IV. Anzeige eini- ger Figuren aus der Insel Sardinien.
Hier scheinet mir der bequemste Ort, zum Beschlusse dieses Capitels, ein paar Worte zu melden von einigen in der Insel Sardinien entdeckten Figuren in Erzt, welche, in Absicht ihrer Bildung und ihres hohen Alter- thums, einige Aufmerksamkeit verdienen. Es sind vor kurzer Zeit 1) ein paar andere ähnliche Figuren aus dieser Insel bekannt gemacht worden; diejenigen aber, von welchen ich rede, befinden sich in dem Museo des Collegii St. Igna- tii, von dem Herrn Cardinal Alexander Albani dahin geschenkt. Es sind vier derselben von verschiedener Größe, von einem halben bis an zween Palme. Die Form und Bildung derselben ist ganz barbarisch, und hat zugleich die deutlichsten Kennzeichen des höchsten Alterthums in einem Lande, wo die Künste niemals geblühet haben. Der Kopf derselben ist lang gezogen, mit ungewöhnlich großen Augen und ungestalten Theilen, und mit langen storchs- mäßigen Hälsen, nach der Art, wie einige der häßlichsten kleinen Hetrurischen Figuren in Erzt gebildet sind.
Zwo von den drey kleineren Figuren scheinen Soldaten, aber ohne Helme; beyde haben einen kurzen Degen an ein Gehenk über den Kopf ge- worfen, auf der Brust selbst hängen, und zwar von der rechten zur linken. Auf der linken Schulter hängt ein kurzer und schmaler Mantel, welcher ein schmaler Streifen ist, und reichet bis an die Hälfte der Schenkel. Es schei- net ein viereckt Tuch, welches kann zusammengelegt seyn; auf der einen und innern Seite ist dasselbe mit einem schmalen erhobenen Rande eingefasset. Diese besondere Art Kleidung kann vielleicht die den alten Sardiniern allein eigene seyn, welche Mastruca 2) hieß. Die eine Figur hält einen Teller mit Früchten, wie es scheinet, in der Hand.
Die merkwürdigste unter diesen Figuren, fast zween Palme hoch, ist ein Soldat mit einer kurzen Weste, wie jene, mit Hosen und Beinrüstungen bis unter die Waden, welche das Gegentheil von andern Beinrüstungen sind: denn an statt daß der Griechen ihre das Schienbein bedeckten, liegen diese über die Wade, und sind vorne offen. Eben so sieht man die Beine bewaf- net an dem Castor und Pollux, auf einem Steine des Stoßischen Musei 3),
wo
1)Caylus Rec. d'Antiq. T. 3.
2)Plaut. Poen. Act. 5. Sc. 5. v. 34. Isid. L. 19. c. 3. ex Cicerone.
3)Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 201.
I Theil. Drittes Capitel.
IV. Anzeige eini- ger Figuren aus der Inſel Sardinien.
Hier ſcheinet mir der bequemſte Ort, zum Beſchluſſe dieſes Capitels, ein paar Worte zu melden von einigen in der Inſel Sardinien entdeckten Figuren in Erzt, welche, in Abſicht ihrer Bildung und ihres hohen Alter- thums, einige Aufmerkſamkeit verdienen. Es ſind vor kurzer Zeit 1) ein paar andere aͤhnliche Figuren aus dieſer Inſel bekannt gemacht worden; diejenigen aber, von welchen ich rede, befinden ſich in dem Muſeo des Collegii St. Igna- tii, von dem Herrn Cardinal Alexander Albani dahin geſchenkt. Es ſind vier derſelben von verſchiedener Groͤße, von einem halben bis an zween Palme. Die Form und Bildung derſelben iſt ganz barbariſch, und hat zugleich die deutlichſten Kennzeichen des hoͤchſten Alterthums in einem Lande, wo die Kuͤnſte niemals gebluͤhet haben. Der Kopf derſelben iſt lang gezogen, mit ungewoͤhnlich großen Augen und ungeſtalten Theilen, und mit langen ſtorchs- maͤßigen Haͤlſen, nach der Art, wie einige der haͤßlichſten kleinen Hetruriſchen Figuren in Erzt gebildet ſind.
