Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.Von der Kunst unter den Griechen. und wie die Jüdischen Hohepriester denselben trugen 1): dieses hieß hoch-insbesonderevon dem Gür- tel. aufgeschürzt, bathuzonos, welches ein gemeines Beywort der Griechischen Weiber beym Homerus 2), und bey andern Dichtern ist 3). Dieses Band oder Gürtel, bey den Griechen Strophium 4), auch Mitra 5) genannt 6), ist an den mehresten Figuren sichtbar, und von den beyden Enden desselben auf der Brust hängen drey Kügelchen an so viel Schnüren herunter, an einer kleinen Pallas von Erzt, in der Villa Albani 7). Es ist dieses Band unter der Brust in eine einfache, auch doppelte Schläufe gebunden, welche man an den zwo schönsten Töchtern der Niobe nicht sieht: der Jüngsten von diesen gehet das Band über beyde Achseln und über den Rücken, wie es die vier Caryatiden in Lebensgröße haben, welche im Monate April 1761. bey Monte Portio ohnweit Frascati gefunden worden. Au den Figuren des Vaticanischen Terentius sehen wir, daß der Rock auf diese Art mit zwey Bändern gebunden wurde, die oben auf der Achsel befestiget gewesen seyn müssen: denn sie hängen an einigen Figuren aufgelöset, auf beyden Seiten 1) Reland. Ant. Hebr. p. 145. 2) Il. l. 590. Od. g'. 154. 3) Bathuzonoms gunaikas hat Barnes in der ersten angeführten Stelle gegeben profunde succinctas, und in der zwoten demissas zonas habentes, welches beydes irrig ist. Die Griechischen Scholiasten haben dieses Beywort eben so wenig verstanden, und wenn im Etymol. Magno gesaget wird, es sey dasselbe ein Beyname Barbarischer Weiber, so zielet dieses vermuthlich auf eine Stelle des Aeschylus, (Pers. v. 155.) wo dieser Dichter die Persischen Weiber also nennet. Stanley hat den rechten Sinn dieses Worts getroffen; denn er übersetzet es alte cinctarum, der hochaufgeschürzten. Der Scholiast des Statius giebt ein schlechtes Kennzeichen von der Abbildung der Tugend, wenn er sagt, daß sie hochaufgeschürzt vorgestellet worden. *) Lutat. in Lib. 10. Theb. Stat. 4) Aeschyl. Sept. contr. Theb. v. 877. Catul. Epithal. v. 65. Hier könnte füglicher an statt lactantes gesetzt werden luctantes. 5) Non. Dionys. L. 1. p. 15. v. 5. p. 22. v. 12. 6) In einer noch nicht bekanntgemachten Inschrift des Codicis Palatini Anthologiae der Vaticanischen Bibliothec, eis Aglaoniken etairen, scheinet im folgenden Verse, Sagdala eaj malakaj mason endumata mitra[fremdsprachliches Material], dieses Wort diejenige Binde zu bedeuten, die unter die Brüste angeleget wurde, von welcher ich oben geredet habe. 7) La Chausse Mus. Rom. Sect. 2. tab. 9. B b 3
Von der Kunſt unter den Griechen. und wie die Juͤdiſchen Hoheprieſter denſelben trugen 1): dieſes hieß hoch-insbeſonderevon dem Guͤr- tel. aufgeſchuͤrzt, βαϑύζωνος, welches ein gemeines Beywort der Griechiſchen Weiber beym Homerus 2), und bey andern Dichtern iſt 3). Dieſes Band oder Guͤrtel, bey den Griechen Strophium 4), auch Mitra 5) genannt 6), iſt an den mehreſten Figuren ſichtbar, und von den beyden Enden deſſelben auf der Bruſt haͤngen drey Kuͤgelchen an ſo viel Schnuͤren herunter, an einer kleinen Pallas von Erzt, in der Villa Albani 7). Es iſt dieſes Band unter der Bruſt in eine einfache, auch doppelte Schlaͤufe gebunden, welche man an den zwo ſchoͤnſten Toͤchtern der Niobe nicht ſieht: der Juͤngſten von dieſen gehet das Band uͤber beyde Achſeln und uͤber den Ruͤcken, wie es die vier Caryatiden in Lebensgroͤße haben, welche im Monate April 1761. bey Monte Portio ohnweit Fraſcati gefunden worden. Au den Figuren des Vaticaniſchen Terentius ſehen wir, daß der Rock auf dieſe Art mit zwey Baͤndern gebunden wurde, die oben auf der Achſel befeſtiget geweſen ſeyn muͤſſen: denn ſie haͤngen an einigen Figuren aufgeloͤſet, auf beyden Seiten 1) Reland. Ant. Hebr. p. 145. 2) Il. l. 590. Od. γ’. 154. 