sie reden aber hingegen von dem größten Dichter, wie Lamo- the, und von der vollkommensten Statue, wie Arentino. Ueberhaupt sind die mehresten Scribenten in diesen Sachen, wie die Flüße, welche aufschwellen, wenn man ihr Wasser nicht nöthig hat, und trocken bleiben, wenn es am Wasser fehlet.
In dieser Geschichte der Kunst habe ich mich bemühet, die Wahrheit zu entdecken, und da ich die Werke der alten Kunst mit Muße zu untersuchen alle erwünschte Gelegenheit gehabt, und nichts ersparet habe, um zu den nöthigen Kenntnissen zu gelan- gen, so glaubte ich, mich an diese Abhandlung machen zu kön- nen. Die Liebe zur Kunst ist von Jugend auf meine größte Neigung gewesen, und ohnerachtet mich Erziehung und Um- stände in ein ganz entferntes Gleis geführet hatten, so meldere sich dennoch allezeit mein innerer Beruf. Ich habe alles, was ich zum Beweis angeführet habe, selbst und vielmal gesehen, und betrachten können, so wohl Gemälde und Statuen, als geschnittene Steine und Münzen; um aber der Vorstellung des Lesers zu Hülfe zu kommen, habe ich sowohl Steine, als Münzen, welche erträglich in Kupfer gestochen sind, aus Bü- chern zugleich mit angeführet.
Man wundere sich aber nicht, wenn man einige Werke der alten Kunst mit dem Namen des Künstlers, oder andere, welche sich sonst merkwürdig gemacht haben, nicht berühret findet. Die- jenigen, welche ich mit Stillschweigen übergangen habe, werden Sachen seyn, die entweder nicht dienen zur Bestimmung des Stils, oder einer Zeit in der Kunst, oder sie werden nicht mehr in Rom vorhanden, oder gar vernichtet seyn: denn dieses Un- glück hat sehr viel herrliche Stücke in neueren Zeiten betroffen, wie ich an verschiedenen Orten angemerket habe. Ich würde den Trunk einer Statue, mit dem Namen Apollonius des Ne-
stors
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Vorrede.
ſie reden aber hingegen von dem groͤßten Dichter, wie Lamo- the, und von der vollkommenſten Statue, wie Arentino. Ueberhaupt ſind die mehreſten Scribenten in dieſen Sachen, wie die Fluͤße, welche aufſchwellen, wenn man ihr Waſſer nicht noͤthig hat, und trocken bleiben, wenn es am Waſſer fehlet.
In dieſer Geſchichte der Kunſt habe ich mich bemuͤhet, die Wahrheit zu entdecken, und da ich die Werke der alten Kunſt mit Muße zu unterſuchen alle erwuͤnſchte Gelegenheit gehabt, und nichts erſparet habe, um zu den noͤthigen Kenntniſſen zu gelan- gen, ſo glaubte ich, mich an dieſe Abhandlung machen zu koͤn- nen. Die Liebe zur Kunſt iſt von Jugend auf meine groͤßte Neigung geweſen, und ohnerachtet mich Erziehung und Um- ſtaͤnde in ein ganz entferntes Gleis gefuͤhret hatten, ſo meldere ſich dennoch allezeit mein innerer Beruf. Ich habe alles, was ich zum Beweis angefuͤhret habe, ſelbſt und vielmal geſehen, und betrachten koͤnnen, ſo wohl Gemaͤlde und Statuen, als geſchnittene Steine und Muͤnzen; um aber der Vorſtellung des Leſers zu Huͤlfe zu kommen, habe ich ſowohl Steine, als Muͤnzen, welche ertraͤglich in Kupfer geſtochen ſind, aus Buͤ- chern zugleich mit angefuͤhret.
Man wundere ſich aber nicht, wenn man einige Werke der alten Kunſt mit dem Namen des Kuͤnſtlers, oder andere, welche ſich ſonſt merkwuͤrdig gemacht haben, nicht beruͤhret findet. Die- jenigen, welche ich mit Stillſchweigen uͤbergangen habe, werden Sachen ſeyn, die entweder nicht dienen zur Beſtimmung des Stils, oder einer Zeit in der Kunſt, oder ſie werden nicht mehr in Rom vorhanden, oder gar vernichtet ſeyn: denn dieſes Un- gluͤck hat ſehr viel herrliche Stuͤcke in neueren Zeiten betroffen, wie ich an verſchiedenen Orten angemerket habe. Ich wuͤrde den Trunk einer Statue, mit dem Namen Apollonius des Ne-
ſtors
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Vorrede.
ſie reden aber hingegen von dem groͤßten Dichter, wie Lamo-
the, und von der vollkommenſten Statue, wie Arentino.
Ueberhaupt ſind die mehreſten Scribenten in dieſen Sachen, wie
die Fluͤße, welche aufſchwellen, wenn man ihr Waſſer nicht noͤthig
hat, und trocken bleiben, wenn es am Waſſer fehlet.
In dieſer Geſchichte der Kunſt habe ich mich bemuͤhet, die
Wahrheit zu entdecken, und da ich die Werke der alten Kunſt
mit Muße zu unterſuchen alle erwuͤnſchte Gelegenheit gehabt, und
nichts erſparet habe, um zu den noͤthigen Kenntniſſen zu gelan-
gen, ſo glaubte ich, mich an dieſe Abhandlung machen zu koͤn-
nen. Die Liebe zur Kunſt iſt von Jugend auf meine groͤßte
Neigung geweſen, und ohnerachtet mich Erziehung und Um-
ſtaͤnde in ein ganz entferntes Gleis gefuͤhret hatten, ſo meldere
ſich dennoch allezeit mein innerer Beruf. Ich habe alles, was
ich zum Beweis angefuͤhret habe, ſelbſt und vielmal geſehen,
und betrachten koͤnnen, ſo wohl Gemaͤlde und Statuen, als
geſchnittene Steine und Muͤnzen; um aber der Vorſtellung
des Leſers zu Huͤlfe zu kommen, habe ich ſowohl Steine, als
Muͤnzen, welche ertraͤglich in Kupfer geſtochen ſind, aus Buͤ-
chern zugleich mit angefuͤhret.
Man wundere ſich aber nicht, wenn man einige Werke der
alten Kunſt mit dem Namen des Kuͤnſtlers, oder andere, welche
ſich ſonſt merkwuͤrdig gemacht haben, nicht beruͤhret findet. Die-
jenigen, welche ich mit Stillſchweigen uͤbergangen habe, werden
Sachen ſeyn, die entweder nicht dienen zur Beſtimmung des
Stils, oder einer Zeit in der Kunſt, oder ſie werden nicht mehr
in Rom vorhanden, oder gar vernichtet ſeyn: denn dieſes Un-
gluͤck hat ſehr viel herrliche Stuͤcke in neueren Zeiten betroffen,
wie ich an verſchiedenen Orten angemerket habe. Ich wuͤrde den
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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. XXI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/19>, abgerufen am 16.07.2024.
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