Zwo von den drey kleineren Figuren ſcheinen Soldaten, aber ohne Helme; beyde haben einen kurzen Degen an ein Gehenk uͤber den Kopf ge- worfen, auf der Bruſt ſelbſt haͤngen, und zwar von der rechten zur linken. Auf der linken Schulter haͤngt ein kurzer und ſchmaler Mantel, welcher ein ſchmaler Streifen iſt, und reichet bis an die Haͤlfte der Schenkel. Es ſchei- net ein viereckt Tuch, welches kann zuſammengelegt ſeyn; auf der einen und innern Seite iſt daſſelbe mit einem ſchmalen erhobenen Rande eingefaſſet. Dieſe beſondere Art Kleidung kann vielleicht die den alten Sardiniern allein eigene ſeyn, welche Maſtruca 2) hieß. Die eine Figur haͤlt einen Teller mit Fruͤchten, wie es ſcheinet, in der Hand.
Die merkwuͤrdigſte unter dieſen Figuren, faſt zween Palme hoch, iſt ein Soldat mit einer kurzen Weſte, wie jene, mit Hoſen und Beinruͤſtungen bis unter die Waden, welche das Gegentheil von andern Beinruͤſtungen ſind: denn an ſtatt daß der Griechen ihre das Schienbein bedeckten, liegen dieſe uͤber die Wade, und ſind vorne offen. Eben ſo ſieht man die Beine bewaf- net an dem Caſtor und Pollux, auf einem Steine des Stoßiſchen Muſei 3),
wo
1)Caylus Rec. d’Antiq. T. 3.
2)Plaut. Poen. Act. 5. Sc. 5. v. 34. Iſid. L. 19. c. 3. ex Cicerone.
3)Deſcr. des Pier. gr. du Cab. de Stoſch, p. 201.
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I Theil. Drittes Capitel.
Hier ſcheinet mir der bequemſte Ort, zum Beſchluſſe dieſes Capitels,
ein paar Worte zu melden von einigen in der Inſel Sardinien entdeckten
Figuren in Erzt, welche, in Abſicht ihrer Bildung und ihres hohen Alter-
thums, einige Aufmerkſamkeit verdienen. Es ſind vor kurzer Zeit 1) ein paar
andere aͤhnliche Figuren aus dieſer Inſel bekannt gemacht worden; diejenigen
aber, von welchen ich rede, befinden ſich in dem Muſeo des Collegii St. Igna-
tii, von dem Herrn Cardinal Alexander Albani dahin geſchenkt. Es ſind
vier derſelben von verſchiedener Groͤße, von einem halben bis an zween Palme.
Die Form und Bildung derſelben iſt ganz barbariſch, und hat zugleich die
deutlichſten Kennzeichen des hoͤchſten Alterthums in einem Lande, wo die
Kuͤnſte niemals gebluͤhet haben. Der Kopf derſelben iſt lang gezogen, mit
ungewoͤhnlich großen Augen und ungeſtalten Theilen, und mit langen ſtorchs-
maͤßigen Haͤlſen, nach der Art, wie einige der haͤßlichſten kleinen Hetruriſchen
Figuren in Erzt gebildet ſind.
Zwo von den drey kleineren Figuren ſcheinen Soldaten, aber ohne
Helme; beyde haben einen kurzen Degen an ein Gehenk uͤber den Kopf ge-
worfen, auf der Bruſt ſelbſt haͤngen, und zwar von der rechten zur linken.
Auf der linken Schulter haͤngt ein kurzer und ſchmaler Mantel, welcher ein
ſchmaler Streifen iſt, und reichet bis an die Haͤlfte der Schenkel. Es ſchei-
net ein viereckt Tuch, welches kann zuſammengelegt ſeyn; auf der einen und
innern Seite iſt daſſelbe mit einem ſchmalen erhobenen Rande eingefaſſet.
Dieſe beſondere Art Kleidung kann vielleicht die den alten Sardiniern allein
eigene ſeyn, welche Maſtruca 2) hieß. Die eine Figur haͤlt einen Teller
mit Fruͤchten, wie es ſcheinet, in der Hand.
Die merkwuͤrdigſte unter dieſen Figuren, faſt zween Palme hoch, iſt
ein Soldat mit einer kurzen Weſte, wie jene, mit Hoſen und Beinruͤſtungen
bis unter die Waden, welche das Gegentheil von andern Beinruͤſtungen ſind:
denn an ſtatt daß der Griechen ihre das Schienbein bedeckten, liegen dieſe
uͤber die Wade, und ſind vorne offen. Eben ſo ſieht man die Beine bewaf-
net an dem Caſtor und Pollux, auf einem Steine des Stoßiſchen Muſei 3),
wo
1) Caylus Rec. d’Antiq. T. 3.
2) Plaut. Poen. Act. 5. Sc. 5. v. 34. Iſid. L. 19. c. 3. ex Cicerone.
3) Deſcr. des Pier. gr. du Cab. de Stoſch, p. 201.
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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/174>, abgerufen am 28.07.2024.
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