach der angegebenen Form die Eigenſchaften des Aegyptiſchen und Hetruri-
ſchen Stils, und iſt ein Beweis der in den drey vorhergehenden Capiteln ange-
zeigten Aehnlichkeit der Figuren dieſer drey Voͤlker in den aͤlteſten Zeiten.
Gleiches Alterthum mit angefuͤhrten Muͤnzen ſcheinet der ſterbende
Othryades in dem Stoßiſchen Muſeo zu haben 1). Die Arbeit iſt nach der
Schrift auf demſelben Griechiſch, und ſtellet den ſterbenden Spartaner
Othryades, nebſt einem andern verwundeten Krieger, vor, wie jener, ſo wie
dieſer, ſich den toͤdtlichen Pfeil aus der Bruſt ziehet, und zugleich das
Wort „dem Siege„ 2) auf ſeinen Schild ſchreibet. Die Argiver und
Sparta-
b Auf einem
geſchnittenen
Steine.
1) Deſcr. des Pier. gr. du Cab. de Stoſch, p. 405.
2) Lucianus und andere ſagen, daß der Held mit ſeinem Blute geſchrieben. Plutar-
chus bemerket, daß er die beyden Worte ΔΙΙΤΡΟΠΑΙΟϒΧΩΙ „dem
ſiegreichen Jupiter„ auf den Schild gezeichnet. Der Kuͤnſtler wird einer ver-
ſchiedenen Nachricht gefolget ſeyn, da er das Wort Sieg geſetzt: oder der eingeſchraͤnk-
te Raum iſt die Urſache, daß er ein Wort genommen, welches die Abſicht des Helden
uͤberhaupt, und den Gedanken von jener Schrift, enthaͤlt und ausdruͤcket. Das Wort
iſt in Doriſcher Mundart geſchrieben (welche den Spartanern eigen war) und iſt der
Dativus NIKAI, an ſtatt NIKHI. Man ſehe die Abhandlung uͤber dieſen Stein
in der Beſchreibung der geſchnittenen Steine des Stoßiſchen Muſei.
*⁾ Contempl. c. 24. p. 523. Rhetor. praec. c. 18. p. 20. Val. Max. L. 3. c. 2. & 4.
**⁾ Parall. p. 545. l. 2.
Winckelm. Geſch. der Kunſt. E e
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