3) Βαϑυζώνομς γυναῖκας hat Barnes in der erſten angefuͤhrten Stelle gegeben profunde ſuccinctas, und in der zwoten demiſſas zonas habentes, welches beydes irrig iſt. Die Griechiſchen Scholiaſten haben dieſes Beywort eben ſo wenig verſtanden, und wenn im Etymol. Magno geſaget wird, es ſey daſſelbe ein Beyname Barbariſcher Weiber, ſo zielet dieſes vermuthlich auf eine Stelle des Aeſchylus, (Perſ. v. 155.) wo dieſer Dichter die Perſiſchen Weiber alſo nennet. Stanley hat den rechten Sinn dieſes Worts getroffen; denn er uͤberſetzet es alte cinctarum, der hochaufgeſchuͤrzten. Der Scholiaſt des Statius giebt ein ſchlechtes Kennzeichen von der Abbildung der Tugend, wenn er ſagt, daß ſie hochaufgeſchuͤrzt vorgeſtellet worden. *) Lutat. in Lib. 10. Theb. Stat. 4) Aeſchyl. Sept. contr. Theb. v. 877. Catul. Epithal. v. 65. Hier koͤnnte fuͤglicher an ſtatt lactantes geſetzt werden luctantes. 5) Non. Dionyſ. L. 1. p. 15. v. 5. p. 22. v. 12. 6) In einer noch nicht bekanntgemachten Inſchrift des Codicis Palatini Anthologiæ der Vaticaniſchen Bibliothec, εἰς Ἀγλαονίκην ἑταίρην, ſcheinet im folgenden Verſe, Σάγδαλα ηαϳ μαλακαϳ μαςῶν ἐνδύματα μίτρα[fremdsprachliches Material], dieſes Wort diejenige Binde zu bedeuten, die unter die Bruͤſte angeleget wurde, von welcher ich oben geredet habe. 7) La Chauſſe Muſ. Rom. Sect. 2. tab. 9. B b 3
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Von der Kunſt unter den Griechen.
und wie die Juͤdiſchen Hoheprieſter denſelben trugen 1): dieſes hieß hoch-
aufgeſchuͤrzt, βαϑύζωνος, welches ein gemeines Beywort der Griechiſchen
Weiber beym Homerus 2), und bey andern Dichtern iſt 3). Dieſes Band oder
Guͤrtel, bey den Griechen Strophium 4), auch Mitra 5) genannt 6), iſt
an den mehreſten Figuren ſichtbar, und von den beyden Enden deſſelben auf
der Bruſt haͤngen drey Kuͤgelchen an ſo viel Schnuͤren herunter, an einer
kleinen Pallas von Erzt, in der Villa Albani 7). Es iſt dieſes Band unter
der Bruſt in eine einfache, auch doppelte Schlaͤufe gebunden, welche man
an den zwo ſchoͤnſten Toͤchtern der Niobe nicht ſieht: der Juͤngſten von
dieſen gehet das Band uͤber beyde Achſeln und uͤber den Ruͤcken, wie es die
vier Caryatiden in Lebensgroͤße haben, welche im Monate April 1761. bey
Monte Portio ohnweit Fraſcati gefunden worden. Au den Figuren
des Vaticaniſchen Terentius ſehen wir, daß der Rock auf dieſe Art mit
zwey Baͤndern gebunden wurde, die oben auf der Achſel befeſtiget geweſen
ſeyn muͤſſen: denn ſie haͤngen an einigen Figuren aufgeloͤſet, auf beyden
Seiten
insbeſondere
von dem Guͤr-
tel.
1) Reland. Ant. Hebr. p. 145.
2) Il. l. 590. Od. γ’. 154.
3) Βαϑυζώνομς γυναῖκας hat Barnes in der erſten angefuͤhrten Stelle gegeben profunde
ſuccinctas, und in der zwoten demiſſas zonas habentes, welches beydes irrig iſt.
Die Griechiſchen Scholiaſten haben dieſes Beywort eben ſo wenig verſtanden, und
wenn im Etymol. Magno geſaget wird, es ſey daſſelbe ein Beyname Barbariſcher
Weiber, ſo zielet dieſes vermuthlich auf eine Stelle des Aeſchylus, (Perſ. v. 155.)
wo dieſer Dichter die Perſiſchen Weiber alſo nennet. Stanley hat den rechten Sinn
dieſes Worts getroffen; denn er uͤberſetzet es alte cinctarum, der hochaufgeſchuͤrzten.
Der Scholiaſt des Statius giebt ein ſchlechtes Kennzeichen von der Abbildung der
Tugend, wenn er ſagt, daß ſie hochaufgeſchuͤrzt vorgeſtellet worden.
*⁾ Lutat. in Lib. 10. Theb. Stat.
4) Aeſchyl. Sept. contr. Theb. v. 877. Catul. Epithal. v. 65. Hier koͤnnte fuͤglicher an
ſtatt lactantes geſetzt werden luctantes.
5) Non. Dionyſ. L. 1. p. 15. v. 5. p. 22. v. 12.
6) In einer noch nicht bekanntgemachten Inſchrift des Codicis Palatini Anthologiæ der
Vaticaniſchen Bibliothec, εἰς Ἀγλαονίκην ἑταίρην, ſcheinet im folgenden Verſe,
Σάγδαλα ηαϳ μαλακαϳ μαςῶν ἐνδύματα μίτρα_ ,
dieſes Wort diejenige Binde zu bedeuten, die unter die Bruͤſte angeleget wurde, von
welcher ich oben geredet habe.
7) La Chauſſe Muſ. Rom. Sect. 2. tab. 9.
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